Zusammenfassung
Viele Menschen sind inzwischen der Pandemie müde und hoffen auf eine baldige Impfung oder eine wirksame Therapie. Da ist es verständlich, dass Nachrichten zu möglichen Behandlungsansätzen frühzeitig in den Medien aufgegriffen werden. In einem aktuellen Beitrag auf RTL.de wird über eine Studie der Universität Oxford zum Asthma-Medikament Budesonid berichtet. Leider wird jedoch nur kurz und allgemein über die Studienergebnisse berichtet, so dass deren Stellenwert für die Leser*innen nicht deutlich wird. Vor allem aber fällt auf, dass die Bewertung der Studie sich im Beitrag allein auf einen Tweet des SPD-Gesundheitspolitikers Karl Lauterbach stützt. Im Artikel findet keine weitere Einordnung der Studienergebnisse durch unabhängige Experten statt. Auch werden keine möglichen Interessenkonflikte der Forscher thematisiert, ebenso wenig wie die Kosten der Therapie oder mögliche Nebenwirkungen.
Diese Bewertung wurde mit Mitteln des Projektes CEOsys – Das Covid19-Evidenz-Ökosystem ermöglicht.
Die Kriterien
1. Die POSITIVEN EFFEKTE sind ausreichend und verständlich dargestellt (NUTZEN).
Wie gut das Arzneimittel Budesonid einen schweren Verlauf von Covid-19 verhindern kann, wird im journalistischen Beitrag nur knapp und allein in Prozentzahlen angegeben: „Bis zu 90 Prozent der Krankenhausfälle könnten so verhindert werden.“ Da hier leider die Bezugsgröße fehlt, ist der Nutzen für die Leser*innen nur schwer nachzuvollziehen. Auch in der Pressemitteilung zur Studie ist die Bezugsgröße nicht zu finden, wohl aber in der Preprint-Veröffentlichung: Nur ein Proband der Therapiegruppe musste demnach in die Notaufnahme oder Klinik, von der Kontrollgruppe ohne Budesonid dagegen zehn. Die Risikoreduktion betrug also 90 Prozent. Etwas deutlicher wird es im zweiten Absatz des Beitrags: „In der Studie mit 146 Teilnehmer der Universität Oxford ist das Medikament nun bei Patienten eingesetzt worden, die sich mit Covid-19 infiziert hatten. Die Hälfte der Teilnehmer bekam über 28 Tage lang zweimal täglich Budesonid verabreicht, die andere Hälfte wurde normal behandelt. Es zeigte sich, dass Krankenhausaufenthalte in bis zu 90 Prozent der Fälle verhindert werden konnten.“ Hier wäre es hilfreich und wichtig gewesen, in absoluten Zahlen zu lesen, was das Asthmaspray für einen Nutzen hatte. Daher werten wir „NICHT ERFÜLLT“.
2. Die RISIKEN & NEBENWIRKUNGEN werden angemessen berücksichtigt.
3. Es wird klar, ob eine Therapie/ein Produkt/ein Test VERFÜGBAR ist.
4. Es werden ALTERNATIVE Behandlungsarten/Produkte/Tests vorgestellt.
5. Die KOSTEN werden im journalistischen Beitrag in angemessener Weise berücksichtigt.
6. Es sind keine Anzeichen von Krankheitserfindungen/-übertreibungen zu finden (DISEASE MONGERING).
7. Der journalistische Beitrag ordnet die QUALITÄT der Belege/der Evidenz ein.
8. Es werden UNABHÄNGIGE EXPERTEN oder QUELLEN genannt.
9. Es werden, falls vorhanden, INTERESSENKONFLIKTE im Beitrag thematisiert.
10. Der Beitrag liefert Informationen zur EINORDNUNG der Thematik in einen Kontext (Neuheit, Ethik).
11. Der Beitrag gibt die wesentlichen Daten und Fakten korrekt wieder (FAKTENTREUE).
12. Der Beitrag geht über eine Pressemitteilung/das Pressematerial hinaus (JOURNALISTISCHE EIGENLEISTUNG).
13. Ein Beitrag vermittelt ein Thema interessant und attraktiv (ATTRAKTIVITÄT DER DARSTELLUNG).
14. Der Beitrag ist für ein Laienpublikum verständlich (VERSTÄNDLICHKEIT).
Auch ist an mancher Stelle nicht klar, wem die Aussagen zugeordnet werden sollen, etwa hier: „Wichtig sei, dass die Behandlung innerhalb der ersten sieben Tage nach Auftreten der ersten Symptome erfolge.“ Oder hier: „Insbesondere für Millionen von Menschen, die keinen Zugang zur Krankenhausversorgung haben, könnte diese Studie von immenser Bedeutung sein.“ Hier ist nicht deutlich, ob das die Meinung Lauterbachs ist oder der Studienleiterin. (In der Pressemitteilung wird die Forscherin mit einer ähnlichen Aussage zitiert.)
15. Das THEMA ist aktuell, relevant oder ungewöhnlich. (THEMENAUSWAHL).
Medizinjournalistische Kriterien: 6 von 15 erfüllt
Wir werten den journalistischen Artikel um einen Stern ab, da die Kriterien Nutzen, Risiken sowie Einordnung nicht erfüllt sind und mögliche Interessenkonflikte nicht angesprochen werden (von 2 auf 1 Stern).