Zusammenfassung
Ein Artikel in der Zeitschrift Brigitte berichtet darüber, wie eine Zahnwurzelbehandlung abläuft und wie sich die Technik im Laufe der Jahre verbessert hat. Auch liefert der Text interessante Informationen über den Aufbau der Zähne, erläutert, dass eine gute Mundhygiene und regelmäßige Kontrollen Karies und Wurzelentzündungen vorbeugen können. Es werden Studien und Statistiken genannt, Experten zum Thema zitiert. Allerdings wird der Nutzen einer Wurzelbehandlung nur sehr knapp dargestellt, die vorhandene Evidenz nur unzureichend eingeordnet. Zudem wird zu Beginn des Textes der Anschein erweckt, dass über eine aktuelle Studie berichtet wird: Darin fanden Forschende heraus, dass Patienten Wurzelbehandlungen gar nicht unangenehmer finden als andere zahnärztliche Therapien. Tatsächlich stammt die Untersuchung aber aus dem Jahr 2019 – und es ging darum, wie die Mundgesundheit allgemein die Lebensqualität beeinflusst.
Hinweis: Der Originalbeitrag ist online nicht verfügbar. Daher zitieren wir besonders ausführlich.
Die Kriterien
1. Die POSITIVEN EFFEKTE sind ausreichend und verständlich dargestellt (NUTZEN).
2. Die RISIKEN & NEBENWIRKUNGEN werden angemessen berücksichtigt.
3. Es wird klar, ob eine Therapie/ein Produkt/ein Test VERFÜGBAR ist.
4. Es werden ALTERNATIVE Behandlungsarten/Produkte/Tests vorgestellt.
5. Die KOSTEN werden im journalistischen Beitrag in angemessener Weise berücksichtigt.
Der Beitrag beschreibt im Kasten „Und was zahlt die Kasse?“, dass gesetzliche Krankenkassen nicht alle Kosten einer Wurzelbehandlung übernehmen: „Wurzelbehandlungen kosten je nach Aufwand zwischen 200 und 1200 Euro. Gesetzliche Kassen zahlen nur einen Teil und das auch nur, wenn die kassenärztlichen Richtlinien erfüllt sind. So muss etwa die Zahnreihe, in der er steht, vollständig sein. Sollte der Zahn die Richtlinien der Kassen nicht erfüllen, kann der komplette Eingriff auch als Privatleistung durchgeführt werden.“ Wie hoch der Eigenanteil genau ausfällt bzw. wo sich Betroffene genauer informieren können, wird jedoch nicht weiter thematisiert. Insgesamt werten wir aber noch „ERFÜLLT“.
6. Es sind keine Anzeichen von Krankheitserfindungen/-übertreibungen zu finden (DISEASE MONGERING).
7. Der journalistische Beitrag ordnet die QUALITÄT der Belege/der Evidenz ein.
8. Es werden UNABHÄNGIGE EXPERTEN oder QUELLEN genannt.
9. Es werden, falls vorhanden, INTERESSENKONFLIKTE im Beitrag thematisiert.
Die beiden zitierten Expert*innen sind bzw. waren in Kliniken angestellt, die sich unter anderem mit Wurzelbehandlungen beschäftigen. Bei dem zweiten Experten hätte der Beitrag noch stärker darauf hinweisen können. Beide Fachleute betonen den Stellenwert einer Wurzelbehandlung nicht übermäßig, sondern weisen eher auf Probleme hin. Ein Interessenkonflikt wäre vielleicht insofern zu erkennen, dass die Expert*innen zu verstehen geben, dass Zahnärzt*innen, die ein spezielles Zertifikat für Endodontologie erworben haben, eine bessere Wahl sind als Kolleg*innen ohne ein solches Zertifikat: „Michael Hülsmann, bis vor einem Jahr Professor an der Universitätszahnklinik in Göttingen, kritisiert, dass das Studium Zahnmediziner*innen nur unzureichend auf den Eingriff vorbereite, der eine hohe handwerkliche Befähigung voraussetze.“ Diese Empfehlung scheint angesichts der Komplexität der Behandlung aber gerechtfertigt, deshalb werten wir insgesamt „ERFÜLLT“.
