Bewertet am 24. November 2020
Veröffentlicht von: Tagesspiegel

Angesichts der aktuell hohen Covid-19-Fallzahlen in Deutschland fragen sich viele Menschen, wie sie sich zuverlässig vor einer Ansteckung mit dem neuen Coronavirus schützen können. Ein Artikel im Tagesspiegel greift diese Sorge auf und widmet sich der Frage, ob und welche Schutzmasken eine Infektion verhindern können. Allerdings wird im Beitrag nur auf die Ansichten eines einzelnen Experten eingegangen, einen Einblick in die gegenwärtige Studienlage erhalten die Leserinnen und Leser dagegen nicht.

Zusammenfassung

Der journalistische Beitrag behandelt die Frage, welche Masken zur Verfügung stehen, wen sie wie vor einer Corona-Infektion schützen und wie sich die verschiedenen Maskentypen voneinander unterscheiden. Dabei konzentriert sich der Text ganz auf die Vor- und Nachteile der verschiedenen Masken. Da sich weiterhin sehr viele Menschen in Deutschland täglich mit dem neuen Coronavirus anstecken, sind diese Fragen und damit das Thema des Artikels aktuell und hoch relevant. Schade ist allerdings, dass sich der im Frage-Antwort-Format strukturierte Beitrag in den Antworten allein auf die Aussagen eines einzigen Experten für Strömungsmechanik stützt. Unerwähnt bleiben dagegen Studien anderer Experten zum Thema ebenso wie der stetige Wissenszuwachs in den vergangenen Monaten. Dass es zu den erwähnten Aspekten durchaus unterschiedliche Meinungen gibt, erfahren die Leserinnen und Leser leider auch nicht.

Title

Die Kriterien

1. Die POSITIVEN EFFEKTE sind ausreichend und verständlich dargestellt (NUTZEN).

Die unterschiedlichen Maskenarten (Alltagsmaske, FFP-2- und -3) werden genannt und in ihren Funktionen beschrieben. Die Schutzwirkung der Alltagsmaske wird im Vergleich zu FFP-2 und -3-Masken erläutert, die bessere Filterfunktion von FFP-3-Masken und auch Masken mit Ventil werden genannt. Es wird zudem zwischen Fremd- und Eigenschutz unterschieden. Im Gegensatz dazu ist die Differenzierung zwischen Aerosolen und Tröpfchen vor allem zu Beginn des Artikels nicht ganz gelungen. Die Alltagsmasken verhindern nach jetzigem Kenntnisstand vor allem, dass die großen Tröpfchen eines Infizierten in den Raum gehustet oder beim Sprechen transportiert werden und andere sich direkt infizieren. Im Beitrag heißt es: „Die Alltagsmasken sind in der Lage, die Ausbreitung von ausgeatmeten Aerosoltröpfchen in Räumen über kurze Zeit zu verhindern.“ Später heißt es dann: „Eine einfache Mund-Nasen-Bedeckung verringert diese Reichweite der Partikel deutlich.“ Zudem bleibt ein wichtiger Aspekt unerwähnt: Für Alltagsmasken gibt es keine Qualitätsstandards, weil sie von jedem selbst genäht werden können, im Gegensatz zu den chirurgischen Masken und FFP-2- und -3-Masken, mit ihren CE-Zeichen und anderen Qualitätskennzeichen. Das wäre noch eine wichtige Information für die Leserinnen und Leser gewesen. Unverständlich bleibt hingegen, warum im Artikel keine deutlichere Empfehlung für das Tragen von Alltagsmasken ausgesprochen wird, obwohl der befragte Experte in seiner Fachpublikation sehr deutlich zu deren Einsatz rät: „Nevertheless, wearing simple homemade or surgical face masks in public is highly recommended if no particle filtrating respiratory mask is available.” (Deutsch: „Nichtsdestotrotz ist es sehr zu empfehlen, Alltagsmasken oder chirurgische Masken in der Öffentlichkeit zu tragen, wenn keine filternden Masken verfügbar sind.“) So entsteht der Eindruck, dass das Tragen von Alltagsmasken in nur wenigen Situationen sinnvoll ist. Daher werten wir insgesamt nur knapp „ERFÜLLT“.

