Bewertet am 23. Januar 2023
Veröffentlicht von: www.nordbayern.de

Ob ein altes Hausmittel gegen Erkältungen hilft, darüber möchte ein Artikel auf www.nordbayern.de aufklären. Ein heißes Bad könne helfen, besser zu atmen und die Symptome einer beginnenden Erkältung zu lindern, sollte aber bei Fieber oder starker Erkältung gemieden werden, heißt es. In diesem Ratgeber-Text wird zwar anschaulich über das Thema berichtet, doch werden keinerlei wissenschaftliche Belege für die Behauptungen aufgeführt.

Zusammenfassung

Der journalistische Beitrag auf www.nordbayern.de behandelt die Frage, ob heiße Bäder bei Erkältungen nützen. Als angenehm empfundene Wirkungen werden geschildert, so könne ein heißes Bad entspannen und die Durchblutung anregen. Die Dämpfe könnten helfen, tiefer zu atmen und somit die Symptome einer beginnenden Erkältung lindern. Allerdings fehlt die wichtige Information, dass ein heißes Bad die Dauer einer Erkältung wohl nicht beeinflusst. Die möglichen Nebenwirkungen eines heißen Bades werden ausführlich geschildert, etwa dass zu heißes Wasser schaden kann, wobei ein Experte der Stiftung Warentest dabei falsch zitiert wird. Im Artikel sagt er, es könne zu einem Sonnenbrand kommen – tatsächlich hat er von Verbrühungen gesprochen. Dem journalistischen Beitrag liegt keine wissenschaftliche Publikation zugrunde, dabei wurde 2020 im angesehenen Fachblatt British Medical Journal eine knapp 20-jährige Beobachtungsstudie japanischer Wissenschaftler veröffentlicht, die die Häufigkeit heißer Bäder mit Wirkungen auf Herz-Kreislauf-Erkrankungen zum Thema hatte. Diese Studie hätte erwähnt und eingeordnet werden müssen. Kritisch ist die Tatsache zu bewerten, dass der Artikel auf Anzeigen für Bäder mit Ölzusatz und pflegende Cremes verlinkt. Dies widerspricht der Vorgabe des Deutschen Presserats, redaktionellen Inhalt und Werbung zu trennen.

Title

Die Kriterien

1. Die POSITIVEN EFFEKTE sind ausreichend und verständlich dargestellt (NUTZEN).

Im journalistischen Beitrag werden die vermeintlich positiven Aspekte von Baden ausführlich thematisiert: „Ein heißes Bad kann entspannend wirken – und dazu noch richtig gesund sein.“ Und weiter: „Die Wärme des Wassers regt die Durchblutung an, während die Dämpfe dabei helfen, besser zu atmen und die Symptome einer beginnenden Erkältung zu lindern.“ Die Anwendung von ätherischen Ölen wie Thymian, Latschenkiefer oder Eukalyptus könne die Wirkung verstärken: „Diese drei wirken jeweils schleimlösend und entzündungshemmend. Eukalyptus- und Latschenkiefernöl fördern zudem die Durchblutung.“ Zusätzlich erfahren die LeserInnen, dass ein Bad nicht länger als etwa 15 Minuten dauern sollte. Karl-Heinz Schmitz, Mitglied des Bundesverbandes niedergelassener Kardiologen, wird mit einer Aussage für Stiftung Warentest zitiert: Die Temperatur solle bei 36 bis 38 Grad liegen. Dabei hätte eine quantitative Einschätzung des angeblichen Nutzens geholfen (wird die Dauer der Erkältung verkürzt und um wie viel) und die Häufigkeit (wie vielen Menschen hilft ein Bad). Tatsächlich haben Bäder allerdings wohl keinen Einfluss auf den Verlauf einer Erkältung, auch wenn sie oft als angenehm empfunden werden. Experten der Stiftung Warentest raten deshalb, sie eher präventiv zu nutzen, weil Baden das Immunsystem stärke. Daher werten wir insgesamt „NICHT ERFÜLLT“.

2. Die RISIKEN & NEBENWIRKUNGEN werden angemessen berücksichtigt.

Der Artikel warnt ausführlich vor möglichen Risiken, etwa ein Erkältungsbad bei starken Symptomen anzuwenden: „Ist man schon sehr krank und leidet sogar an Fieber, kehrt sich der positive Effekt teilweise um.“ Es heißt explizit: „Auf keinen Fall sollte bei einer starken Erkältung oder Fieber ein heißes Bad genommen werden. Es kann nämlich den Kreislauf beeinträchtigen. Dazu kann Baden bei Fieber die Körpertemperatur weiter erhöhen. Auch bei einer starken Erkältung ist Baden kontraproduktiv, denn die hohe Temperatur belastet den Körper zu sehr. Das kann im schlimmsten Fall sogar zur Bewusstlosigkeit führen.“ Auch eine zu hohe Wassertemperatur könne schaden: „Ab einer Wassertemperatur von 45 Grad wird es allerdings kritisch“, zitiert der Text den Dermatologen Tobias Weberschock vom Universitätsklinikum Frankfurt mit einer Aussage gegenüber Stiftung Warentest. Für Patienten mit Herz-Kreislauferkrankungen sei ein Vollbad ebenfalls nicht zu empfehlen. Man hätte ergänzen können, dass Bäder mit ätherischen Ölen für Kinder unter sechs Jahren nicht geeignet sind. Auch Patienten mit Krampfadern sollten kein Vollbad nehmen. Deshalb werten wir insgesamt nur knapp „ERFÜLLT“.

