Zusammenfassung
Aufmerksam wird derzeit verfolgt, wann welche Impfstoffe in der EU zugelassen und besonders schutzbedürftigen Menschen verabreicht werden. Da gerade Pressemeldungen zu diesem Zeitpunkt Betroffene und Angehörige sehr verunsichern können, ist es erfreulich, dass ein journalistischer Beitrag die Thematik aktuell aufgreift. Der Artikel reagiert schnell auf die öffentliche Diskussion und bietet Hintergrundinformationen besonders zum Wissen über die Wirksamkeit des AstraZeneca-Impfstoffs. Die Qualität der wissenschaftlichen Belege dazu wird eingeordnet, auch wird mit den Konkurrenz-Impfstoffen verglichen. Leider werden allerdings Kosten und Nebenwirkungen im Text nicht erwähnt – Faktoren, die bei der Bewertung von Wirksamkeit einer medizinischen Intervention besonders relevant sind. Sprachlich sind ein paar ungelenke Formulierungen zu finden, was aber insgesamt den positiven Eindruck kaum schmälert.
Die Kriterien
1. Die POSITIVEN EFFEKTE sind ausreichend und verständlich dargestellt (NUTZEN).
Die Wirksamkeit des neuen Impfstoffs ist das Kernthema des journalistischen Beitrags, ob er also vor Covid-19 schützt. Quantitativ gibt es detaillierte Ausführungen: „Nun berichtete das ,Handelsblatt‘ unter Berufung auf Regierungskreise, der Vektorimpfstoff sei bei Menschen im Alter von über 65 Jahren nur zu acht Prozent wirksam.“ Weiter wird im Detail über die im Dezember veröffentlichten Studienergebnisse im einem Fachjournal berichtet: „In einer Zwischenauswertung hatte AstraZeneca im Fachmagazin ,The Lancet‘ Anfang Dezember 2020 die Daten von 11.636 Probanden veröffentlicht, die entweder mit dem Impfstoff oder einem wirkungslosen Placebo behandelt worden waren. Je nach Impfschema hatte sich dabei eine Wirksamkeit von rund 60 bis 90 Prozent gezeigt. Im Schnitt gab AstraZeneca eine Wirksamkeit von 70 Prozent an.“ Und schließlich geht der Beitrag auch noch auf eine frühere Studie ein, in der die Immunreaktion älterer Menschen untersucht wurde: „AstraZeneca hatte in einer vorangegangenen Studie aber zumindest die Immunantwort von älteren Menschen auf die Impfung untersucht. Unter 320 Probanden über 56 Jahren, die den Impfstoff erhalten hatten, entwickelten demnach alle, wie vorgesehen, nach der zweiten Impfung Antikörper gegen das Spike-Protein des Coronavirus. In der Gruppe waren auch 200 Menschen im Alter von 70 Jahren oder älter.“
2. Die RISIKEN & NEBENWIRKUNGEN werden angemessen berücksichtigt.
3. Es wird klar, ob eine Therapie/ein Produkt/ein Test VERFÜGBAR ist.
Darüber hinaus wird erläutert, dass die angesprochenen Zweifel an der Wirksamkeit bei alten Menschen die Verfügbarkeit in dieser Altersgruppe ändern könnte, so heißt es zum Beispiel: „Am Dienstagabend wurde bekannt, dass Bundesgesundheitsminister Jens Spahn eine Änderung der Impfreihenfolge erwägt.“ Hier noch konkreter: „Das klingt tatsächlich so, als könnte der AstraZeneca/Uni Oxford-Impfstoff nicht für Hochbetagte zugelassen werden. Derzeit wird erwartet, dass die EMA den Wirkstoff am Freitag für die Zulassung in der EU empfiehlt. Die EU-Kommission hat dann das letzte Wort, ihre Entscheidung gilt aber als Formsache.“
4. Es werden ALTERNATIVE Behandlungsarten/Produkte/Tests vorgestellt.
5. Die KOSTEN werden im journalistischen Beitrag in angemessener Weise berücksichtigt.
6. Es sind keine Anzeichen von Krankheitserfindungen/-übertreibungen zu finden (DISEASE MONGERING).
7. Der journalistische Beitrag ordnet die QUALITÄT der Belege/der Evidenz ein.
Die Qualität der Belege wird thematisiert, zum einen in den ersten Medienberichten zum Thema: „Allerdings ist noch unklar, was hinter den Berichten von ,Handelsblatt‘ und ,Bild‘ steckt.“ Auch wird deutlich, dass die Datenlage zum Impfstoff noch nicht sehr aussagekräftig ist: „Zwar ist die Datenlage zur Wirksamkeit des AstraZeneca/Uni Oxford-Impfstoffs bei Hochbetagten in der für die Zulassung entscheidenden Phase-III-Studie dünn.“ Was das konkret bedeutet, wird auch ausgeführt: „Allerdings war der Großteil der Probanden in diesen Untersuchungen maximal 55 Jahre alt. Nur eine kleine Untergruppe, etwa acht Prozent, umfasste Menschen zwischen 56 und 69 Jahren. Ein noch kleinerer Anteil der Probanden, knapp vier Prozent, waren Menschen über 70 Jahren.“
8. Es werden UNABHÄNGIGE EXPERTEN oder QUELLEN genannt.
9. Es werden, falls vorhanden, INTERESSENKONFLIKTE im Beitrag thematisiert.
10. Der Beitrag liefert Informationen zur EINORDNUNG der Thematik in einen Kontext (Neuheit, Ethik).
Mehr Informationen wären hilfreich gewesen, aus denen hervorgeht, was diesen Impfstoff, der zu einer ganz anderen Klasse gehört, von den bisherigen zwei unterschiedet.
11. Der Beitrag gibt die wesentlichen Daten und Fakten korrekt wieder (FAKTENTREUE).
12. Der Beitrag geht über eine Pressemitteilung/das Pressematerial hinaus (JOURNALISTISCHE EIGENLEISTUNG).
13. Ein Beitrag vermittelt ein Thema interessant und attraktiv (ATTRAKTIVITÄT DER DARSTELLUNG).
14. Der Beitrag ist für ein Laienpublikum verständlich (VERSTÄNDLICHKEIT).
Zudem hätte die Wirksamkeit der Impfstoffe an mancher Stelle noch genauer erklärt werden können: Wirksam ist er, wenn er eine bestimmte Anzahl mehr an Geimpften vor einer Infektion schützt als nicht Geimpfte. Im Text heißt es dazu: „Zwar ist die Datenlage zur Wirksamkeit des AstraZeneca/Uni Oxford-Impfstoffs bei Hochbetagten in der für die Zulassung entscheidenden Phase-III-Studie dünn. Das bedeutet aber nicht, dass der Impfstoff bei ihnen nahezu wirkungslos ist.“ Hier bleibt unklar, was „dünn“ genau heißen soll: Wurde der Impfstoff an zu wenigen Menschen getestet oder sind die an wenigen Probanden gemessenen Studienergebnisse statistisch nicht signifikant? Das sind zwei verschiedene Fragen, die zwar angerissen, aber nicht in aller Deutlichkeit erklärt werden.