Ein Artikel der Ruhrnachrichten (online) stellt eine Heilpraktikerin für Psychotherapie vor, die nicht näher erläuterte Traumatherapien anbietet. Es gibt keinerlei Angaben zum Therapie-Erfolg, also zum Nutzen der Behandlung. Risiken werden nicht angesprochen, Hintergrundinformationen und Angaben zu den Kosten fehlen. Es gibt keine weiteren Quellen und keine (kritische) Einordnung. Insgesamt hat der Text einen stark werbenden Charakter.
Zusammenfassung
Der journalistische Beitrag der Ruhrnachrichten (online) berichtet über eine Heilpraktikerin für Psychotherapie, von ihrer Fortbildung als Trauma-Therapeutin sowie ihren Erfahrungen in ihrer Praxis. Leider erfahren die Leserinnen und Leser nichts darüber, mit welchen Methoden die Therapeutin (nach eigenen Aussagen) Traumata heilt und was der greifbare Nutzen ihrer Inventionen ist. Zudem erfährt man nichts über etablierte Verfahren in der Traumatherapie wie etwa die kognitive Verhaltenstherapie und deren Wirksamkeit. Auch Risiken wie Retraumatisierungen werden nur oberflächlich behandelt. Es kommen im Artikel weder Zahlen noch Fakten vor, Studienergebnisse und Expertenzitate sind darin ebenso wenig zu finden. Der Text ist allerdings gut lesbar, weil er auf eine einzige Person und deren persönliche Erfahrung fokussiert. Damit berührt er emotional. Insgesamt liegt uns hier jedoch ein Artikel vor, der keinerlei nützliche, evidenzbasierten Informationen über Traumatherapien vermittelt. Bedenklich ist zudem, dass in der Überschrift mit der Aussage „Sabine Köse (57) heilt Traumata“ ein Versprechen an Patientinnen und Patienten gemacht wird, dass in seiner Pauschalisierung so nicht zu halten ist. Dies ist als grob fahrlässig zu werten.
Hinweis: Der Beitrag befindet sich hinter der Bezahlschranke.
Die Kriterien
1. Die POSITIVEN EFFEKTE sind ausreichend und verständlich dargestellt (NUTZEN).
Der journalistische Beitrag enthält keinerlei Angaben zum Nutzen der therapeutischen Verfahren. Es findet sich darin lediglich die Behauptung, die vorgestellte Heilpraktikerin für Psychotherapie könne Traumata aller möglichen Art und Ursache – von Flugangst über „abwertende Äußerungen“ bis zu Missbrauchserfahrungen – heilen. Konkrete Angaben zu den Erfolgen werden allerdings nicht gemacht.
Lediglich am Ende des Artikels findet man eine sehr allgemeine Aussage zum Nutzen des Erstgesprächs: „,Zu erfahren, dass jemand zuhört und versteht, das kann schon viel bewegen.‘ Und auch die Erkenntnis, dass man nicht schuld am eigenen Zustand ist, nehme viel Druck.“ Leider bleibt der konkrete Nutzen der Traumatherapie, wie sie von Sabine Köse praktiziert wird, damit völlig unklar.
2. Die RISIKEN & NEBENWIRKUNGEN werden angemessen berücksichtigt.
In dem Artikel wird die Möglichkeit einer Retraumatisierung benannt, leider jedoch nur sehr oberflächlich. Es wäre interessant gewesen zu erfahren, wie Sabine Köse eine Retraumatisierung verhindert. Hier wären zumindest Beispiele aus ihrer Praxis, noch besser aber Zitate von Expertinnen oder Experten und Hinweise auf Studien oder Berichte gewesen, etwa hier und hier.
3. Es wird klar, ob eine Therapie/ein Produkt/ein Test VERFÜGBAR ist.
Dass die Praxis der Protagonistin existiert und ihre Angebote insofern verfügbar sind, geht aus dem Beitrag hervor. Ein großes Problem für Menschen, die eine Psychotherapie suchen, sind jedoch die monatelangen Wartezeiten bei vielen Psychotherapeut*innen. Ob dieses Problem der mangelnden Verfügbarkeit auch auf Heilpraktiker*innen für Psychotherapie zutrifft, wird aus dem Beitrag nicht deutlich. Daher werten wir insgesamt knapp „NICHT ERFÜLLT“.
