‚Kürzer krank mit Kurkuma‘ heißt die Überschrift eines Artikels in der Schweizer Regionalzeitung „St. Galler Tagblatt“ (online / Paywall). Im Artikel wird korrekt beschrieben, dass in einer japanischen Studie Probanden weniger oft und weniger lang an typischen Erkältungssymptomen litten, wenn sie zweimal täglich ein Kurkuma-Präparat erhielten, im Vergleich zur Kontrollgruppe. Der Studienaufbau wird allerdings nur teilweise beschrieben, auf mögliche Risiken der Kurkuma-Einnahme geht der Artikel leider gar nicht ein. Auch die Kosten werden im Text nicht thematisiert.
Zusammenfassung
Erkältungskrankheiten sind häufig, viele Fehltage am Arbeitsplatz sorgen für wirtschaftliche Einbußen. Eine Verkürzung der Beschwerden wäre wünschenswert, daher hat das Thema eine gewisse Relevanz, gerade in der kalten Jahreszeit. Doch wird die Qualität der Studie im Text nicht eingeordnet, mögliche Nebenwirkungen von Kurkuma bleiben unerwähnt. Auch thematisiert der Beitrag das Sponsoring der Studie gar nicht, obwohl gerade bei Untersuchungen mit frei verkäuflichen Präparaten stets Vorsicht bezüglich einer möglichen Einflussnahme der Geldgeber geboten ist. So ist das von diesem Sponsor angebotene Mittel besonders teuer – wobei Kosten im Artikel unerwähnt bleiben. Zumal im Beitrag eine Medizinerin zu Wort kommt, bei der Interessenskonflikte naheliegen. Dabei ist die Studie nicht aktuell, sie wurde bereits im Frühjahr 2023 publiziert, zwei weitere, im Artikel erwähnte Studien stammen aus dem Jahr 2007 und 2012, zu einem Ayurveda-Getränk und zum therapeutischen Nutzen von Honig bei Kindern.
Die Kriterien
1. Die POSITIVEN EFFEKTE sind ausreichend und verständlich dargestellt (NUTZEN).
Im Artikel wird eine japanische Studie beschrieben, in der gesunde, erwachsene Japanerinnen und Japaner zwölf Wochen lang Kurkuma einnahmen – oder ein Placebo erhielten. Jene, die das Gewürz erhielten, litten in diesem Zeitraum an signifikant weniger Tagen unter Erkältungssymptome als jene der Kontrollgruppe. Im journalistischen Beitrag wird nicht nur die relative Reduktion der Tage (ein Drittel), sondern es werden auch absolute Zahlen genannt: Statt 57 Tagen in der Placebo-Gruppe seien es nur 39 Tage gewesen. Was nicht thematisiert wird, ist die Heterogenität der Symptome, die für diese Zahlen zusammengefasst wurden. Auch wird nicht klar, warum alle Proband*innen über einen so langen Zeitraum (39 bzw. 57 Tage) an Erkältungen litten. Ebenso wenig wird die Schlussfolgerung der Studienautor*innen selbst im Text aufgenommen: „The level of evidence is weak“(Der Evidenzgrad ist niedrig). Sie fordern weiterführende und stringentere Studien. Die positiven Effekte der Kurkuma-Präparate in der Studie hätten also vorsichtiger und differenzierter dargestellt werden können. Daher werten wir insgesamt nur knapp „ERFÜLLT“.
2. Die RISIKEN & NEBENWIRKUNGEN werden angemessen berücksichtigt.
Von Risiken und Nebenwirkungen ist nicht die Rede. Zwar wurden in der Studie auch keine Nebenwirkungen festgestellt. Doch stellt die verbesserte Bioverfügbarkeit des eingesetzten Präparats gleichsam auch einen zusätzlichen Risikofaktor dar – eben weil Kurkuma auf diese Weise besser über den Darm aufgenommen wird. So können zum Beispiel Leberschäden vorkommen (siehe auch hier). Zudem können Curcumin-haltige Getränke wie das Ayurveda-Getränk „goldene Milch“ Magenkrämpfe auslösen. Doch all dies bleibt im Artikel leider unerwähnt. Daher werten wir „NICHT ERFÜLLT“.
3. Es wird klar, ob eine Therapie/ein Produkt/ein Test VERFÜGBAR ist.
Dass Kurkuma ein weithin erhältliches Gewürz ist, dürfte allgemein bekannt sein. Allerdings wird im Artikel nicht erwähnt, in welcher Dosierung es eingenommen werden sollte. Und vor allem erfahren die Leserinnen und Leser auch nicht, welche Mittel die in der Studie verwendete Zubereitung enthalten, so dass die Aufnahme über den Darm in den Körper gewährleistet ist. Daher werten wir nur knapp „ERFÜLLT“.
