Bewertet am 5. Mai 2022
Veröffentlicht von: Bild der Frau

Ein Artikel in der Zeitschrift Bild der Frau wirft die Frage auf, ob es bald eine Impfung gegen Krebs geben wird. Verständlich und gut strukturiert wird das Thema dargelegt, doch wird für die Leser*innen nicht vollständig klar, worin genau der Nutzen dieser Krebsimpfung liegen würde – und wie es um die Qualität der noch laufenden Studien bestellt ist. Insgesamt informiert der Artikel jedoch weitgehend kompetent und klar über eine hoch interessante und aktuelle Entwicklung.

Zusammenfassung

Die Corona-Pandemie hat der Entwicklung von mRNA-Impfstoffen zum Durchbruch verholfen. Doch ursprünglich wurde diese Technologie zur Behandlung von Krebs entwickelt, was nun in zwei Studien zu Haut- und Darmkrebs untersucht wird. Ein Artikel in der Zeitschrift Bild der Frau erklärt, was in den Studien untersucht wird und wann sich die Forscher Ergebnisse erhoffen. Fachbegriffe werden weitgehend vermieden, die Thematik gut verständlich erklärt. Leider wird jedoch die Qualität der Studien nicht eingeordnet und mögliche Nebenwirkungen des Therapieansatzes nicht thematisiert. Auch wird als einziger Experte ein Mediziner zitiert, der selbst an der Darmkrebsstudie beteiligt ist. Dadurch fehlt eine unabhängige, kritische Einordnung. Insgesamt wäre ein zurückhaltender Ton angesichts der noch ausstehenden Studienergebnissen schön gewesen. Zumal sich ohnehin die Frage stellt, ob es nicht ratsam gewesen wäre, für die Berichterstattung den Abschluss der Untersuchungen abzuwarten.

Hinweis: Der Originalbeitrag ist online leider nicht abrufbar. 

Title

Die Kriterien

1. Die POSITIVEN EFFEKTE sind ausreichend und verständlich dargestellt (NUTZEN).

Anders als die mRNA-Impfung gegen Covid-19 soll die im Text vorgestellte Krebsimpfung nicht vor einer ersten Tumorerkrankung schützen. Sie soll dagegen Rezidive verhindern, also einen Rückfall. „Das Immunsystem soll mit der Impfung lernen, Krebszellen selbst zu erkennen und zu bekämpfen – etwa bei Darmkrebs“, so steht es im Artikel. Und etwas weiter: „Anders als bei einer Chemotherapie, die auch gesunde Körperzellen angreift, oder anderen Immuntherapien, reagieren wir nicht passiv, wenn der Tumor schon da ist, sondern gehen viel ursächlicher an die Entstehung der Erkrankung heran.“ Auch erfährt man, dass dieser Ansatz gerade in Studien getestet wird. Doch wären mehr Informationen zum möglichen Nutzen hilfreich gewesen: Wie oft kommt es bei Haut- und Darmkrebs überhaupt zu Rezidiven? Richtet sich die Therapie gegen Rezidive aller Haut- und Darmkrebsvarianten? Da diese Fragen unbeantwortet bleiben, werten wir nur knapp „ERFÜLLT“.

2. Die RISIKEN & NEBENWIRKUNGEN werden angemessen berücksichtigt.

Risiken und Nebenwirkungen werden im Text nicht angesprochen. Es ist zwar klar, dass vor Abschluss der Studie diesbezüglich noch keine konkreten Zahlen genannt werden können. Doch hätte man den Aspekt zumindest thematisieren können, um ein Bewusstsein dafür zu schaffen, dass solche Therapien durchaus schwere Risiken und Nebenwirkungen haben können.

