Bewertet am 2. September 2022
Veröffentlicht von: Tina

In einem Beitrag der Zeitschrift „Tina“ berichtet ein Arzt, wie er die Beschwerden einer Patientin mit Kniearthrose mit Hilfe von Homöopathie angeblich lindern konnte. Wissenschaftliche Belege für diese scheinbare Wirksamkeit werden im Artikel nicht erwähnt, auch keine unabhängigen Expert*innen dazu zitiert. Mögliche Risiken der Therapie werden nicht angesprochen. Auch wird die Kontroverse um homöopathische Behandlungen nicht erläutert.

Zusammenfassung

In der Zeitschrift „Tina“ wurde ein Artikel von einem Arzt veröffentlicht, der über seine Behandlung einer Patientin mit Kniearthrose berichtet. Die beobachtete Schmerzlinderung wird den verabreichten Globuli zugeschrieben. Der Effekt begleitender Therapien (z.B. „intensiver Physiotherapie“) sowie ein möglicher Placeboeffekt werden nicht in Betracht gezogen, der Nutzen des Verfahrens damit in keiner Weise plausibel gemacht. Risiken spricht der Text nicht an, die gesamte Diskussion um Kritik an der Homöopathie wird vollkommen ausgeblendet. Dass der Autor als Vertreter des Deutschen Netzwerks Homöopathie massive Interessenkonflikte hat, erfahren Leserinnen und Leser nicht. Auch fehlt es an überprüfbaren Fakten, Quellen und Belegen. Der Artikel hat insgesamt einen werbenden Charakter, zumal unter dem Text Leserinnen und Leser aufgefordert werden, der Redaktion über ihre eigenen positiven Erfahrungen mit homöopathischen Mitteln zu berichten.

Hinweis: Der Originalbeitrag ist online nicht abrufbar. 

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Die Kriterien

1. Die POSITIVEN EFFEKTE sind ausreichend und verständlich dargestellt (NUTZEN).

Berichtet wird über eine einzige Patientin, deren Kniebeschwerden sich gebessert haben sollen, nachdem ihr ein homöopathisches Mittel sowie intensive Physiotherapie und Osteopathie verordnet wurden: Es wird zum Beispiel erläutert, dass es „zu einer auffälligen Verbesserung der Situation“ nach der Gabe von Homöopathika gekommen sei. „Die Patientin empfand ihre Knieschmerzen als deutlich weniger intensiv. Ihr Gang wurde zunehmend runder und sicherer – trotz des fortgeschrittenen Krankheitsbildes.“ Ob die subjektive Besserung auf das homöopathische Mittel „Lachesis“ zurückzuführen ist, auf die anderen Maßnahmen oder ob hier ein Placeboeffekt vorliegt, hinterfragt der Beitrag nicht. Auch wie lange die Linderung der Schmerzen anhält, bleibt mit der Formulierung „bis heute“ völlig offen. Über den Einzelfall hinaus wird lediglich behauptet, homöopathische Mittel seien bei Beschwerden am Bewegungsapparat „erfahrungsgemäß eine gute Option“. Da der Nutzen insgesamt unklar bleibt, werten wir „NICHT ERFÜLLT“.

2. Die RISIKEN & NEBENWIRKUNGEN werden angemessen berücksichtigt.

Ob es Nebenwirkungen einer Behandlung von Kniearthrose mittels Homöopathie gibt – beispielsweise, wenn dadurch eine wirksame Therapie verzögert oder gar nicht eingesetzt wird – diskutiert der Artikel nicht. Ob das im Kasten angeführte Mittel „Apis mellifica“, das aus Honigbienen gewonnen wird, bei Menschen mit Allergie gegen Bienengift eingesetzt werden darf oder hier zu allergischen Reaktionen führen kann, wird auch nicht erläutert. Tatsächlich weisen selbst Webseiten, die homöopathische Mittel propagieren, auf dieses Risiko hin (z.B. hier und hier). Zu Lachesis, das aus dem Gift einer südamerikanischen Schlange, Lachesis muta, gewonnen wird, heißt es in der sehr vagen Darstellung einer homöopathisch arbeitenden Ärztin: „Homöopathische Arzneimittel haben keine Nebenwirkungen, beim Auftreten von Erstverschlimmerungen muss aber die Einnahme von Lachesis unterbrochen werden (siehe hier). Dass es hier also offensichtlich Risiken geben könnte, bleibt im vorliegenden Beitrag ebenfalls unerwähnt.