2. Die RISIKEN & NEBENWIRKUNGEN werden angemessen berücksichtigt.

Der Beitrag geht angemessen auf die Nachteile der jeweiligen Masken ein: Alltagsmasken etwa schützen den Träger selbst nicht vor Aerosolen, weil diese Masken keine Filterfunktion besitzen und auch, weil Aerosole seitlich mit der Atemluft ein- und ausdringen können. Bei den FFP-2 und -3-Masken hingegen fällt das Atmen schwerer als mit Alltagsmasken, FFP-Masken mit Ventil schützen nur den Träger, aber nicht seine Umgebung vor Infektionen. Auf das von Maskengegnern und Coronaleugnern vorgebrachte Argument, Masken würden krank machen, wird im Artikel nicht eingegangen. Damit werden diese Behauptungen indes auch nicht unnötig wiederholt, was ihrer Ausbreitung entgegenwirken könnte.

3. Es wird klar, ob eine Therapie/ein Produkt/ein Test VERFÜGBAR ist.

Es wird deutlich, dass Alltagsmasken ohne Probleme verfügbar sind, ebenso wie chirurgische Masken. Zudem wird erwähnt, dass die FFP-2- und -3-Masken in der ersten Welle vornehmlich für das medizinische Personal vorbehalten wurden, nun aber in ausreichender Menge für die Allgemeinbevölkerung zur Verfügung stehen.

4. Es werden ALTERNATIVE Behandlungsarten/Produkte/Tests vorgestellt.

Alternativen zur Maske werden nicht erwähnt: 1,5 Meter Abstand halten, begrenzte Anzahl von Menschen in Räumen und kurze Verweildauer. Auch Raumluftfilter werden nicht genannt. Nur das Lüften wird kurz und beiläufig erwähnt. Da diese Alternativen jedoch in der gegenwärtigen Pandemie ebenfalls enorm wichtig sind, das Masken als Schutzmaßnahmen nicht allein betrachtet werden sollten, werten wir hier „NICHT ERFÜLLT“.

5. Die KOSTEN werden im journalistischen Beitrag in angemessener Weise berücksichtigt.

Im Beitrag wird auf die Kosten der FFP-2- und 3-Masken eingegangen, was lobenswert ist. Wie teuer Alltagsmasken oder chirurgische Masken sind, wird dagegen nicht erwähnt. Auch fehlt der Hinweis, dass das dritte Bevölkerungsschutzgesetz seinem Änderungsantrag zufolge vorsieht, für Risikogruppen einen Großteil der Kosten für die FFP-2- und FFP-3-Masken zu übernehmen. Daher werten wir insgesamt nur knapp „ERFÜLLT“.

6. Es sind keine Anzeichen von Krankheitserfindungen/-übertreibungen zu finden (DISEASE MONGERING).

Die Folgen einer Corona-Infektion werden nicht übertrieben. Es geht sehr sachlich um die Frage nach einem effektiven Schutz. Wie die Krankheit sich zeigt und welche Folgen sie haben kann, wird im Beitrag nicht beschrieben.

7. Der journalistische Beitrag ordnet die QUALITÄT der Belege/der Evidenz ein.

Der Beitrag stützt sich allein auf die Aussagen eines Experten. Weitere Studien oder Experten kommen nicht zu Wort. Dabei wäre das vorliegende Frage-Antwort-Format dafür gut geeignet gewesen. Auch hätte man die verschiedenen Studien, die Kähler zum Thema gemacht hat, gut einfließen lassen und von anderen Experten bewerten lassen können. Daher werten wir insgesamt „NICHT ERFÜLLT“.

8. Es werden UNABHÄNGIGE EXPERTEN oder QUELLEN genannt.

Im Beitrag wird nur ein einziger Experte genannt, der sich in seinen Studien selbst mit Schutzmasken beschäftigt. Seine Aussagen werden von keinem unabhängigen Forscher kommentiert oder eingeordnet. Immerhin aber wird auf diese eine Studie verlinkt.