3. Es wird klar, ob eine Therapie/ein Produkt/ein Test VERFÜGBAR ist.

Es wird deutlich, dass diese Impfung erst in Studien untersucht wird und noch nicht allgemein verfügbar ist. Auch wird in einem Halbsatz darauf hingewiesen, dass man als Betroffener möglicherweise noch an einer solchen Studie teilnehmen kann: „Das Interesse ist so groß, dass gerade eine Ausweitung der Studie diskutiert wird.“  Zu Beginn des Artikels heißt es zudem: „Wann gibt es das? Wenn alles klappt, in einigen Jahren. Gerade laufen größere Studien mit Patienten.“ Und später im Text wird erklärt: „Wir beobachten die Patienten nach der Behandlung sehr lange und rechnen mit ersten Ergebnissen in frühestens zwei Jahren“, heißt es. Doch selbst wenn der Therapieansatz sich in den Studien bewährt, wird es noch einige Jahre dauern, bis so eine Methode in der Klinik angekommen ist. Daher werten wir insgesamt nur knapp „ERFÜLLT“.

4. Es werden ALTERNATIVE Behandlungsarten/Produkte/Tests vorgestellt.

Es wird auf Chemotherapien und andere Immuntherapien als alternative Krebstherapien kurz hingewiesen. Zudem wird deutlich, dass es nicht darum geht, diese gängigen Erstbehandlungen zu ersetzen, sondern Rezidive zu vermeiden. Zugleich wird erklärt, was das Besondere der Krebsimpfung darstellt: „Anders als bei einer Chemotherapie, die auch gesunde Körperzellen angreift, oder anderen Immuntherapien, reagieren wir nicht passiv, wenn der Tumor schon da ist, sondern gehen viel ursächlicher an die Entstehung der Erkrankung heran.“ Da jedoch nur kurz auf die Alternativen eingegangen wird, werten wir lediglich knapp „ERFÜLLT“.

5. Die KOSTEN werden im journalistischen Beitrag in angemessener Weise berücksichtigt.

Auch wenn bis zu einer möglichen Zulassung noch Jahre vergehen können, wäre ein Hinweis auf mögliche Kosten interessant gewesen. Denn gerade individualisierte Therapien können sehr kostspielig sein.

6. Es sind keine Anzeichen von Krankheitserfindungen/-übertreibungen zu finden (DISEASE MONGERING).

Darmkrebs bzw. Hautkrebs werden nicht übertrieben dargestellt.

7. Der journalistische Beitrag ordnet die QUALITÄT der Belege/der Evidenz ein.

Es wird nicht deutlich, dass der Hauptzweck der Untersuchung als Phase-2-Studie vor allem ist, die Sicherheit der Krebsimpfung zu überprüfen. Auch der Studienaufbau und die mögliche Aussagekraft werden nicht erläutert. So erfahren die Leser*innen leider nicht, wie viele Probanden an den Studien teilnehmen oder ob die Studien verblindet sind, Ärzte und Patienten also nicht wissen, ob sie einen Wirkstoff oder ein Scheinmedikament bekommen. Das sind jedoch wichtige Informationen, um die Qualität der Studien einordnen zu können.

8. Es werden UNABHÄNGIGE EXPERTEN oder QUELLEN genannt.

Als Experte kommt ein Chefarzt der Onkologie zu Wort, der „das Potenzial der mRNA-Impfung bei Krebs“ als hoch einschätzt. Allerdings wird eine der beiden klinischen Studien unter anderem an seinem Krankenhaus durchgeführt. Eine unabhängige Quelle findet sich im Text also nicht.

9. Es werden, falls vorhanden, INTERESSENKONFLIKTE im Beitrag thematisiert.

Im Text wird deutlich, dass der zitierte Mediziner an der Studie beteiligt ist.

10. Der Beitrag liefert Informationen zur EINORDNUNG der Thematik in einen Kontext (Neuheit, Ethik).

Es wird deutlich, dass die mRNA-Technologie zwar durch Impfung gegen Covid-19 bekannt wurde, aber schon zuvor für gegen Krebs in der Entwicklung war. In diesem Zusammenhang hätte allerdings noch erwähnt werden können, dass es seit vielen Jahren eine Impfung gegen Humane Papillomviren (HPV) zur Vorbeugung von Gebärmutterhalskrebs gibt – auch wenn der Ansatz grundverschieden ist. Da die Einordnung insgesamt sehr kurz ausfällt, werten wir knapp „NICHT ERFÜLLT“.