4. Es werden ALTERNATIVE Behandlungsarten/Produkte/Tests vorgestellt.
5. Die KOSTEN werden im journalistischen Beitrag in angemessener Weise berücksichtigt.
6. Es sind keine Anzeichen von Krankheitserfindungen/-übertreibungen zu finden (DISEASE MONGERING).
7. Der journalistische Beitrag ordnet die QUALITÄT der Belege/der Evidenz ein.
Die Qualität der Kurkuma-Studie wird nicht thematisiert, der Studienaufbau nur teilweise beschrieben: Dass manche Proband*innen Kurkuma, andere ein Placebo erhielten, über insgesamt zwölf Wochen, wird erläutert. Dass die Untersuchung hochwertig angelegt war – doppelblind, randomisiert, in einem Journal mit Peer Review veröffentlicht – wird nicht erwähnt. Ebenso wenig wird auf die eingeschränkte Aussagekraft der Ergebnisse eingegangen, die die Studienautor*innen selbst in der Fachpublikation erwähnen. Daher werten wir „NICHT ERFÜLLT“.
8. Es werden UNABHÄNGIGE EXPERTEN oder QUELLEN genannt.
9. Es werden, falls vorhanden, INTERESSENKONFLIKTE im Beitrag thematisiert.
Der japanische Studienautor Takara, der im Artikel zu Wort kommt, ist mit der Firma Orthomedico assoziiert, wie in der Erklärung zu Interessenskonflikten in der Fachpublikation nachzulesen ist: „T. K., and A. B. are affiliated with ORTHOMEDICO Inc.“. Orthomedico wiederum wurde vom Sponsor der Studie beauftragt, die Studie in Zusammenarbeit mit den japanischen Forschenden durchzuführen: „The Theravalues Corporation entrusted ORTHOMEDICO Inc. with conducting the study in collaboration.“
Die Studie wurde auch von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern konzipiert und ausgeführt, die für das Unternehmen Theravalues arbeiten, das selbst Curcumin-Produkte herstellt. So findet sich in der Fachpublikation, dass zwei Forschende für Theravalues arbeiten, neben Takara ist ein weiterer für Orthomedico tätig. Die Untersuchung selbst wurde auch von der Theravalues Corporation finanziert.
Die Ärztin Sigrun Chrubasik arbeitet in der Rechtsmedizin der Universitätsklinik Freiburg, hat viel zu Themen der Naturheilkunde publiziert. In einer ihrer eigenen Publikationen ist unter den Interessenkonflikten nachzulesen, dass sie beim Thema Kurkuma nicht unabhängig ist. Dort heißt es: Die Autorin hat von der Firma Alpinamed (Schweiz) Honorare für Beratung zu Kurkuma und für Vorträge erhalten. All dies bleibt im journalistischen Beitrag leider unerwähnt, daher werten wir „NICHT ERFÜLLT“.
10. Der Beitrag liefert Informationen zur EINORDNUNG der Thematik in einen Kontext (Neuheit, Ethik).
11. Der Beitrag gibt die wesentlichen Daten und Fakten korrekt wieder (FAKTENTREUE).
12. Der Beitrag geht über eine Pressemitteilung/das Pressematerial hinaus (JOURNALISTISCHE EIGENLEISTUNG).
13. Ein Beitrag vermittelt ein Thema interessant und attraktiv (ATTRAKTIVITÄT DER DARSTELLUNG).
14. Der Beitrag ist für ein Laienpublikum verständlich (VERSTÄNDLICHKEIT).
Der Beitrag ist für Laien gut verständlich, zum Beispiel hier: „Der menschliche Körper sperrt sich, den Pflanzeninhaltsstoff ohne weiteres in seine Blutbahn aufzunehmen – und da muss er hin, wenn er in den Atemwegen aktiv werden soll.“ Oder: „Aber von dort aus geht es nicht weiter in übrige Bereiche des Körpers“. Manchmal allerdings verfällt der Text auch in einen Fachjargon, der einer Erklärung bedarf, etwa hier: „Wir wissen mittlerweile aus diversen Studien von seinen antioxidativen sowie entzündungshemmenden und antimikrobiellen Eigenschaften.“ Insgesamt werten wir jedoch „ERFÜLLT“.
15. Das THEMA ist aktuell, relevant oder ungewöhnlich. (THEMENAUSWAHL).
Naturpräparate gegen Erkältungen sind in Erkältungszeiten immer ein Thema. Trotzdem hätte ruhig erwähnt werden können, dass die Kurkuma-Studie schon im Frühjahr erschienen ist. Daher werten wir nur knapp „ERFÜLLT“.
Medizinjournalistische Kriterien: 10 von 15 erfüllt
Abwertung um einen Stern (von 4 auf 3 Sterne), da sieben der zehn erfüllten Kriterien nur knapp erfüllt sind.