Bewertet am 30. Januar 2024
Veröffentlicht von: Hamburger Abendblatt (online)

Von einem Lebensstil mit gesunder Ernährung, ausreichend Bewegung, Verzicht aufs Rauchen und geringem Alkoholkonsum profitieren Brustkrebspatientinnen ebenso wie gleichaltrige Frauen ohne Brustkrebsdiagnose. Über dieses Ergebnis einer Studie berichtet ein Beitrag im Hamburger Abendblatt (online). Der Nutzen eines solchen Lebensstils wird ausreichend deutlich beschrieben. Der Beitrag gibt allerdings in weiten Teilen fast wörtlich eine Pressemitteilung des Deutschen Krebsforschungszentrums wieder. Weitere Quellen und Expert*innen werden nicht herangezogen. Auch wird die Fragestellung der Studie nicht von Anfang an klar, der Aufbau des Textes ist nicht immer schlüssig.

Zusammenfassung

Ein Artikel im Hamburger Abendblatt (online) berichtet, dass ein gesunder Lebensstil die Sterblichkeit bei Brustkrebspatientinnen deutlich senken kann. In einer Studie wurden diese Frauen und jene der Kontrollgruppe über einen Zeitraum von 16 Jahren beobachtet. Der Nutzen der Untersuchung wird hinreichend deutlich, auf Risiken und Nebenwirkungen wird nicht eingegangen, ebenso wenig auf die Alternativen zu einem gesunden Lebensstil. Leider wird auch nicht deutlich, was – im Vergleich zu früheren Untersuchungen – neu an dieser Studie ist. Die Arbeit wird zwar ausführlich beschrieben, deren Aussagekraft jedoch nicht eingeordnet. Unbeteiligte Expert*innen kommen nicht zu Wort. Insgesamt entspricht der Artikel weitgehend dem Text der Pressemitteilung, es fehlen nur einige Absätze und Informationen. Insgesamt ist der Text wenig attraktiv geschrieben, da er den teils akademischen Stil der Pressemitteilung übernimmt. Das Thema ist relevant, aktuell allerdings nicht: Die Studie ist bereits im November 2023 erschienen.

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Die Kriterien

1. Die POSITIVEN EFFEKTE sind ausreichend und verständlich dargestellt (NUTZEN).

Die im Artikel vorgestellte Studie kommt zu dem Schluss, dass Frauen nach der Menopause länger leben, wenn sie eine Reihe von Empfehlungen befolgen, die laut World Cancer Research Fund (WCRF) einen „gesunden Lebensstil“ ausmachen. Der Nutzen dieser Maßnahmen wird in konkreten Zahlen beschrieben, so zum Beispiel hier: „Die Unterschiede waren dabei erheblich, teilt das DKFZ mit: Auf jeweils 100 Todesfälle in der Gruppe, die die Präventionsempfehlungen am wenigsten befolgte, kamen nur 54 Todesfälle in der Gruppe der Teilnehmerinnen mit dem gesündesten Lebensstil. Dies habe gleichermaßen für Frauen mit einer Brustkrebsdiagnose gegolten wie auch für Studienteilnehmerinnen aus der Kontrollgruppe.“ Dass es diese Studie untersucht hat, ob dieser bereits bekannte positive Effekt für Frauen mit einer Brustkrebsdiagnose genauso gilt wie für Studienteilnehmerinnen ohne eine solche Diagnose, wird erst spät im Text erklärt  (siehe dazu auch Kriterien „Verständlichkeit“ und „Attraktivität“).

2. Die RISIKEN & NEBENWIRKUNGEN werden angemessen berücksichtigt.

Welche Risiken und Nebenwirkungen Lebensstiländerungen haben können, wird nicht thematisiert, sind aber auch schwer abzuleiten. Doch können sich diese Änderungen stark auf das Sozialleben auswirken, wenn zum Beispiel ein Mitglied der Familie plötzlich ganz andere Nahrungsmittel zu sich nehmen will. Oder jemand weniger Zeit für seine Freunde hat, weil er abends ständig Sporttermine wahrnehmen muss. Diese Schwierigkeiten können die Umsetzung der Lebensstiländerungen womöglich erschweren, sind also interessante und wichtige Aspekte, die im Text hätten erwähnt werden können. Daher werten wir insgesamt nur knapp „ERFÜLLT“.

3. Es wird klar, ob eine Therapie/ein Produkt/ein Test VERFÜGBAR ist.

Es bedarf keiner besonderen Erläuterung, dass die beschriebenen Lebensstilfaktoren jederzeit verfügbar sind.

4. Es werden ALTERNATIVE Behandlungsarten/Produkte/Tests vorgestellt.

Welche anderen Maßnahmen es zur Senkung der Sterblichkeit nach einer überstandenen Brustkrebserkrankung gibt, wird nicht erklärt.

5. Die KOSTEN werden im journalistischen Beitrag in angemessener Weise berücksichtigt.

Da es sich bei Lebensstil-Maßnahmen um ein ganzes Bündel von Maßnahmen handelt, erscheint es schwierig, den Kostenaspekt einzuschätzen. Daher halten wir das Kriterium in diesem Fall für „NICHT ANWENDBAR“.

6. Es sind keine Anzeichen von Krankheitserfindungen/-übertreibungen zu finden (DISEASE MONGERING).

Zur Brustkrebserkrankung selbst trifft der Beitrag keine Aussagen, die Erkrankung wird also auch nicht übertrieben dargestellt.

