Der journalistische Beitrag des Redaktionsnetzwerks Deutschland (RND) in der Hannoverschen Allgemeinen Zeitung nimmt die US-Zulassung zum Anlass, um über ein neues Medikament gegen Hitzewallungen während der Wechseljahre zu berichten. Das neuartige Wirkprinzip wird verständlich beschrieben. Der Artikel macht deutlich, dass sich hier interessante Möglichkeiten auftun für Frauen, die keine Hormonpräparate einnehmen können oder wollen. Auch Nebenwirkungen werden im Text benannt.
Zusammenfassung
Der Artikel des RND in der Hannoverschen Allgemeinen Zeitung stellt verständlich und gut einordnend ein neues Medikament gegen Hitzewallungen in den Wechseljahren vor. Ein Präparat, das im Mai 2023 in den USA zugelassen wurde. Der Text stellt den Nutzen noch hinreichend dar, beschreibt auch mögliche Risiken und Nebenwirkungen. Ausführlich fällt der Vergleich mit Alternativen aus, insbesondere der Hormonersatztherapie. Der Artikel macht klar, dass die Arznei noch nicht in Deutschland verfügbar ist, weil sie noch nicht zugelassen ist. Der Text erklärt auch, was das Neue an der Therapie ist, ohne jedoch auf die Kosten einzugehen. Der Artikel vermittelt leider nicht, wie gut der Wirkstoff bislang untersucht ist. Wichtig ist, dass die Ergebnisse von einem an den Studien unbeteiligten Experten eingeordnet werden. Darin wird vor allem deutlich, dass es noch an Erfahrungen fehlt, um die längerfristigen Nebenwirkungen abzuschätzen.
Die Kriterien
1. Die POSITIVEN EFFEKTE sind ausreichend und verständlich dargestellt (NUTZEN).
Die positiven Effekte werden knapp, aber verständlich beschrieben: „So hatte sich in der Phase-3-Studie des Herstellers die Häufigkeit der Hitzewallungen durch Fezolinetant um etwa 50 bis 60 Prozent reduziert, unter Placebo um etwa ein Drittel.“ Es wird also deutlich, dass der Nutzen bezüglich der Hitzewallungen damit geringer ist als bei einer Hormonersatztherapie. Es wird allerdings nicht deutlich, was und wie hier genau gemessen wurde. Auch wird nicht klar, bei welchen Frauen der Nutzen signifikant war – nur bei solchen mit starken Beschwerden oder in einer bestimmten Altersgruppe? Ohne diese Angaben ist der Nutzen schwer einzuschätzen. Daher werten wir insgesamt nur knapp „ERFÜLLT“.
2. Die RISIKEN & NEBENWIRKUNGEN werden angemessen berücksichtigt.
Der Artikel widmet dem Thema einen ganzen Absatz: „Zudem ist noch nicht klar, ob das Nebenwirkungsprofil des neuen Wirkstoffs auf Dauer wirklich besser ist. Zwar entfällt das Brustkrebsrisiko, das bei einer Hormonersatztherapie besteht. Es können aber Bauchschmerzen und Durchfälle auftreten und die amerikanische Arzneimittelbehörde FDA warnt vor möglichen Leberschäden durch das Medikament. Deshalb sollen die Leberwerte von Patientinnen, die „Veozah“ nehmen, in den ersten neun Monaten der Therapie regelmäßig überprüft werden. Bei Symptomen, die auf Leberschäden hindeuten – wie Übelkeit, Erbrechen oder eine Gelbfärbung von Haut und Augen –, sollten sich Frauen in Behandlung begeben. Patientinnen, die an einer Leberzirrhose oder schweren Nierenschäden leiden, sollen „Veozah“ laut FDA nicht einnehmen.“ Es fehlt allerdings die Information, wie häufig solche Nebenwirkungen in der Studie auftraten, daher werten wir nur knapp „ERFÜLLT“.
3. Es wird klar, ob eine Therapie/ein Produkt/ein Test VERFÜGBAR ist.
Es wird gleich am Anfang des Artikels deutlich, dass das neue Medikament in den USA bereits zugelassen wurde, in Europa jedoch noch nicht. Die Zulassung sei bei der Europäischen Arzneimittelbehörde EMA beantragt. Als möglicher Zeithorizont für die Zulassung in Europa wird ein halbes Jahr genannt.
4. Es werden ALTERNATIVE Behandlungsarten/Produkte/Tests vorgestellt.
Der Artikel macht deutlich, dass das neue Medikament für einen Teil der betroffenen Frauen eine Alternative zur Hormonersatztherapie sein könnte. Außerdem wird ein ähnlicher, noch in der Entwicklung befindlicher Wirkstoff einer anderen Pharmafirma genannt. Zudem spricht der Beitrag pflanzliche Präparate an, die jedoch weniger wirksam seien.