3. Es wird klar, ob eine Therapie/ein Produkt/ein Test VERFÜGBAR ist.

Heißes Wasser ist verfügbar. Auch Badezusätze wie ätherische Öle sind bekanntermaßen in Drogerien zu erhalten.

4. Es werden ALTERNATIVE Behandlungsarten/Produkte/Tests vorgestellt.

Als Alternativen werden ein Dreiviertelbad sowie ein Fußbad genannt. Da allerdings keine anderen Mittel gegen Erkältungen genannt werden, werten wir nur knapp „ERFÜLLT“.

5. Die KOSTEN werden im journalistischen Beitrag in angemessener Weise berücksichtigt.

Die Kosten von heißem Wasser und ätherischen Badezusätzen dürften bekannt sein.

6. Es sind keine Anzeichen von Krankheitserfindungen/-übertreibungen zu finden (DISEASE MONGERING).

Die Erkältung wird nicht übertrieben dargestellt.

7. Der journalistische Beitrag ordnet die QUALITÄT der Belege/der Evidenz ein.

Leider bleiben die vorgebrachten angeblichen Nutzen und Risiken von Baden ohne nachvollziehbare wissenschaftliche Grundlage. Sie beruhen nur auf Expertenmeinungen. Nicht berücksichtigt wurde zum Beispiel eine im Jahr 2020 im British Medical Journal veröffentlichte Beobachtungsstudie japanischer Wissenschaftler (siehe hier und hier).

Für diese Studie wurden gut 30.000 Japaner*innen zwischen 40 und 59 Jahren ohne Vorerkrankungen des Herzens oder Krebs von 1990 bis 2009 fast 20 Jahre lang begleitet. Die Teilnehmenden wurden nach Badehäufigkeit in Gruppen unterschieden – von null bis zwei Bädern pro Woche bis zu nahezu täglichen Vollbädern. Ergebnis der Beobachtungsstudie: Häufige heiße Bäder sind bei mittelalten Japanern mit einem geringeren Risiko für Herzkreislauferkrankungen assoziiert, was allerdings keinen kausalen Zusammenhang beweist. Experten der Stiftung Warentest weisen mit Blick auf die Studie darauf hin, dass die Badetemperatur nicht beliebig sei. Im Editorial des BMJ schreibt der Experte Andrew Felix Burden, Baden in heißem Wasser gehe zweifellos mit möglichen Gefahren einher, das Risiko von Todesfällen steige mit dem Alter und der Höhe der Temperatur. Überhitzung könne zu Verwirrung und Ertrinken führen. Dermatologen raten laut Stiftung Warentest zudem vom täglichen Bad ab, weil dies der Haut nicht guttue. Sie empfehlen höchstens zwei Vollbäder pro Woche. Und: Wer Herz-Kreis­lauf-Probleme hat, sollte am besten ganz verzichten.

8. Es werden UNABHÄNGIGE EXPERTEN oder QUELLEN genannt.

Zwei Experten werden aus einem anderen Artikel zitiert, wie etwa hier: „Die optimale Badetemperatur liegt meist zwischen 36 und 38 Grad, sagt Dr. Karl-Heinz Schmitz, Mitglied des Bundesverbandes niedergelassener Kardiologen, der Stiftung Warentest gegenüber.“ Allerdings wird eine Vielzahl von Behauptungen aufgestellt, die ohne Quelle postuliert werden. Daher nur knapp „ERFÜLLT“.

9. Es werden, falls vorhanden, INTERESSENKONFLIKTE im Beitrag thematisiert.

Interessenkonflikte der zitierten Experten sind uns nicht aufgefallen. Allerdings verlinkt der Artikel direkt zu Anzeigen für Badezusätzen mit Ölen und pflegende Cremes, was der vom Presserat geforderten Trennung von Werbung und Redaktion widerspricht.

