Bewertet am 31. Januar 2025
Veröffentlicht von: Frankfurter Rundschau (online)

In einem Artikel der Frankfurter Rundschau (online) wird darüber berichtet, dass der Konsum von grünem Tee womöglich das Demenz-Risiko senken kann. Allerdings wird die aktuelle Studie, die als Anlass für den Text hergenommen wird, nicht in den Kontext der vielen bereits vorhandenen Untersuchungen gestellt. Auch werden leider keine unabhängigen Expert*innen oder Quellen erwähnt. Die in der Studie berichtete Risikosenkung für Demenz wird lediglich in relativen Zahlen dargestellt.

Zusammenfassung

Der Text der Frankfurter Rundschau (online) nimmt eine japanische Beobachtungsstudie zum Anlass, um über eine mögliche Risikoreduktion für Demenz durch den Konsum von grünem Tee zu berichten. Die Untersuchung ergab, dass Menschen, die grünen Tee tranken – ja nach Anzahl der Tassen pro Tag – weniger Läsionen in der weißen Hirnsubstanz vorwiesen und damit ein geringeres Risiko für Demenz hatten. Allerdings wird diese Risikosenkung nur in relativen Zahlen dargelegt.  Auch fehlen im journalistischen Beitrag Stimmen von Forschenden, die nicht an der Studie beteiligt waren und die Untersuchung in die Gesamtstudienlage einbetten sowie deren Qualität bewerten. Dass etwa die Aussagekraft von Beobachtungsstudien gering ist, wird nur kurz erwähnt. Demenzerkrankungen werden von vielen Menschen gefürchtet, daher könnten sich Leserinnen und Leser nach der Lektüre des Textes animiert fühlen, große Mengen an grünen Tee zu konsumieren. Doch enthält das Heißgetränk auch Koffein, was zu Herzrasen, Nervosität, Schlafstörungen führen kann, was im Text nicht erwähnt wird. Leider ist der Artikel nicht sehr ansprechend geschrieben, die Sprache ist nüchtern, lebendige Erläuterungen fehlen.

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Die Kriterien

1. Die POSITIVEN EFFEKTE sind ausreichend und verständlich dargestellt (NUTZEN).

Die in dem Artikel zitierte Studie zeigte folgenden Nutzen von grünem Tee auf das Demenzrisiko: Sieben bis acht Tassen Tee verringern das Auftreten von Schädigungen der weißen Substanz im Gehirn um 6 Prozent, im Vergleich zum Konsum von einer Tasse täglich. Der Text macht jedoch nicht deutlich, dass es sich hier um eine relative Risikosenkung handelt, absolute Zahlen aus der Studie werden nicht genannt. Zudem wurden zwischen den verschiedenen Konsumentengruppen keine Unterschiede gefunden, was zwei weitere untersuchte Parameter betraf: im Bereich des Hippocampus und im gesamten Hirnvolumen. Das wird im journalistischen Beitrag nicht erwähnt – und damit ein größerer Nutzen suggeriert, als sich in der Studie tatsächlich ergab. Daher werten wir „NICHT ERFÜLLT“.

2. Die RISIKEN & NEBENWIRKUNGEN werden angemessen berücksichtigt.

Es werden keinerlei Nebenwirkungen eines hohen Grüntee-Konsums genannt. Da grüner Tee auch Koffein enthält, können große Mengen zu Herzrasen, Schwindel, Schlaflosigkeit und Zittern führen. Schwangere sollten darum zum Beispiel nicht zu viel Grüntee konsumieren.

3. Es wird klar, ob eine Therapie/ein Produkt/ein Test VERFÜGBAR ist.

Wir können als bekannt voraussetzen, dass grüner Tee ein frei verfügbares Getränk ist.

4. Es werden ALTERNATIVE Behandlungsarten/Produkte/Tests vorgestellt.

Der Text behandelt nur das Thema Grüntee und Demenz. Es werden keine Alternativen zur Prävention von Demenzerkrankungen genannt, außer, dass „eine ausgewogene Ernährung eine entscheidende Rolle spielt“, das Demenzrisiko zu verringern. Wobei auch nicht richtig ist, dass Ernährung der entscheidende Faktor in der Demenzprävention ist.  Gesichert ist hingegen, dass ein insgesamt gesunder Lebensstil mit ausreichend Bewegung, geistiger Anregung und vielen Sozialkontakten das Risiko für Demenzerkrankungen senkt.

5. Die KOSTEN werden im journalistischen Beitrag in angemessener Weise berücksichtigt.

Die Preise für grünen Tee dürften den Lesenden in etwa klar sein, auch, dass keine Krankenkasse diese Kosten übernehmen würde. Daher müssen die Kosten in diesem Fall im Text nicht erwähnt werden, wir werten also „ERFÜLLT“.

6. Es sind keine Anzeichen von Krankheitserfindungen/-übertreibungen zu finden (DISEASE MONGERING).

Die Epidemiologie und damit quantitative Bedeutung von Demenz wird richtig wiedergegeben und ist für einen so kurzen Text ausreichend.

