Teiche und Tümpel geben – bezogen auf ihre Fläche – mehr Treibhausgase in die Atmosphäre ab als große Seen, ergab eine Studie der Yale University. Die Süddeutsche Zeitung berichtet darüber in einem gut verständlichen Beitrag, macht aber nicht klar, wie begrenzt die Datengrundlage der Fachpublikation ist.
Zusammenfassung
Der Text in der Süddeutschen Zeitung berichtet über eine in „Nature Geoscience“ publizierte Studie, die sich mit den Kohlendioxid- und Methanemissionen von kleinen stehenden Binnengewässern (kleine Seen, Teiche und Tümpel) beschäftigt. Demnach müsse man diese oft nur wenige Quadratmeter großen Gewässer im Kontext des Klimawandels genauer betrachten als bislang, da sie bezogen auf ihre Oberfläche überproportional viel Treibhausgase ausstoßen. Der Beitrag beschäftigt sich detailliert mit der Studie und wertet auch die zusätzlich online bereitgestellten Daten (Supplemental Material) aus. Auch werden Stellungnahmen weiterer Experten eingeholt. Es fehlt allerdings ein Hinweis darauf, dass die Schlussfolgerungen der Studie auf den Daten von nur 50 kleinen Gewässern beruhen. Daraus den weltweiten Beitrag zu Treibhausgasemissionen zu berechnen, erscheint gewagt. Auch wäre zu erläutern gewesen, warum die Kleingewässer im Verhältnis höhere Emissionen haben als große Seen – es handelt sich hier zunächst um natürliche Prozesse. Dass diese Emissionen mit dem Klimawandel noch steigen könnten, da mit dem Auftauen der Permafrostböden weitere Tümpel entstehen, wird dagegen korrekt berichtet.
Umweltjournalistische Kriterien
1. KEINE ÜBERTREIBUNG / VERHARMLOSUNG: Risiken und Chancen werden weder übertrieben dargestellt noch bagatellisiert.
Der Text beschreibt ohne jede Wertung die Ergebnisse einer aktuellen wissenschaftlichen Untersuchung. Der Ton ist nüchtern, die Überschrift sachlich, das „Klein, aber oho“ gibt dem Ganzen eine heitere Note. Weder übertreibt noch verharmlost der Artikel die Ergebnisse, denen zufolge kleine stehende Gewässer überproportionale Mengen an Treibhausgasen in die Atmosphäre abgeben.
2. BELEGE/ EVIDENZ: Studien, Fakten und Zahlen werden so dargestellt, dass deren Aussagekraft deutlich wird.
Im Mittelpunkt steht der Ausstoß von Methan aus Teichen und Tümpeln mit einer Fläche von bis zu tausend Quadratmetern. Schätzungen zufolge soll es davon weltweit „550 Millionen bis 3,2 Milliarden“ geben. Die zentrale Aussage zu diesen Gewässern lautet: „Sie nehmen nach Modellrechnungen 8,6 Prozent der stehenden Gewässerfläche ein, stoßen aber durch Diffusionsprozesse, also durch den Gasaustausch an der Oberfläche 15 Prozent des aus Seen freigesetzten CO2 und fast 41 Prozent des Methans aus.“ Der Artikel macht zwar deutlich, dass es sich bei der Zahl und Fläche dieser kleinen Gewässer um Schätzungen und Modellrechnungen handelt. Doch hätte im Artikel unseres Erachtens deutlicher werden müssen, wie klein die Datengrundlage für die Messung der Treibhausgasemissionen aus diesen Quellen ist. Von den „gut 400“ Seen, die die Wissenschaftler in einer Metanalyse vorhandener Daten und einiger weniger eigener Messungen ausgewertet haben, waren gerade mal 50 unter tausend Quadratmeter klein (Excel-Tabelle im Supplemental Material der Fachpublikation). Angesichts dieser schmalen Datenbasis erscheinen die Aussagen über hunderte von Millionen bis Milliarden Teiche und Tümpel doch recht weitreichend, zumal die gemessenen Emissionen aus diesen Gewässern extrem unterschiedlich sind (Schwankungen um das 540-fache).
Es fehlt zu dem der Beleg für die wichtige Aussage „Aus Seen und Teichen entweichen etwa sechs Prozent aller freigesetzten Klimagase“.
3. EXPERTEN/ QUELLENTRANSPARENZ/ INTERESSENKONFLIKTE: Die Quellen für Tatsachenbehauptungen und Einschätzungen werden benannt, Abhängigkeiten und Interessenlagen deutlich gemacht und zentrale Aussagen durch mindestens zwei Quellen belegt.
Als Experten werden die Studienautorin Meredith Holgerson und der Co-Autor Peter Raymond genannt. Als weitere Experten, die nicht an der vorgestellten Studie beteiligt waren, werden Peter Casper vom Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei und Matthias Koschorreck vom Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung in Magdeburg zitiert. Interessenkonflikte, die zu erwähnen gewesen wären, sind für uns nicht zu erkennen.