9. Es werden, falls vorhanden, INTERESSENKONFLIKTE im Beitrag thematisiert.

Der im Beitrag erwähnte Experte (Prof. Kähler) hat viel zum Thema Raumluftreinigung gearbeitet und kritisiert öffentlich die alleinige Strategie des Maskentragens und Lüftens in Schulräumen. Was die Belastung der Raumluft mit Viren angeht, werden Studien von Prof. Kähler an der Universität der Bundeswehr in München zum Beispiel von der Trotec Unternehmensgruppe gesponsert, die Lufteinigungsgeräte herstellt. Das hätte im Beitrag erwähnt werden müssen (siehe auch: presseportal.de/pm).

10. Der Beitrag liefert Informationen zur EINORDNUNG der Thematik in einen Kontext (Neuheit, Ethik).

Im vorliegenden Beitrag werden die Aussagen des einzigen Experten im Text nicht eingeordnet, sondern als Fakten dargelegt. Auch bleibt unerwähnt, dass Wissenschaftler das neue Coronavirus erst seit ein paar Monaten kennen und seit Beginn der Pandemie ständig dazu lernen – mit all den Unsicherheiten, die eine solche dynamische Studienlage mit sich bringt. Daher werten wir knapp „NICHT ERFÜLLT“.

11. Der Beitrag gibt die wesentlichen Daten und Fakten korrekt wieder (FAKTENTREUE).

Faktenfehler haben wir nicht gefunden.

12. Der Beitrag geht über eine Pressemitteilung/das Pressematerial hinaus (JOURNALISTISCHE EIGENLEISTUNG).

Es findet sich keine aktuelle Pressemitteilung, daher gehen wir von einer journalistischen Eigenleistung aus.

13. Ein Beitrag vermittelt ein Thema interessant und attraktiv (ATTRAKTIVITÄT DER DARSTELLUNG).

Beim Thema Masken könnte man viel mehr auf den Alltag der Menschen eingehen und ihre Fragen spiegeln: Was schützt mich wirklich und was andere? Wann muss ich was tragen und warum? Und in der Beantwortung auf Alltagssituationen eingehen (Einkaufspassage, Supermarkt, Schule, Arbeitsplatz etc.). Dabei hatte der Experte in seinem Fachartikel sogar ein schönes Beispiel für das Testen von Alltagsmasken erwähnt: „If the mask is worn and a candle can easily be blown out despite the mask, the mask does not fulfil this function and should not be used.“ (Deutsch: „Wenn die Maske getragen wird und dennoch eine Kerze leicht ausgepustet werden kann, dann erfüllt die Maske ihre Funktion nicht und sollte nicht verwendet werden.“) Der vorliegende journalistische Beitrag ist eigentlich ein verstecktes Interview, verkleidet sich aber als Frage-Antwort-Format. Dabei ist Prof. Kähler der einzige Experte, auf den sich der Text beruft. Ein echtes Interview mit Kähler hätte hier vermutlich besser funktioniert oder aber ein Frage-Antwort-Format, in das auch Informationen aus anderen Quellen hätten einfließen müssen. Daher werten wir insgesamt „NICHT ERFÜLLT“.

14. Der Beitrag ist für ein Laienpublikum verständlich (VERSTÄNDLICHKEIT).

Die Ausführungen zu den verschiedenen Maskenarten und -formen sind für ein Laienpublikum gut nachvollziehbar, auch wenn die ausführliche Unterscheidung zwischen „direkter“ und „indirekter“ Infektion an mancher Stelle für die Leserinnen und Leser verwirrend sein dürfte.

15. Das THEMA ist aktuell, relevant oder ungewöhnlich. (THEMENAUSWAHL).

Die Frage nach der Wirksamkeit von Masken ist hochaktuell und relevant für den Umgang mit der Coronakrise und den Alltag.

Medizinjournalistische Kriterien: 9 von 15 erfüllt

Abwertung um einen Stern (von 3 auf 2 Sterne), da dreimal nur „knapp erfüllt“.

Title

Kriterium erfüllt

Kriterium nicht erfüllt

Kriterium nicht anwendbar