Der Artikel macht deutlich, dass das Mittel eine lang erwünschte Alternative zur Hormonersatztherapie sein soll. Der Text vergleicht auch Nutzen und Risiken der beiden Ansätze und macht deutlich, dass das neue Mittel kein vollwertiger Ersatz sein kann, weil es die Hitzewallungen nur zum Teil unterdrückt (anders als die HRT). Zugleich weist es ein anderes Nebenwirkungsprofil auf. Es wird auch nicht auf pflanzliche Mittel verwiesen, die aber ähnlich wie Hormone wirkten. Es fehlt lediglich der Hinweis, dass nichts zu tun auch eine Option sein kann, weil die Beschwerden nach einiger Zeit wieder abklingen und verschwinden. Daher werten wir insgesamt nur knapp „ERFÜLLT“.
5. Die KOSTEN werden im journalistischen Beitrag in angemessener Weise berücksichtigt.
Die Kosten werden für dieses Medikament leider gar nicht thematisiert, auch nicht im Vergleich zur Hormonersatztherapie.
6. Es sind keine Anzeichen von Krankheitserfindungen/-übertreibungen zu finden (DISEASE MONGERING).
Hitzewallungen als Wechseljahresbeschwerden werden eigentlich nicht übertrieben dargestellt, auch wenn es keine Informationen dazu gibt, wie viele Frauen davon eigentlich betroffen sind bzw. wie hoch ihr Anteil ist. Generell erscheinen Wechseljahresbeschwerden indes als behandlungswürdige Erkrankung, die man eben beim Arzt behandeln lässt, statt einer natürlichen Lebensphase, die nur bei einem Teil wirklich so schwer ausfällt, dass eine Behandlung nötig ist. Daher werten wir nur knapp „ERFÜLLT“.
7. Der journalistische Beitrag ordnet die QUALITÄT der Belege/der Evidenz ein.
Die Qualität der Studie wird im Artikel nicht angesprochen. Weder erfahren Leser*innen, wie groß die Gruppe der Probandinnen war, noch wie lange die Studie lief. Dass zwei unterschiedliche Dosierungen des Wirkstoffs getestet wurden, erfahren Leserinnen und Leser nicht. Auch zur Verblindung gibt es keinerlei Informationen. Unklar bleibt auch, was wie genau gemessen wurde. Daher werten wir „NICHT ERFÜLLT“.
8. Es werden UNABHÄNGIGE EXPERTEN oder QUELLEN genannt.
Es wird ein Endokrinologe aus der Region befragt, der nicht an den Studien beteiligt war. Außerdem gibt es den Hinweis, dass die US-Arzneimittelbehörde FDA das Mittel zugelassen hat, und es wird auf die Studie verlinkt.
9. Es werden, falls vorhanden, INTERESSENKONFLIKTE im Beitrag thematisiert.
Es wird im Beitrag deutlich, dass die Veröffentlichung im Fachjournal Lancet eine Studie des Herstellers ist. Sonstige Interessenkonflikte, die hätten benannt werden müssen, haben wir nicht gefunden.
10. Der Beitrag liefert Informationen zur EINORDNUNG der Thematik in einen Kontext (Neuheit, Ethik).
Der Text macht deutlich, was die Problematik bei der Behandlung von Problemen in den Wechseljahren ist: Dass der wirkungsvollste Ansatz, die Hormonersatztherapie, seit einigen Jahren kritisch gesehen wird und nicht mehr so eingesetzt wird wie zuvor. Daher besteht ein großer Bedarf an anderen Ansätzen. Zugleich erklärt der Text, dass es sich bei dem Mittel um einen neuen Ansatz handelt.
11. Der Beitrag gibt die wesentlichen Daten und Fakten korrekt wieder (FAKTENTREUE).
Uns sind keine Faktenfehler aufgefallen. Allerdings nennt der Beitrag auch nur wenige exakte Daten und Fakten (siehe Kriterium 7, Belege).
12. Der Beitrag geht über eine Pressemitteilung/das Pressematerial hinaus (JOURNALISTISCHE EIGENLEISTUNG).
Der Beitrag bezieht einen unabhängigen Experten ein, der ausführlich zu Wort kommt. Damit geht der Text klar über die Pressemitteilung hinaus.
13. Ein Beitrag vermittelt ein Thema interessant und attraktiv (ATTRAKTIVITÄT DER DARSTELLUNG).
Der Text vermittelt das Thema interessant und versorgt die Leser*innen mit wichtigen Hintergrundinformationen.
14. Der Beitrag ist für ein Laienpublikum verständlich (VERSTÄNDLICHKEIT).
Der Text erklärt die Neuheit und den Mechanismus weitgehend verständlich und macht auch nachvollziehbar, warum das neue Mittel offenbar kein Ersatz aber eine Alternative für bestimmte Frauen ist. Vor allem das Wirkprinzip des neuen Medikaments wird gut erklärt. Nur der Begriff „Phase-3-Studie“ wird im Artikel leider nicht erklärt.
15. Das THEMA ist aktuell, relevant oder ungewöhnlich. (THEMENAUSWAHL).
Dem Artikel liegt eine schon einige Monate zurückliegende Fachpublikation zugrunde. Aktueller Anlass ist mutmaßlich die Zulassung des Medikaments in den USA. Wechseljahresbeschwerden sind – in unterschiedlich starker Ausprägung – weit verbreitet und damit ein relevantes Thema.
Medizinjournalistische Kriterien: 13 von 15 erfüllt
Abwertung um einen Stern (von 5 auf 4), da vier Kriterien nur knapp erfüllt.