Zusammenfassung
Zu Beginn des dritten Corona-Jahres melden viele Länder Rekordzahlen an Infektionen. Deshalb werden vielerorts neue Strategien diskutiert, z.B. wie große Teile der Bevölkerung weiterhin regelmäßig auf Sars-CoV-2 getestet werden können. In Deutschland werden die besonders präzisen, aber aufwändigen PCR-Tests knapp und sollen rationiert werden. Doch normale Antigen-Schnelltests haben unter bestimmten Bedingungen eine geringere Sensitivität und stellen deshalb keinen zuverlässigen Ersatz dar. Der Hörfunk-Beitrag des Deutschlandfunks stellt nun eine mögliche Alternative vor: automatisierte Antigentests, die verlässlichere Ergebnisse bringen als die Testkits für zu Hause, und einen hohen Durchlauf an Tests ermöglichen. Leider bleiben die Angaben zu den automatisierten Antigentests vage, es werden keinerlei Studien dazu erwähnt, die genauen Vorteile nur grob skizziert. So wird zum Beispiel eine zentrale Aussage des Beitrags, der Labortest reiche in der Genauigkeit an einen PCR-Test heran, in keiner Weise belegt. Die Zuhörer*innen erfahren nicht, ob die Empfindlichkeit des Tests validiert wurde, wer ggf. diese Studien durchgeführt hat, und ob eine Publikation dazu vorliegt. So können die Leserinnen und Leser nach der Lektüre nicht wirklich nachvollziehen, warum dieses Verfahren eine sinnvolle Alternative sein könnte.
Die Kriterien
1. Die POSITIVEN EFFEKTE sind ausreichend und verständlich dargestellt (NUTZEN).
2. Die RISIKEN & NEBENWIRKUNGEN werden angemessen berücksichtigt.
3. Es wird klar, ob eine Therapie/ein Produkt/ein Test VERFÜGBAR ist.
4. Es werden ALTERNATIVE Behandlungsarten/Produkte/Tests vorgestellt.
5. Die KOSTEN werden im journalistischen Beitrag in angemessener Weise berücksichtigt.
6. Es sind keine Anzeichen von Krankheitserfindungen/-übertreibungen zu finden (DISEASE MONGERING).
7. Der journalistische Beitrag ordnet die QUALITÄT der Belege/der Evidenz ein.
8. Es werden UNABHÄNGIGE EXPERTEN oder QUELLEN genannt.
9. Es werden, falls vorhanden, INTERESSENKONFLIKTE im Beitrag thematisiert.
10. Der Beitrag liefert Informationen zur EINORDNUNG der Thematik in einen Kontext (Neuheit, Ethik).
11. Der Beitrag gibt die wesentlichen Daten und Fakten korrekt wieder (FAKTENTREUE).
Da dem journalistischen Beitrag keine aktuelle wissenschaftliche Studie zugrunde liegt, lassen sich die im Beitrag erwähnten Fakten schwer überprüfen. Zumal nur wenige konkrete Fakten genannt werden. Auffällig ist allerdings, dass die Bewertung der automatisierten Antigentests in einem Beitrag der Wochenzeitung „Die Zeit“ deutlich negativer ausfiel: „Der Unterschied bei der Zuverlässigkeit sei aber speziell bei asymptomatischen Corona-Infektionen bei allen Antigentests im Vergleich zum PCR-Test, ganz erheblich´, gibt der Lübecker Labormediziner Bobrowski zu bedenken. Das Hauptproblem, was sowohl der laborgestützte Antigentest als auch der Schnelltest hat, ist einfach die deutlich zurückgehende Sensitivität bei sinkender Viruslast.´ Das gelte auch für die Virusvariante Omikron.“ Da diese unterschiedliche Einschätzung (und auch die unsichere Faktenlage) zumindest hätte thematisiert werden müssen, werten wir nur knapp „ERFÜLLT“.
12. Der Beitrag geht über eine Pressemitteilung/das Pressematerial hinaus (JOURNALISTISCHE EIGENLEISTUNG).
13. Ein Beitrag vermittelt ein Thema interessant und attraktiv (ATTRAKTIVITÄT DER DARSTELLUNG).
14. Der Beitrag ist für ein Laienpublikum verständlich (VERSTÄNDLICHKEIT).
Der Beitrag beschreibt nicht genau, wie der Antigentest im Labor funktioniert. Man erfährt nicht, dass die Abstriche in Röhrchen mit Inaktivierungspuffer eingerührt werden müssen, der zwei Stunden einwirken sollte. Auch bleibt unerwähnt, dass diese ins Labor transportiert werden müssen (siehe auch hier). Warum der Unterschied zwischen dem Tropfen per Hand beim normalen Antigenschnelltest so viel unzuverlässigere Ergebnisse erbringt als das automatisierte Tropfen im Labor, bleibt auch unklar. Schließlich wird auch nicht dargelegt, wie der Antigentest im Labor abläuft – und wie es dazu kommt, dass die Ergebnisse womöglich zuverlässiger sind als jener Antigen-Schnelltests für Zuhause.
15. Das THEMA ist aktuell, relevant oder ungewöhnlich. (THEMENAUSWAHL).
Medizinjournalistische Kriterien: 10 von 15 erfüllt
Abwertung um einen Stern (von 4 auf 3 Sterne), da dreimal nur knapp „ERFÜLLT“.