Zusammenfassung
In der Fachzeitschrift The Lancet fordern europäische Forscher über Ländergrenzen hinweg harte und strenge Maßnahmen, um die Corona-Krise in ganz Europa in den Griff zu bekommen. Ein Artikel der Frankfurter Allgemeinen Zeitung stellt den Aufruf vor und erklärt, welche Maßnahmen auf Deutschland zukommen würden. Um die Forderungen der Wissenschaftler einzuordnen, hätte man jedoch deutlich machen sollen, auf welchen wissenschaftlichen Daten der Appell beruht, wie gut die Evidenz dafür ist und ob dieser kontinentale, harte Lockdown auch Nebenwirkungen hat. Vor allem aber wird nicht erwähnt, dass die genauen Effekte der einzelnen Lockdown-Maßnahmen bislang nicht bekannt sind (siehe dazu auch diesen Artikel). Gerade angesichts der intensiv geführten Diskussionen zum Thema wären diese Informationen für die Leserinnen und Leser wichtig gewesen.
Diese Bewertung wurde mit Mitteln des Projektes CEOsys – Das Covid19-Evidenz-Ökosystem ermöglicht.
Die Kriterien
1. Die POSITIVEN EFFEKTE sind ausreichend und verständlich dargestellt (NUTZEN).
2. Die RISIKEN & NEBENWIRKUNGEN werden angemessen berücksichtigt.
3. Es wird klar, ob eine Therapie/ein Produkt/ein Test VERFÜGBAR ist.
4. Es werden ALTERNATIVE Behandlungsarten/Produkte/Tests vorgestellt.
5. Die KOSTEN werden im journalistischen Beitrag in angemessener Weise berücksichtigt.
könnten bzw. welche Kosten durch Ausgleichszahlungen etc. entstehen würden, thematisiert der Beitrag nicht. Ebenso wenig werden die Kosten einer langdauernden Pandemie angesprochen, und diese den kurzfristigen negativen Auswirkungen gegenübergestellt. Daher werten wir knapp „NICHT ERFÜLLT“.
6. Es sind keine Anzeichen von Krankheitserfindungen/-übertreibungen zu finden (DISEASE MONGERING).
7. Der journalistische Beitrag ordnet die QUALITÄT der Belege/der Evidenz ein.
In dem Artikel heißt es nur, dass sich die Forscher einer Publikation im international renommierten Medizin-Journal The Lancet angeschlossen hätten, in der eine gemeinsame „Strategie zur raschen und nachhaltigen Reduktion der Covid-19-Fallzahlen“ gefordert wird. Zudem werden verschiedene Zahlen aus dem Aufruf genannt: die Inzidenz müsse auf zehn Fälle pro einer Million Einwohner und Tag sinken, der R-Wert auf unter 0,7; für die Überwachung seien mindestens 300 Tests pro Million Einwohner erforderlich. Worauf diese Zielvorstellungen beruhen, ob es sich um Schätzungen (auf welcher Grundlage?) oder aus Modellen abgeleitete Zahlen handelt, bleibt unklar. Diese Information wäre jedoch wichtig gewesen, damit die Leserinnen und Leser diese Information einordnen können. Auch wenn solche Vorhersagen immer schwierig sind, so sollte man zumindest erwähnen, welche Berechnungen es dazu gibt und ob die Evidenz dazu eher groß oder klein ist und welche Unsicherheiten solche Vorhersagen und Berechnungen haben.