11. Der Beitrag gibt die wesentlichen Daten und Fakten korrekt wieder (FAKTENTREUE).

Grobe Fehler sind uns nicht aufgefallen. Allerdings suggeriert der Text, dass mit der Impfung „in einigen Jahre“ zu rechnen ist. Dabei ist das Studienende für das Jahr 2027 angesetzt – vor allem, weil bei Krebs die Überlebensrate der Patienten nach fünf Jahren als gutes Maß für einen Therapieerfolg gilt. Im Anschluss müsste dann noch ein Phase-3 Studie für die Zulassung folgen, die ebenfalls wieder einige Jahre dauern wird. Auch lässt die Frage im Titel unerwähnt, dass es mit der HPV-Impfung bereits eine „Impfung gegen Krebs“ gibt, wenn auch nach einem völlig anderen Prinzip. Wir werten daher nur knapp „ERFÜLLT“.

12. Der Beitrag geht über eine Pressemitteilung/das Pressematerial hinaus (JOURNALISTISCHE EIGENLEISTUNG).

Der Beitrag geht deutlich über die Pressemitteilung des Herstellers zum Impfstoff hinaus.

13. Ein Beitrag vermittelt ein Thema interessant und attraktiv (ATTRAKTIVITÄT DER DARSTELLUNG).

Der Artikel ist interessant geschrieben, eine kurze Einleitung im Frage-und Antwort-Stil fasst das Wichtigste zusammen. Kurze Sätze, kaum Substantivierungen machen es den Leser*innen leicht, den Text zu konsumieren. Der Beitrag schafft es auch, die wichtigen Infos zur Impfung verständlich zu vermitteln. Lediglich der insgesamt zu positive Ton erscheint unangebracht (siehe auch Kriterium Fakten), da schlichtweg niemand sagen kann, ob das Konzept wirklich erfolgreich sein wird.

14. Der Beitrag ist für ein Laienpublikum verständlich (VERSTÄNDLICHKEIT).

Der Artikel macht die wesentlichen Punkte der Impfung für Laien verständlich, vor allem, dass es nicht darum geht, neu auftretenden Krebs zu verhindern. Auch der Mechanismus eines solchen Ansatzes wird hinreichend verständlich. Zudem vermeidet der Text weitgehend Fachbegriffe und versucht, medizinische Zusammenhänge zu erklären, wie etwa hier: „,Um einen mRNA-Impfstoff bei Darmkrebs herzustellen, müssen wir daher erst einmal wissen, wie der jeweilige Gegner genau aussieht´, erklärt der Onkologe. Deshalb werden bei jedem einzelnen Patienten die Tumorzellen untersucht, zum Beispiel hinsichtlich ihrer Oberflächenproteine. Haben die Forscher die entschlüsselt, die die Tumorzellen verraten könnten, werden ihre Baupläne den Abwehrzellen des Immunsystems durch den Impfstoff übermittelt. ,So wird das Immunsystem dann gewissermaßen trainiert – es kann in der Folge neu auftretende Tumorzellen erkennen und mit Antikörpern bekämpfen´, sagt Prof. Arnold.“ Inhaltlich bleiben jedoch ein paar Fragen offen: Etwas unverständlich bleibt zum Beispiel, warum die Hautkrebsstudie schneller Ergebnisse liefert und was das mit der unterschiedlichen Zeit zu tun hat, in der Gewebe Tumorrezidive (wiederkehrende Tumore) bilden. Auch, wie individuell die Impfung in dem ersten Ansatz noch auf die einzelnen Patienten zugeschnitten wird, hätte man besser erklären können – und was das für eine breite Anwendung bedeutet. Insgesamt werten wir aber „ERFÜLLT“.

15. Das THEMA ist aktuell, relevant oder ungewöhnlich. (THEMENAUSWAHL).

Das Thema ist interessant, vor allem nach dem Erfolg des mRNA-Impfstoffs bei Covid-19. Doch stellt sich die Frage, wie sinnvoll es ist, über noch laufende Studien zu berichten, da noch keine Ergebnisse vorliegen. Daher werten wir nur knapp „ERFÜLLT“.

Medizinjournalistische Kriterien: 10 von 15 erfüllt

Abwertung um einen Stern, weil fünf Kriterien nur knapp „ERFÜLLT“ gewertet sind. 

Title

Kriterium erfüllt

Kriterium nicht erfüllt

Kriterium nicht anwendbar