7. Der journalistische Beitrag ordnet die QUALITÄT der Belege/der Evidenz ein.

Es wird zwar angesprochen, dass mit der Studie kein kausaler Zusammenhang nachgewiesen sei. Allerdings zeige sich „nach Anpassungen für Faktoren wie Alter, Geschlecht, körperliche Aktivität und Bildungsniveau ein deutlicher Zusammenhang“, so wird es im Text erklärt. Dass es sich hier um ein kleines, sehr selektives Puzzlestück in der Demenzprävention handelt, wird nicht deutlich. Erst am Ende des Textes wird noch erwähnt, dass alle Teilnehmenden der Studie aus Japan stammten und somit womöglich genetische Besonderheiten aufwiesen.

8. Es werden UNABHÄNGIGE EXPERTEN oder QUELLEN genannt.

Es wurde kein Experte, keine Expertin zur Einordnung zitiert. Lediglich in der Einleitung wird ein britisches Forschungsinstitut für Alzheimer mit epidemiologischen Daten zu Demenz erwähnt.

9. Es werden, falls vorhanden, INTERESSENKONFLIKTE im Beitrag thematisiert.

In der Studie wird angegeben, dass ein Teil der Finanzierung vom Getränkehersteller Suntory Holdings Limited stammt. Zwar wird gesagt, dass die Geldgeber keinen Einfluss genommen haben, dennoch wäre es wichtig gewesen, die Leserinnen und Leser im Text darüber zu informieren.

10. Der Beitrag liefert Informationen zur EINORDNUNG der Thematik in einen Kontext (Neuheit, Ethik).

Dass grüner Tee gegen Gehirnkrankheiten im Alter vorgehen könnte, wird schon seit vielen Jahren diskutiert. So könnte der Effekt des grünen Tees womöglich über seine Blutdruck-senkenden Eigenschaften erklärt werden, so haben andere Studien berichtet. In der Fachliteratur findet sich eine Vielzahl von Studien dazu. Es wird im Artikel jedoch nicht erwähnt, dass schon lange daran geforscht wird und die vorgestellten Ergebnisse keine neuen Erkenntnisse darstellen. Daher werten wir „NICHT ERFÜLLT“.

11. Der Beitrag gibt die wesentlichen Daten und Fakten korrekt wieder (FAKTENTREUE).

Die Ergebnisse der Studie werden korrekt, aber nur partiell im Artikel dargestellt. Eigentlich hätte auch erwähnen werden müssen, dass in Bezug auf den Hippocampus und das Gesamtvolumen des Gehirns keinerlei Unterschiede zwischen den verschiedenen Konsumentengruppen zu finden waren. Daher werten wir nur knapp „ERFÜLLT“.

12. Der Beitrag geht über eine Pressemitteilung/das Pressematerial hinaus (JOURNALISTISCHE EIGENLEISTUNG).

Wir haben keine Pressemitteilung zur Studie finden können, daher gehen wir von einer journalistischen Eigenleistung aus und werten „ERFÜLLT“.

13. Ein Beitrag vermittelt ein Thema interessant und attraktiv (ATTRAKTIVITÄT DER DARSTELLUNG).

Im Artikel finden sich ungelenke Formulierungen wie „erfahren Sie im Folgenden“ oder „sogenannter Läsionen“. Der Text arbeitet in nüchterner Form die Studienergebnisse ab. Auch sind „Kein direkter kausaler Zusammenhang“ und „ein deutlicher Zusammenhang“ unschöne Wiederholungen, die zudem den Unterschied zwischen Kausalität und rein statistischer Korrelation verwischen.

14. Der Beitrag ist für ein Laienpublikum verständlich (VERSTÄNDLICHKEIT).

Der Text ist zwar verständlich, aber zum Beispiel wird nicht erklärt, was die erwähnten Catechine im Tee für eine Wirkung im Gehirn und welche Bedeutung sie für die Risikosenkung haben könnten. Demenz wird seltsamerweise nicht definiert. Die Alzheimer-Demenz macht etwa 60 Prozent der Demenzformen aus, es gibt jedoch auch vaskuläre Demenzen. Für Lesende könnte es verwirrend sein, dass die verschiedenen Demenzformen nicht erwähnt und erläutert werden. Insgesamt werten wir jedoch „ERFÜLLT“.

15. Das THEMA ist aktuell, relevant oder ungewöhnlich (THEMENAUSWAHL).

Anlass des Artikels ist eine aktuelle Studie, die allerdings keine neuen Erkenntnisse liefert. Da jedoch die Prävention von Demenz für die Allgemeinbevölkerung von großer Bedeutung ist, ist eine Relevanz gegeben. Wir werten daher insgesamt „ERFÜLLT“.

Medizinjournalistische Kriterien: 7 von 15 erfüllt

Abwertung um einen Stern (von 3 auf 2 Sterne), Begründung: Die Kriterien Nutzen, Risiken, Qualität der Belege und Einordnung sind allesamt nicht erfüllt.

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Kriterium erfüllt

Kriterium nicht erfüllt

Kriterium nicht anwendbar