Die eingangs zitierten „russischen Forscher” bleiben allerdings anonym. Laut Literaturverzeichnis im Fachbeitrag handelt es sich offenbar um das Team um Ludmilla Shirokova, die dann am Ende des Textes mit ihrer Schätzung des Ausstoßes von Treibhausgasen aus kleinen sibirischen Tümpeln namentlich zitiert wird. Der Zusammenhang ist für Leserinnen und Leser nicht zu erkennen, daher werten wir „knapp erfüllt“.
4. PRO UND CONTRA: Die wesentlichen Standpunkte werden angemessen dargestellt.
Der Text stellt klar, dass es „derzeit nur um eine Korrektur der Bilanzrechnung“ im Hinblick auf die aus kleinen stehenden Gewässern ausgestoßenen Treibhausgase geht. Eine solche Bilanz mag in Zukunft präzisiert oder korrigiert werden, ist unseres Wissens jedoch kein Gegenstand aktueller Kontroversen.
5. PRESSEMITTEILUNG Der Beitrag geht in seinem Informationsgehalt und in der Darstellungsweise deutlich über eine Pressemitteilung/das Pressematerial hinaus
Es gibt eine Pressemitteilung der Yale University parallel zur Veröffentlichung in „Nature Geoscience“. Der Beitrag geht darüber weit hinaus. Für die Ausführungen, dass die Daten „vor allem in Kanada, den USA, Skandinavien oder Russland erhoben“ wurden und die Größe der untersuchten Gewässer „von 2,5 Quadratmetern bis zu mehr als 500 Quadratkilometern bei den größten Seen in Deutschland und Japan: dem Boden- und dem Biwasee“ reiche, wurden offenbar sogar die Zusatzinformationen zum Fachartikel (Supplemental Material) herangezogen, was nicht selbstverständlich ist. Es werden außerdem zwei externe Experten zitiert.
6. NEUHEIT Der Beitrag macht klar, ob es sich um ein neu aufgetretenes beziehungsweise neu entdecktes Umweltproblem, eine innovative Umwelttechnik oder einen neuartigen Vorschlag zur Lösung/ Regulierung o.ä. handelt, oder ob diese schon länger existieren.
Es könnte zunächst der Eindruck entstehen, Holgerson habe mit ihrem Aufsatz als erste darauf hingewiesen, dass gerade die kleinsten Tümpel „überproportional viel Kohlendioxid und Methan enthalten“ und freisetzen. Doch so neu ist diese Erkenntnis auch wieder nicht. Siehe z.B. den Aufsatz von John A. Downing: “Emerging global role of small lakes and ponds: little things mean a lot” (2010), in dem es heißt “Considering the global carbon cycle, for example, ponds and small lakes sequester carbon at rates that are orders-of-magnitude greater than virtually all other global ecosystems.”
Auch Holgerson selber hat dazu 2015 schon ein Paper veröffentlicht: „Drivers of carbon dioxide and methane supersaturation in small, temporary ponds”. Die Daten zum CO2– und Methan-Ausstoß aus 21 kanadischen Seen und Tümpeln, fast die Hälfte der diesbezüglich vorhandenen Messwerte, wurden schon 1994 erhoben.
Holgersons aktuelle Leistung besteht in dem Versuch, die (offenbar wenigen) in der Literatur verfügbaren Daten in eine globale Bilanz von Treibhausgasen einzufügen. Dass es ihr um eine solche „Korrektur der Bilanzrechnung“ geht, stellt der Text zutreffend dar. Damit ist das Kriterium erfüllt.
7. Der Beitrag nennt - wo möglich - LÖSUNGSHORIZONTE und HANDLUNGSOPTIONEN.
Der Text stellt klar, dass es um eine Korrektur der Bilanzrechnung im Hinblick auf die aus Gewässern freigesetzten Treibhausgase geht, und nicht um ein Problem, das praktisch gelöst werden könnte.
Insofern ist dieses Kriterium nicht anwendbar.
8. Die RÄUMLICHE DIMENSION (lokal/ regional /global) wird dargestellt.
Der Text versucht den weltweiten Methan-Ausstoß von Teichen zu beziffern, macht also globale Aussagen. Es heißt, dass Daten zu „gut 400“ Seen „vor allem in Kanada, den USA, Skandinavien oder Russland“ erhoben worden seien. Im Zentrum des Textes stehen aber nicht Seen, sondern kleine Gewässer (Teiche und Tümpel), definiert mit einer Fläche von bis zu tausend Quadratmetern. Keines der 262 in der Excel-Tabelle-1 (im ergänzenden Material des Fachartikels) aufgeführten Gewässer aus Skandinavien, d.h. mehr als der Hälfte des Datenpools, fällt in diese Kategorie, von den 112 untersuchten Gewässer aus den USA sind es nur 6. Bei den übrigen handelt es sich um Gewässer aus Kanada (33) und Sibirien (11). Damit entsteht hinsichtlich der regionalen Bandbreite der zu so kleinen Gewässern vorliegenden Messwerte ein irreführender Eindruck. Es hätte deutlicher werden müssen, dass es beim Ausstoß von Treibhausgasen auch auf die lokalen Bedingungen ankommt, und dazu nur sehr begrenzte Erkenntnisse vorliegen.
