Kaffee schützt vor erneutem Darmkrebs – oder auch nicht
Weil ich auf Twitter darauf aufmerksam gemacht wurde: Im Sommer 2015 kursierte eine Meldung, laut der Kaffee vor einem Darmkrebsrezidiv (also erneutem Auftreten von Darmkrebs) schützen soll. Im konkreten Fall steht bei RP-Online:
Später im Vorspann heißt es dann gleich:
„Jetzt zeigt eine neue Studie, zumindest das Rückfallrisiko kann ganz leicht um bis zu 42 Prozent verringert werden. Patienten müssen dafür lediglich Kaffee trinken.“
Das ist, um es einfach auszudrücken, erst einmal Quatsch.
RP-Online (basierend auf einer AFP-Meldung) behauptet damit mehr als es die Wissenschaftler tun. Die schreiben eher zurückhaltend:
„Higher coffee intake may be associated with significantly reduced cancer recurrence and death in patients with stage III colon cancer.“ (Fettung durch mich)
Mehr werden sie auch nicht behaupten können, denn die Untersuchungsmethode/das Studiendesign lässt einfach nicht mehr zu. Mit einer solchen Beobachtungsstudie lassen sich keine kausalen Zusammenhänge (X bewirkt Y) beweisen. Dazu braucht es ein anderes Studiendesign. Ich habe das an anderer Stelle hier im Blog schon mal ausführlicher erklärt (mehr zur Aussagekraft verschiedener Studiendesigns findet ihr hier und hier).
Die Mediziner schreiben im Volltext auch (der leider nicht frei zugänglich ist) laut unserem Kollegen Gary Schwitzer:
“our observational study does not offer conclusive evidence for causality.”
Erschwerend kommt in diesem Fall hinzu, dass diese „Association“ zum ersten Mal so vorgefunden wurde. Ob Kaffee das Rückfallrisiko tatsächlich senkt, muss sich erst in anderen Studien bestätigen lassen.
RP-Online müsste den Titel und andere eindeutige Stelle eigentlich um ein „… kann möglicherweise/vielleicht …“ ergänzen. Nur, wer will dann noch so einen Artikel lesen.
Was der Autor/die Autorin zudem unterschlagen hat: Die Forscher haben sich nur einen Zeitraum von 6 Monaten angesehen, im Text wird das unterschlagen, stattdessen heißt es sehr suggestiv:
„Meistens erkranken die Patienten innerhalb von fünf Jahren nach einer Behandlung erneut.“
Wie das Ergebnis in den restlichen viereinhalb Jahren ausschaut, muss sich erst noch zeigen.
Ausgangspunkt für diesen Post war übrigens eine Anfrage auf Twitter von @peHaus:
Die Antwort kann derzeit nur lauten: „Kann sein, kann auch nicht sein.“ Aber hätte RP-Online/AFP dann berichtet?
Wie können Journalisten da selbst drauf kommen:
Wenn im Abstract (der Zusammenfassung) einerseits Begriffe wie „Association“ oder „may be associated“ auftauchen wie hier in der Conclusion: „Higher coffee intake may be associated with significantly reduced cancer recurrence and death“ sollte man sprachlich Vorsicht walten lassen. Zugleich fehlt in der Beschreibung des Studiendesigns ein Begriff wie „randomised controlled trail“. Damit werden sogenannte randomisierte (zufallsverteilte), kontrollierte (mit Kontrollgruppe) Studien bezeichnet, mit denen man kausale Zusammenhänge belegen kann.
LINKS:
Mit Schlaftabletten Leser erschrecken
https://medien-doktor.de/gesundheit/sprechstunde/mit-schlaftabletten-leser-erschrecken/
Coffee Intake, Recurrence, and Mortality in Stage III Colon Cancer: Results From CALGB 89803
https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC4622099/
Vier Tassen Kaffee am Tag schützen vor Darmkrebs-Rückfall
http://www.rp-online.de/leben/gesundheit/medizin/krebs/vier-oder-mehr-tassen-kaffee-am-tag-schuetzen-vor-darmkrebs-rueckfall-aid-1.5324173
Coffee, colon cancer, and caveats about observational studies
Coffee, colon cancer, and caveats about observational studies
Studien und Typen: Die Hackordnung der Glaubwürdigkeit (Teil A)
https://medien-doktor.de/gesundheit/sprechstunde/praxisberichte-1-studien-und-typen-die-hackordnung-der-glaubwuerdigkeit-teil-a/
Studien und Typen: Die Hackordnung der Glaubwürdigkeit (Teil B)
Praxisberichte 2 – Studien und Typen: Die Hackordnung der Glaubwürdigkeit (Teil B)