4. Es werden ALTERNATIVE Behandlungsarten/Produkte/Tests vorgestellt.
Welche therapeutischen Verfahren die vorgestellte Heilpraktikerin im Einzelnen einsetzt, und welche Alternativen es für die Behandlung verschiedener Traumata jeweils gibt, erfahren Leserinnen und Leser nicht. Dabei gilt unter Psychologen und Psychiatern die kognitive Verhaltenstherapie als Behandlung mit der besten wissenschaftlichen Evidenz. Zudem kommt etwa die EMDR-Therapie in Deutschland für die Behandlung von Posttraumatischen Belastungsstörungen bei Erwachsenen zum Einsatz. Und auch Medikamente können eine Psychotherapie ergänzen.
Im Text wird auch nicht ausreichend erklärt, bei welchen psychischen Erkrankungen eine entsprechend fortgebildete Heilpraktikerin möglicherweise helfen kann, und wann ein*e Psychotherapeut*in oder Psychiater*in aufgesucht werden sollte. Der kurze Verweis „So gebe es etwa genetisch bedingte Depressionen, die einen Arztbesuch erfordern“, genügt hier nicht. Daher werten wir insgesamt „NICHT ERFÜLLT“.
5. Die KOSTEN werden im journalistischen Beitrag in angemessener Weise berücksichtigt.
Der Artikel dreht sich nur um die Heilpraktikerin Sabine Köse und liefert keine weiteren Einsichten darüber, inwiefern Traumatherapie bei welchen psychischen Leiden bezahlt wird. Es wird nicht einmal klar, was eine Therapiestunde bei Sabine Köse kostet. Tatsächlich sind Therapieplätze bei Psychotherapeuten für gesetzlich Versicherte schwer zu bekommen und mit langen Wartezeiten verbunden. Die Kosten für eine Behandlung bei Heilpraktikern werden dagegen nicht von der Kasse bezahlt, darum ist die Verfügbarkeit hier auch größer.
6. Es sind keine Anzeichen von Krankheitserfindungen/-übertreibungen zu finden (DISEASE MONGERING).
Die beispielhaft aufgezählten, sehr unterschiedlichen Traumata durch „abwertende Äußerungen“ oder „Missbrauchserfahrungen“ werden im Text nur kurz benannt; sie werden nicht übertrieben dargestellt. Daher werten wir „ERFÜLLT“.
7. Der journalistische Beitrag ordnet die QUALITÄT der Belege/der Evidenz ein.
Zu den angebotenen Therapien finden sich im journalistischen Beitrag kaum Erläuterungen. Es ist lediglich von „Gesprächen“ und „Coaching“ die Rede. Was unter einer „ganzheitlich integrativen Traumatherapie“ zu verstehen ist, bleibt offen. Ob es Studien zum Nutzen dieser Therapieansätze gibt und wie aussagekräftig diese Untersuchungen sind, bleibt im Text unerwähnt. Es fehlt auch die Information, dass es für die Ausbildung von Heilpraktiker*innen für Psychotherapie zwar verschiedene Institute, Kursangebote und Heilpraktiker-Schulen gibt, aber keinen staatlich festgelegten, einheitlichen Lehrplan (hier). Daher werten wir insgesamt „NICHT ERFÜLLT“.
8. Es werden UNABHÄNGIGE EXPERTEN oder QUELLEN genannt.
Der Beitrag stellt eine einzige Heilpraktikerin für Psychotherapie vor. Weitere Expert*innen oder andere Quellen werden nicht herangezogen.
9. Es werden, falls vorhanden, INTERESSENKONFLIKTE im Beitrag thematisiert.
Es wird deutlich, dass die vorgestellte Heilpraktikerin eine eigene Praxis hat und selbst Traumatherapien anbietet. Insofern ist klar, dass sie hier in eigener Sache spricht. Der Beitrag versäumt aber, auf diesen Sachverhalt hinzuweisen und die Aussagen der Protagonistin auch nur ansatzweise kritisch zu hinterfragen. Daher werten wir insgesamt nur knapp „ERFÜLLT“.
10. Der Beitrag liefert Informationen zur EINORDNUNG der Thematik in einen Kontext (Neuheit, Ethik).
Es fehlen jegliche Hintergrundinformationen zu den angesprochenen Traumata. Tatsächlich nimmt die Anzahl der Diagnosen an psychischen Störungen zu, leider wird das im Text jedoch nicht erwähnt, keine Zahlen dazu genannt. Unklar bleibt auch, ob die von der Protagonistin angebotenen Therapien neu oder in anderer Weise außergewöhnlich sind.