3. Es wird klar, ob eine Therapie/ein Produkt/ein Test VERFÜGBAR ist.

Es wird im begleitenden Textkasten darüber informiert, dass homöopathische Mittel rezeptfrei in der Apotheke erhältlich sind.

4. Es werden ALTERNATIVE Behandlungsarten/Produkte/Tests vorgestellt.

Der Beitrag nennt neben der homöopathischen Behandlung als alternative Behandlungen die Implantation einer Knieprothese, Physiotherapie und Osteopathie: Operation bzw. ein künstliches Gelenk wird als „allerletzte Behandlungsoption“ thematisiert. „Jedes Jahr werden in Deutschland etwa 190.000 Knie-Prothesen implantiert. Es kann eine sehr hilfreiche Operation sein, allerdings ist nahezu jeder Fünfte mit dem Ergebnis unzufrieden oder erleidet eine Komplikation“. Zudem sollten „alle konservativen Maßnahmen ausgeschöpft werden“, wie etwa „Physiotherapie“ und „osteopathische Behandlung“.

Irritierend wirkt allerdings, dass im Text das Mittel Lachesis genannt wird, im begleitenden Textkasten dann – für unterschiedliche Fälle – die Mittel Pulsatilla und Apis mellifica. Lachesis dagegen wird hier nicht mit aufgeführt. Da der Beitrag nicht deutlich macht, wie wirksam die verschiedenen Ansätze im Vergleich miteinander sind, werten wir nur knapp „ERFÜLLT“.

5. Die KOSTEN werden im journalistischen Beitrag in angemessener Weise berücksichtigt.

Die Kosten werden im journalistischen Beitrag nicht angesprochen.

6. Es sind keine Anzeichen von Krankheitserfindungen/-übertreibungen zu finden (DISEASE MONGERING).

Die Beschwerden bei einer fortgeschrittenen Kniearthrose werden nicht übertrieben dargestellt.

7. Der journalistische Beitrag ordnet die QUALITÄT der Belege/der Evidenz ein.

Der journalistische Beitrag nennt keinerlei Belege, die über den unzureichend dargestellten Einzelfall hinausgehen. Der vom behandelnden Arzt verfasste Beitrag beruft sich einzig und allein auf dessen persönliche Erfahrung. Daher werten wir „NICHT ERFÜLLT“.

8. Es werden UNABHÄNGIGE EXPERTEN oder QUELLEN genannt.

Über den behandelnden Arzt hinaus werden keine Expert*innen oder andere unabhängige Quellen einbezogen. Der Beitrag führt keine Studie an, die die behauptete Wirksamkeit belegen könnte.

9. Es werden, falls vorhanden, INTERESSENKONFLIKTE im Beitrag thematisiert.

Der Beitrag ist von einem Arzt verfasst, der über eine seiner Patientinnen berichtet. Man erfährt lediglich, dass er als Allgemeinarzt in Hamburg tätig ist. Tatsächlich ist Mirko Berger Inhaber einer homöopathisch arbeitenden Praxis, veranstaltet Fortbildungsseminare zur Homöopathie und ist laut Impressum verantwortlich für das Portal „homoeopathie-heute“ des Deutschen Netzwerks für Homöopathie (Link). Der Autor vertritt damit nicht nur eigene Interessen, sondern auch die des Deutschen Netzwerks für Homöopathische Medizin, das laut Selbstdarstellung die Verbreitung der Homöopathischen Medizin unterstützt und fördert (siehe hier). Der Beitrag versäumt es, auf diese Interessenkonflikte hinzuweisen.