10. Der Beitrag liefert Informationen zur EINORDNUNG der Thematik in einen Kontext (Neuheit, Ethik).

Die im journalistischen Artikel erwähnten Ratschläge sind alles andere als neu, was aber auch thematisiert wird. Gleich zu Beginn heißt es: „Ein altes Hausmittel, um schnell wieder fit zu werden, ist ein Vollbad.“ Weiter unten dann noch: „Bereits in der Antike dienten Bäder zur allgemeinen Förderung des Wohlbefindens, zur rituellen Reinigung, der Heilung oder Vorbeugung von Krankheiten und schließlich auch zur Unterhaltung und zum Zeitvertreib.“ Im Text der Stiftung Warentest findet sich dagegen noch die interessante Information: „3,5 Millionen Menschen in Deutschland nehmen bei Triefnase täglich ein Erkältungsbad, besagt die Verbrauchs- und Medienanalyse VuMA.“ Insgesamt werten wir aufgrund der nur kurzen Einordung knapp „ERFÜLLT“.

11. Der Beitrag gibt die wesentlichen Daten und Fakten korrekt wieder (FAKTENTREUE).

Im Text wird falsch aus einem Artikel der Stiftung Warentest abgeschrieben: Dort heißt es zu Risiken sehr heißer Bäder: „‚Ab 45 Grad Wassertemperatur wird es allerdings kritisch‘, warnt Prof. Tobias Weberschock, Dermatologe am Uniklinikum Frankfurt und Arzneimittelexperte der Stiftung Warentest. ‚Dann kann es sogar schon zu Verbrühungen ersten Grades mit Hautrötungen kommen.‘“ Im journalistischen Beitrag dagegen heißt es: „Dann kann es auch zu einem Sonnenbrand ersten Grades mit Hautrötungen kommen.“ Bei einem Bad kommt es aber nicht zu einem Sonnenbrand. Der korrekte Ausdruck ist der vom Experten gewählte: Verbrühungen. Auch weitere Aussagen sind im Vergleich zum Text bei Stiftung Warentest widersprüchlich. Dort nämlich heißt es: „Aus ärztlicher Sicht ist der Nutzen aber nicht nachgewiesen.“ Und weiter: „Die Arzneimittelfachleute der Stiftung Warentest bewerteten Erkältungsbäder mit Eukalyptusöl nur als eingeschränkt geeignet.“ Dies bleibt im journalistischen Artikel leider unerwähnt. Daher werten wir insgesamt „NICHT ERFÜLLT“.

12. Der Beitrag geht über eine Pressemitteilung/das Pressematerial hinaus (JOURNALISTISCHE EIGENLEISTUNG).

Die relevanten Informationen sind (zum Teil vollständiger) im Artikel von Stiftung Warentest zu finden, auf den sich dieser Text offenbar stützt, da er von ihm Zitate übernimmt. Auch wenn es sich hierbei nicht um eine Pressemitteilung handelt, ist eine eigene Rechercheleistung nicht zu erkennen. Daher werten wir „NICHT ERFÜLLT“.

13. Ein Beitrag vermittelt ein Thema interessant und attraktiv (ATTRAKTIVITÄT DER DARSTELLUNG).

Insgesamt ist der Text gut geschrieben, die Überschrift ist allerdings leicht verwirrend, weil sie eine irreführende Erwartung erweckt. Es heißt dort: „Mythos im Check: Hilft Baden wirklich bei Erkältung? Die Antwort überrascht“. Den Leserinnen wird dann aber nicht erklärt, was der Mythos genau besagt und worin das Überraschende der Antwort besteht. Gemeint ist vermutlich der Mythos, dass heiß Baden gegen Erkältungen hilft. Die Antwort lautet einerseits ja, andererseits nein. Was daran überraschend ist, bleibt offen. Zudem werden die Effekte auf Herz und Kreislauf an verschiedenen Stellen im Text wiederholt. Daher werten wir insgesamt knapp „NICHT ERFÜLLT“.

14. Der Beitrag ist für ein Laienpublikum verständlich (VERSTÄNDLICHKEIT).

Der Beitrag ist verständlich geschrieben, auch wenn manche Aussagen und Empfehlungen nicht sofort nachvollziehbar sind. Widersprüchlich ist etwa die Empfehlung, ein Bad mit einem Glas Wein zu begleiten, um das seelische Wohlbefinden zu steigern, der sogleich der Warnhinweis folgt: „Aber Vorsicht! Alkohol erweitert die Gefäße, das kann im heißen Wasser zu Kreislaufproblemen führen.“ Diesen Tipp hätte sich der Beitrag sparen können. Daher werten wir nur knapp „ERFÜLLT“.

15. Das THEMA ist aktuell, relevant oder ungewöhnlich. (THEMENAUSWAHL).

Das Thema ist aufgrund der Verbreitung von Erkältungen und der Suche nach Linderung auch ohne neuen Anlass für einen Nutzwert-Beitrag als relevant einzustufen.

Medizinjournalistische Kriterien: 9 von 15 erfüllt

Abwertung um einen Stern (von 3 auf 2), weil fünf Kriterien nur knapp erfüllt sind.

Title

Kriterium erfüllt

Kriterium nicht erfüllt

Kriterium nicht anwendbar