Genmais-Studie: ZDF wie zweifelhaft

Eine Studie will nach nachgewiesen haben, dass gentechnisch veränderter Mais Ratten früher sterben lässt. Die Kritik an der Studie ist gewaltig. In der Hauptnachrichtensendung des ZDF erfahren Zuschauer davon aber nichts. Ihnen werden statt dessen Angst einflößende Fotos von kranken Tieren präsentiert.

Höheres Krebsrisiko durch Genmais lesen die Zuschauer der ‚ZDF heute’ Nachrichten (19:00 Uhr Sendung ab min. 10:23; Link nicht mehr verfügbar) auf dem Hintergrundbild mit einem Maiskolben. Moderatorin Petra Gerster leitet den Beitrag ein mit: Die Studie ist alarmierend.“ Der Beitrag selbst beginnt mit wahrlich schockierenden Bildern weißer Laborratten mit monströsen Tumoren und der Frage: „Was löste derartige Geschwüre bei den Ratten aus? Die französische Studie kommt da zu einem eindeutigen Ergebnis: Schuld sei gentechnisch veränderter Mais der US-Firma Monsanto. Den die Tiere gefressen hatten.“

So beginnt der Beitrag in der Hauptnachrichtensendung des ZDF über eine französische Studie eines Forscherteams um Gilles-Éric Séralini, die am Donnerstag für viel Aufregung gesorgt hatte. Aber nicht nur, weil sie auf einen möglichen Zusammenhang zwischen erhöhtem Krebsrisiko und gentechnisch verändertem Mais hinweist (das wäre tatsächlich eine besorgniserregende Nachricht), sondern, weil von einem „eindeutigen Ergebnis“ nicht die Rede sein kann.Bildschirmfoto der ZDF-heute Sendung Die Studie wurde von sehr vielen Wissenschaftlern massiv kritisiert, auch von solchen, denen man keine Verbindung mit dem Hersteller Monsanto unterstellen mag (wir haben auf einige Beiträge in unserer Linkliste verwiesen). Doch davon bekommen Zuschauer im heute-Beitrag nichts mit. Stattdessen wird bereits über die Folgen gesprochen und wie Menschen sich schützen können. Eine Greenpeace-Sprecherin rät zu Bio-Nahrungsmitteln oder konventionellen Lebensmitteln mit dem Aufkleber ‚Ohne Gentechnik‘. Ein Ernährungswissenschaftler äußerte zuvor die allgemeine Warnung, dass wir „neuen Nahrungsmitteln aus gentechnisch veränderten Organismen kritisch gegenüber bleiben müssen.“

Lars Fischer hat auf spektrum.de einige der zahlreichen Fragen und Kritikpunkte zusammengefasst:

„Denn der Unsauberkeiten und Ungereimtheiten in der Studie sind viele. Das unabhängige Science Media Centre hat eine lange und aufschlussreiche Liste kritischer Forscher zusammengestellt, die unter anderem die geringe Anzahl untersuchter Tiere und die Auswahl der besonders tumoranfälligen Rattenlinie monieren – beides begünstigt unklare Ergebnisse. Im Fokus stehen jedoch besonders Qualität und statistische Auswertung der Daten: Séralini und seine Kollegen verzichten darauf, wesentliche statistische Größen wie die Schwankungsbreite der Ergebnisse anzugeben oder auch nur die Versuchsgruppen auf gleicher Basis mit der Kontrollgruppe zu vergleichen. Tatsächlich ist es anderen Wissenschaftlern gar nicht möglich, die Schlussfolgerungen nachzuvollziehen, weil beträchtliche Teile der in der Studie erhobenen Daten in der Publikation gar nicht auftauchen.

Und selbst die gezielt ausgewählten Daten in der Veröffentlichung lassen Zweifel an den Schlussfolgerungen aufkommen. Soweit man das aus den schlecht aufbereiteten Daten überhaupt erkennen kann, schwanken die Ergebnisse sehr stark – einige der GMO-gefütterten Gruppen entwickelten wesentlich mehr Tumoren als die Kontrollgruppe, andere dagegen nicht, und das anscheinend unabhängig von der Dosis an genetisch verändertem Mais.“

Der ZDF heute-Beitrag endet zwar mit dem Hinweis: „Ob gentechnisch veränderte Pflanzen für den Menschen schädlich sind, müssen nun weitere Studien zeigen.“ Doch nach diesem Beitrag könnten Zuschauer wahrlich der Meinung sein, dass man die gar nicht mehr braucht. Dabei ist – jedenfalls auf der Basis dieser Studie – nicht mal klar, ob die gentechnisch veränderten Pflanzen überhaupt für die Ratten schädlich sind.

Der Beitrag ist mit Petra Gersters Anmoderation 2:12 Minuten lang; das ist natürlich nicht viel Zeit für eine differenzierte Berichterstattung. Statt allgemeiner Tipps, grundsätzlich vorsichtig zu bleiben, wäre aber eine Auseinandersetzung mit der Studie auch in so einem kurzen Stück von Nöten gewesen. Doch der Tenor des Beitrags zielt nur in eine Richtung. Er präsentiert allein die Sicht der Studienautoren als gäbe es die gesamte heftige Diskussion um die Studie gar nicht. Wer solche Zweifel an einer Studie ausblendet, betreibt zweifelhaften Journalismus.


ZDF heute-Sendung vom 20.3. (19 Uhr), Beitrag: „Ratten sterben an Genmais“ (ab min 10:23)
Hinweis: Dieser Beitrag ist online leider nicht mehr verfügbar.

Eine Studie, die Fragen offen lässt
https://www.spektrum.de/kolumne/eine-studie-die-fragen-offen-laesst/1165414

Medien-Doktor Linkliste zur Séralini-Studie
https://medien-doktor.de/gesundheit/sprechstunde/linkliste-ratten-gentechmais-krebs-updates/