10. Der Beitrag liefert Informationen zur EINORDNUNG der Thematik in einen Kontext (Neuheit, Ethik).

Der Beitrag informiert nicht darüber, dass es sich bei der Homöopathie um einen Therapieansatz handelt, der hoch umstritten ist, und für dessen Wirksamkeit es keine wissenschaftlichen Nachweise gibt (z.B. hier). Dass Patient*innen zu Schaden kamen, weil sie aufgrund der homöopathischen Behandlung wirksame Therapien versäumten, wird ebenfalls nicht thematisiert (z.B. hier). Insgesamt wird das Verfahren nicht ansatzweise kritisch gewürdigt, sondern offen beworben.

11. Der Beitrag gibt die wesentlichen Daten und Fakten korrekt wieder (FAKTENTREUE).

Der Beitrag enthält keine überprüfbaren Fakten – etwa wie häufig homöopathische Behandlungen bei Kniearthrose eingesetzt werden (etwa im Vergleich zu den 190.000 Knie-OPs), wie häufig diese Patient*innen über Besserung berichten, ob Veränderungen im Kniegelenk zu beobachten sind etc. Auch lassen sich die Angaben des Einzelfalls im Rahmen unseres Gutachtens nicht überprüfen. Das Kriterium lässt sich daher nicht anwenden.

12. Der Beitrag geht über eine Pressemitteilung/das Pressematerial hinaus (JOURNALISTISCHE EIGENLEISTUNG).

Eine Pressemitteilung zu diesem Beitrag liegt uns nicht vor. Der Beitrag hat jedoch eindeutig werbenden Charakter und lässt jede journalistische Distanz zum Thema vermissen. Dies wird nicht zuletzt auch in der abschließenden Aufforderung deutlich, Leserinnen und Leser sollten doch per E-Mail über „gute Erfahrungen mit der homöopathischen Heilmethode“ berichten. Der Slogan „Meine Homöopathie“ lässt eine Verbindung zur Deutschen Homöopathie-Union (DHU) vermuten, die laut Apothekerzeitung  eine Produktserie „DHU meine Homöopathie“ vertreibt  (siehe hier). Daher werten wir insgesamt „NICHT ERFÜLLT“.

13. Ein Beitrag vermittelt ein Thema interessant und attraktiv (ATTRAKTIVITÄT DER DARSTELLUNG).

Der Beitrag ist flüssig geschrieben, die Sprache ist lebendig und gut verständlich. Im Text wird eine einzelne Patientin beschrieben, deren Kniebeschwerden sich nach verschiedenen Therapien, darunter ein homöopathisches Mittel, gebessert haben sollen. Das bringt den Leser*innen das Thema zwar näher, ist jedoch nur bedingt attraktiv, weil der Artikel nicht darüber hinausgeht. Daher werten wir nur knapp „ERFÜLLT“.

14. Der Beitrag ist für ein Laienpublikum verständlich (VERSTÄNDLICHKEIT).

Es wird nicht erklärt, wie das aus Schlangengift gewonnen Mittel Lachesis gegen den Knorpelverschleiß im Knie wirken soll, welche Hypothesen es möglichweise dazu gibt und wie der Kenntnisstand zur Wirksamkeit ist. Es bleibt auch unerwähnt, dass Lachesis aus Schlangengift gewonnen wird und was C200 heißen soll (laut Wikipedia entspricht diese Form der Verdünnung dem Vorhandensein von einem Molekül Lachesis im 10 hoch 320-fachen des gesamten beobachtbaren Universums). Daher werten wir insgesamt „NICHT ERFÜLLT“.

15. Das THEMA ist aktuell, relevant oder ungewöhnlich. (THEMENAUSWAHL).

Schilderungen von Patientinnen und Patienten, denen angeblich mittels Homöopathie geholfen wurde, gibt es seit Jahren in zahllosen Varianten. Der Beitrag ist damit weder ungewöhnlich noch aktuell. Relevant wäre eine kritische Darstellung des Verfahrens und eine Darstellung und Einordnung der möglicherweise vorhandenen Studien (oder deren Fehlen).

Medizinjournalistische Kriterien: 4 von 14 erfüllt

Da die Kriterien Nutzen, Einordnung und Belege nicht erfüllt sind, werten wir um einen Stern ab.

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Kriterium erfüllt

Kriterium nicht erfüllt

Kriterium nicht anwendbar