7. Der journalistische Beitrag ordnet die QUALITÄT der Belege/der Evidenz ein.

Der Beitrag berichtet, dass es sich um „eine bevölkerungsbezogene Fall-Kontroll-Analyse mit über 10.000 Teilnehmerinnen“ handelt, von denen 8534 Frauen einbezogen wurden. Auch wird erklärt, dass die Angaben zum Lebensstil auf Selbstauskünften der Teilnehmerinnen beruhen. Es wird jedoch nicht erläutert, wie aussagekräftig ein solches Studiendesign ist. In der Studie selbst wird zutreffend darauf hingewiesen, dass Selbstauskünfte nicht unbedingt zuverlässig sind („Among the study’s limitations is the reliance on self‐reported data. Recall bias presents an obstacle to internal validity.“) Da dieses Problem nicht angesprochen wird, werten wir knapp „NICHT ERFÜLLT“.

8. Es werden UNABHÄNGIGE EXPERTEN oder QUELLEN genannt.

Der journalistische Beitrag nennt außer der Studie keine weiteren Quellen. Beide Zitate im Text stammen von Autorinnen der Studie. Weitere Experten, die die Ergebnisse hätten einordnen können, kommen nicht zu Wort.

9. Es werden, falls vorhanden, INTERESSENKONFLIKTE im Beitrag thematisiert.

Für uns sind keine Interessenkonflikte erkennbar, die im journalistischen Beitrag hätten genannt werden müssen. Im Fachartikel heißt es „The authors declare no conflicts of interest.” Allerdings hätte man die Finanzierung der Studie erwähnen können, da einige der Forscherinnen an diesen geldgebenden Institutionen arbeiten. Insgesamt werten wir daher nur knapp „ERFÜLLT“.

10. Der Beitrag liefert Informationen zur EINORDNUNG der Thematik in einen Kontext (Neuheit, Ethik).

Der Beitrag berichtet ausschließlich über die vorgestellte Studie. Welche Erkenntnisse zum Thema zuvor schon vorlagen, ob diese mit der neuen Untersuchung bestätigt oder widerlegt wurden, wird nicht deutlich.

11. Der Beitrag gibt die wesentlichen Daten und Fakten korrekt wieder (FAKTENTREUE).

Wir haben keine Faktenfehler gefunden.

12. Der Beitrag geht über eine Pressemitteilung/das Pressematerial hinaus (JOURNALISTISCHE EIGENLEISTUNG).

Der Beitrag übernimmt – teils wörtlich – die Pressemitteilung des Deutschen Krebsforschungszentrums. Lediglich in der Aufzählung der Empfehlungen für einen gesunden Lebensstil ist der Punkt „gesunde Ernährung“ ein klein wenig detaillierter dargestellt als in der Pressemitteilung.  Dies genügt jedoch nicht, um den Beitrag als eigenständige journalistische Leistung zu werten.

13. Ein Beitrag vermittelt ein Thema interessant und attraktiv (ATTRAKTIVITÄT DER DARSTELLUNG).

Der Text vermittelt das Thema wenig attraktiv, übernimmt den teils akademischen Stil der Pressemitteilung, etwa hier: „Das galt sowohl für die Gesamtsterblichkeit als auch für die Sterblichkeit aufgrund von Krebs oder einer Herz-Kreislauferkrankung.“

14. Der Beitrag ist für ein Laienpublikum verständlich (VERSTÄNDLICHKEIT).

Zu Beginn des Artikels ist zunächst unklar, worum es in dem Text überhaupt geht.  Denn auf die Titelzeile  „Frauen mit diesen Gewohnheiten leben länger“  und  die Unterzeile „Brustkrebspatientinnen nach der Menopause leben länger, wenn sie sich an diese Empfehlungen halten“ folgt erst einige Absätze später die Information,  welche Gewohnheiten und Empfehlungen hier gemeint sind. 

Zudem hätte es einer Erklärung bedurft, was „eine bevölkerungsbezogene Fall-Kontroll-Analyse“ ist. Auch könnte man aus dem ersten Absatz des Artikels schlussfolgern, dass der Studie zufolge Brustkrebspatientinnen ganz besonders („massiv“) von einem gesunden Lebensstil profitieren. Dies ist irreführend. Tatsächlich wurde in der Studie lediglich gezeigt, dass der für Gesunde bereits bekannte, positive Effekt eines solchen Lebensstils im gleichen Maße auch auf Brustkrebspatientinnen zutrifft. Es wird im Text also erst spät berichtet, was die Forschenden überhaupt untersucht haben. Daher werten wir knapp „NICHT ERFÜLLT“.

15. Das THEMA ist aktuell, relevant oder ungewöhnlich (THEMENAUSWAHL).

Brustkrebs und Brustkrebsnachsorge ist für viele Menschen ein relevantes Thema. Die dem Artikel zugrunde liegende Fachpublikation erschien allerdings schon mehr als 2 Monate zuvor (11. Nov. 2023), damit ist ein aktueller Anlass für die Berichterstattung nicht mehr gegeben. Daher werten wir nur knapp „ERFÜLLT“.

Medizinjournalistische Kriterien: 7 von 14 erfüllt

Abwertung um einen Stern (von 3 auf 2 Sterne),
Begründung: Der Text wurde weitgehend einer Pressemitteilung entnommen und stellt damit keine eigenständige journalistische Leistung dar.

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Kriterium erfüllt

Kriterium nicht erfüllt

Kriterium nicht anwendbar