9. Die ZEITLICHE DIMENSION (Nachhaltigkeit) wird dargestellt.
Der Text streift zeitliche Aspekte nur knapp: Im letzten Satz wird davor gewarnt, dass der Ausstoß von Klimagasen speziell bei den sibirischen Tümpeln mit der globalen Erwärmung (Auftauen der Permafrostböden) noch deutlich steigen könnte. Auch wenn man nicht erfährt, in welchen zeitlichen Dimensionen mit dem Auftauen des Permafrosts zu rechnen ist, öffnet das Zitat doch auch einen Blick in die Zukunft. Der Ausstoß von Methan ändert sich u.a. mit den Jahreszeiten. Aber darauf einzugehen, würde den Rahmen eines solchen Beitrags womöglich sprengen. Wir werten „knapp erfüllt“.
10. Der politische/ wirtschaftliche/ soziale/ kulturelle KONTEXT (z.B. KOSTEN) wird einbezogen.
Der Beitrag berichtet zunächst über eine reine Datenerhebung, und ordnet diese knapp in den Kontext des Klimawandels ein. Es fehlt indes eine wichtige ökologische Information, die zum Verständnis notwendig ist: Warum eigentlich geben kleine Gewässer im Verhältnis mehr Klimagase ab als große Seen? Ob menschliche Einflüsse dabei schon eine Rolle spielen, erfährt man im Artikel nicht. Laut zugrundeliegender Fachpublikation handelt es sich um ganz natürliche Prozesse, auch in der Pressemitteilung ist dies ausführlich beschrieben („The reason has to do with the physical makeup of very small ponds and the way they cycle carbon. Small ponds have a high perimeter-to-surface-area ratio, for example, and accumulate a higher load of terrestrial carbon — so-called ‘leaf litter,’ sediment particles and other material. Small ponds also tend to be shallow, which means their terrestrial carbonloads are highly concentrated compared to larger lakes. Lastly, gases produced at the bottom of these ponds are able to reach the top more often than what occurs in larger lakes, due to greater water mixing and shallower waters.”).
Allgemeinjournalistische Kriterien
1. Das THEMA ist aktuell, relevant oder originell. (THEMENAUSWAHL)
Der wissenschaftliche Aufsatz, über den der Text berichtet, ist aktuell in einem renommierten Fachblatt („Nature Geoscience“) erschienen. Die Bedeutung kleiner Gewässer im Zusammenhang mit der Freisetzung von Treibhausgasen zu betrachten, ist aufgrund der Klimadebatte ein aktuelles und relevantes Thema.
2. Die journalistische Darstellung des Themas ist gelungen. (VERSTÄNDLICHKEIT/VERMITTLUNG)
Der Text ist flüssig geschrieben, er hat eine klare Struktur und verzichtet auf Fachvokabular. Er ist daher leicht zu lesen und vermittelt die zentrale Aussage der zugrundeliegenden Studie weitgehend verständlich, bestätigt durch Kommentare anderer Experten. Der Beitrag enthält recht viele Zahlen, aber das liegt bei einer „Bilanzrechnung“ in der Natur der Sache und ist hier unumgänglich. Für das Verständnis hilfreich wäre es indes gewesen, klarzustellen, dass es sich hier um natürliche Prozesse handelt (siehe umweltjournalistisches Kriterium 10).
Der Beitrag verwendet die Begriffe „Teich“ und „Tümpel“ als handele es sich um Synonyme. Tatsächlich bezeichnet „Teich“ nur ein von Menschen angelegtes Gewässer, „Tümpel“ dagegen sind kleine natürliche Gewässer, (die häufig in Trockenperioden austrocknen). Dies spielt jedoch für die Darstellung insgesamt keine wesentliche Rolle, wir werten daher noch „knapp erfüllt“.
3. Die Fakten sind richtig dargestellt. (FAKTENTREUE)
Uns sind keine Faktenfehler aufgefallen.
Umweltjournalistische Kriterien: 5 von 8 erfüllt
Allgemeinjournalistische Kriterien: 3 von 3 erfüllt
Da zwei der umweltjournalistischen Kriterien nur „knapp erfüllt“ sind, werten wir um einen Stern ab.