Zusammenfassung
Ein journalistischer Beitrag der Berliner Morgenpost (online) berichtet über eine aktuelle Studie zur „Abnehmspritze“ Tirzepatid. Der Artikel beschreibt die Ergebnisse zum Nutzen der Therapie ausreichend genau, Risiken und Nebenwirkungen werden hingegen zu kurz behandelt. Ob das Medikament bereits in Deutschland verfügbar ist, wird nicht deutlich. Und auch nicht, wer die Kosten für das Präparat übernimmt. Der Text vergleicht Tirzepatid mit dem Konkurrenzprodukt Semaglutid (Wegovy) und auch mit der Adipositas-Chirurgie. Der Text geht über die englischsprachige Pressemitteilung hinaus und zitiert zwei deutsche Expert*innen mit einordnenden Kommentaren. Es fällt jedoch auf, dass bestehende Interessenkonflikte nicht angesprochen werden: Leserinnen und Leser erfahren nicht, dass die Studie vom Pharmaunternehmen Eli Lilly, dem Hersteller des Wirkstoffs, finanziert wurde, und auch nicht, dass die Studienautor*innen entweder finanzielle Zuwendungen vom Unternehmen erhielten oder sogar Angestellte von Eli Lilly sind. Doch ist der Text weitgehend verständlich geschrieben, auch wenn sich kleine sprachliche Mängel finden.
Die Kriterien
1. Die POSITIVEN EFFEKTE sind ausreichend und verständlich dargestellt (NUTZEN).
2. Die RISIKEN & NEBENWIRKUNGEN werden angemessen berücksichtigt.
3. Es wird klar, ob eine Therapie/ein Produkt/ein Test VERFÜGBAR ist.
Im Text heißt es: „In den USA ist für diesen Zweck bereits ein weiteres Abnehmmittel namens Mounjaro zugelassen – mit dem Wirkstoff Tirzepatid.“ Zur Zulassung in der EU oder in Deutschland findet sich dagegen keine klare Information. Zwar wird erklärt, dass Tirzepatid zur Behandlung von Diabetes zugelassen ist, aber nicht, in welchen Ländern. Auch fehlt die wichtige Information, dass die europäische Arzneimittelzulassungsbehörde EMA im November 2023 den Einsatz von Tirzepatid zur Gewichtskontrolle bei adipösen Erwachsenen empfohlen hat (siehe hier). Ob das Medikamente hierzulande für die Behandlung von Adipositas zur Verfügung steht, erfahren Leserinnen und Leser also leider nicht. Wir werten daher knapp „NICHT ERFÜLLT“.
4. Es werden ALTERNATIVE Behandlungsarten/Produkte/Tests vorgestellt.
5. Die KOSTEN werden im journalistischen Beitrag in angemessener Weise berücksichtigt.
6. Es sind keine Anzeichen von Krankheitserfindungen/-übertreibungen zu finden (DISEASE MONGERING).
7. Der journalistische Beitrag ordnet die QUALITÄT der Belege/der Evidenz ein.
8. Es werden UNABHÄNGIGE EXPERTEN oder QUELLEN genannt.
Der Beitrag bezieht zwei Fachleute ein, die nicht an der Studie beteiligt waren: Isabelle Mack, Bereichsleiterin Ernährung und Gewichtsregulation in Klinik und Forschung am Universitätsklinikum Tübingen, und Stephan Martin, Chefarzt für Diabetologie und Direktor des Westdeutschen Diabetes- und Gesundheitszentrums in Düsseldorf. Beide ordnen die Studienergebnisse gut verständlich und zum Teil auch kritisch ein. Weitere Studien seien notwendig, um den Langzeitnutzen und potenzielle Risiken einzuschätzen. Beide Zitate stammen aus einer Aussendung des Science Media Centers in Köln.
9. Es werden, falls vorhanden, INTERESSENKONFLIKTE im Beitrag thematisiert.
10. Der Beitrag liefert Informationen zur EINORDNUNG der Thematik in einen Kontext (Neuheit, Ethik).
11. Der Beitrag gibt die wesentlichen Daten und Fakten korrekt wieder (FAKTENTREUE).
Uns sind keine Faktenfehler aufgefallen.
12. Der Beitrag geht über eine Pressemitteilung/das Pressematerial hinaus (JOURNALISTISCHE EIGENLEISTUNG).
13. Ein Beitrag vermittelt ein Thema interessant und attraktiv (ATTRAKTIVITÄT DER DARSTELLUNG).
14. Der Beitrag ist für ein Laienpublikum verständlich (VERSTÄNDLICHKEIT).
15. Das THEMA ist aktuell, relevant oder ungewöhnlich. (THEMENAUSWAHL).
Der Artikel berichtet aktuell über ein relevantes Thema, zumal über die neuen „Abnehmspritzen“ seit Monaten immer wieder berichtet wird. Dass die Patienten nach Absetzen der Therapie wieder an Gewicht zunehmen, sie das Medikament also offensichtlich dauerhaft erhalten müssen, stellt eine interessante und wichtige Information dar.