11. Der Beitrag gibt die wesentlichen Daten und Fakten korrekt wieder (FAKTENTREUE).
Der Beitrag enthält keine überprüfbaren Daten und Fakten, daher werten wir dieses Kriterium als „NICHT ANWENDBAR“.
Allerdings lässt sich feststellen, dass die Aussage „Sabine Köse (57) heilt Traumata“ in der Überschrift in dieser pauschalisierten Form sicher nicht korrekt ist. Kein Heilpraktiker oder Psychotherapeut kann von sich behaupten, generell Traumata zu heilen, zumal in dem vorliegenden journalistischen Beitrag weder genau auf die Therapieverfahren noch auf die Erfolge (und wie sie gemessen wurden) eingegangen wird. Hier wird also grob fahrlässig ein Versprechen in die Welt gesetzt, was so sicher nicht zu halten ist.
12. Der Beitrag geht über eine Pressemitteilung/das Pressematerial hinaus (JOURNALISTISCHE EIGENLEISTUNG).
Eine Pressemitteilung zum Thema des journalistischen Beitrags liegt uns nicht vor. Der Text hat allerdings einen stark werblichen Charakter. So wird nur eine einzige Expertin zitiert, garniert mit positiven Anmerkungen zur Person („die so herzliche Frau“), an keiner Stelle im Text wird die Tätigkeit der Protagonistin von anderer Seite kommentiert oder kritisch eingeordnet. Der Artikel wirkt fast wie ein Werbebeitrag für ihre Praxis, die mit Namen und Adresse genannt wird. Daher werten wir insgesamt „NICHT ERFÜLLT“.
13. Ein Beitrag vermittelt ein Thema interessant und attraktiv (ATTRAKTIVITÄT DER DARSTELLUNG).
Da der Text auf eine einzige Person fokussiert, ist man sehr nahe am Geschehen, was den Text zunächst zu einer leichten und flüssigen Lektüre macht. Allerdings wird die Heilpraktikerin derart unreflektiert und anbiedernd beschrieben, dass Leserinnen und Leser darüber irritiert sein dürften, so ist im Artikel etwa von ihren wahlweise „strahlenden“ oder „funkelnden“ Augen die Rede, sie sei eine „herzliche Frau“, die über ihren eigenen Wissendurst schmunzeln müsse und die eine „Gänsehaut“ bekomme, wenn es ihren Patienten besser geht. Daher werten wir insgesamt, wenn auch knapp, „NICHT ERFÜLLT“.
14. Der Beitrag ist für ein Laienpublikum verständlich (VERSTÄNDLICHKEIT).
Der journalistische Beitrag enthält kaum Informationen, die verständlich zu machen wären. Leserinnen und Leser erfahren Namen und Anschrift einer Heilpraktikerin für Psychotherapie, die berichtet, dass sie mit nicht näher beschriebenen Methoden Traumata behandelt. Was dabei genau geschieht, bleibt unklar. Irreführend ist die Behauptung, „unser System“ funktioniere „ähnlich wie ein Motor. Hat dieser Probleme, muss man herausfinden, an welcher Schraube man drehen muss, damit er wieder läuft.“ Dies wird der Komplexität traumatischer Belastungen nicht gerecht und stellt keine angemessene Erklärung dar, auch nicht „vereinfacht gesagt“. Daher werten wir insgesamt nur knapp „ERFÜLLT“.
15. Das THEMA ist aktuell, relevant oder ungewöhnlich. (THEMENAUSWAHL).
Ein Anlass für die Berichterstattung ist nicht erkennbar. Weder werden neue oder besonders interessante Therapieansätze vorgestellt, noch liegt dem Artikel eine aktuelle Fachveröffentlichung oder ein Fachkongress zugrunde. Zwar ist die Thematik der psychischen Traumata und deren Behandlung von großer Relevanz. Doch wird dieser Text über eine einzige Heilpraktikerin der an sich wichtigen Thematik nicht gerecht. Daher werten wir „NICHT ERFÜLLT“.
Medizinjournalistische Kriterien: 3 von 14 erfüllt
Abwertung um einen Stern (von 1 auf 0 Sterne), Begründung: Wesentliche Kriterien wie Nutzen, Risiken, Einordnung und Belege sind „nicht erfüllt“ gewertet. Zudem macht die Überschrift grob fahrlässig ein Versprechen an die Leserinnen und Leser, das so nicht zu halten ist.