10. Der Beitrag liefert Informationen zur EINORDNUNG der Thematik in einen Kontext (Neuheit, Ethik).
11. Der Beitrag gibt die wesentlichen Daten und Fakten korrekt wieder (FAKTENTREUE).
Der ehemalige „Medizinische Dienst des Spitzenverbandes Bund der Krankenkassen“ (im Beitrag als „Medizinischer Dienst der Krankenversicherung“ bezeichnet), hat seit Anfang 2022 eine Nachfolgeorganisation „Medizinischer Dienst Bund“. Das ist aber nur eine Ungenauigkeit. Insgesamt werten wir jedoch „ERFÜLLT“.
12. Der Beitrag geht über eine Pressemitteilung/das Pressematerial hinaus (JOURNALISTISCHE EIGENLEISTUNG).
13. Ein Beitrag vermittelt ein Thema interessant und attraktiv (ATTRAKTIVITÄT DER DARSTELLUNG).
Allerdings wird nicht ganz klar, ob es sich bei dem Text um einen klassischen Ratgeberbeitrag handeln soll, die Darstellung der Thematik bleibt dafür an mancher Stelle zu vage. Für einen solchen Artikel hätte man sich noch mehr konkrete Ratschläge gewünscht, worauf Patient*innen achten sollten, ob man tatsächlich nur spezialisierte Fachleute aufsuchen sollte oder wie man erfährt, wie hoch der zu bezahlende Eigenanteil ausfallen wird. Daher werten wir insgesamt nur knapp „ERFÜLLT“.
14. Der Beitrag ist für ein Laienpublikum verständlich (VERSTÄNDLICHKEIT).
Der Beitrag beschreibt das Vorgehen bei einer Wurzelbehandlung nachvollziehbar und verzichtet auf unnötige Fachbegriffe. Allerdings gibt es einige unklare Passagen, z.B. „Laut Statistik des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung ist die Wurzelbehandlung nämlich der am häufigsten nachgewiesene Behandlungsfehler.“ Ist die Wurzelbehandlung an sich der Behandlungsfehler oder gibt es häufig Behandlungsfehler im Rahmen einer Wurzelbehandlung? Auch andere Informationen fehlen oder sind sehr verknappt dargestellt, etwa bezüglich des Ziels, den betroffenen Zahn nicht ziehen zu müssen: „Das Ziel: Der Zahn muss nicht gezogen werden, sondern kann bestenfalls noch Jahre seinen Dienst tun. Dafür wird er nach erfolgreicher Rettung meist mit einer Teilkrone oder Krone versehen.“ Warum? Dass wurzelbehandelte Zähne oft stabilisiert werden müssen, wird nicht erwähnt. In einer anderen Textpassage geht es um Desinfektion mit Hilfe von Ultraschall, das wird jedoch leider nicht weiter erläutert. Und die Information zu den abgebrochenen Feilensystemen dürfte so manche Leser*in mindestens ratlos zurücklassen: „Auch die Feilensysteme, mit denen gearbeitet wird, werden technisch immer besser, also vor allem biegsamer, weil sich die Kanäle zur Wurzelspitze haarfein verästeln, Nischen bilden und krümmen. ,Der Fall, dass eine Feilenspitze abbricht, ist heute deshalb viel seltener als vor ein paar Jahren, als wir noch steife Stahlinstrumente verwendet haben`, sagt Dr. Sondos Gabris.“ Insgesamt werten wir daher knapp „NICHT ERFÜLLT“.
15. Das THEMA ist aktuell, relevant oder ungewöhnlich. (THEMENAUSWAHL).
Medizinjournalistische Kriterien: 12 von 15 erfüllt
Abwertung um einen Stern, weil dreimal nur knapp „ERFÜLLT“.