Zusammenfassung
Der sehr aufwändig und umfassend recherchierte Artikel in der ZEIT berichtet sachlich und informativ über das Problem von Feinstaubemissionen aus privaten Öfen und Kaminen. Er führt eine ganze Reihe von Studienergebnissen und Fakten an und ordnet diese gut ein. An verschiedenen Stellen macht der Beitrag deutlich, dass die gesundheitlichen Belastungen durch Feinstaub ein fortdauerndes, langjähriges Problem sind. Er setzt sich sehr detailliert mit den Messmethoden für Feinstaub und den damit verbundenen Fehlerquellen auseinander. An anderer Stelle fehlt ein Hinweis auf die Herkunft der Daten, vor allem wäre es interessant gewesen zu erfahren, wie die Zahlen der Weltgesundheitsorganisation (WHO) zu den gesundheitlichen Folgen von Feinstaub erhoben wurden (chronische Krankheiten und vorzeitige Todesfälle).
Der Artikel erörtert die Konsequenzen aus der Immissionsschutzverordnung von 2010, nach der ältere Öfen und Kamine in diesem Jahr stillgelegt werden sollen. Die Alternativen „Nachrüstung“ oder „Neukauf“ werden gegeneinander abgewogen und wirtschaftliche Interessen dabei zumindest knapp angesprochen. Es kommen Experten und Umweltaktivisten zu Wort, die realitätsnähere Prüf- und Zulassungsverfahren, konsequentere Verbote und Kontrollen, sowie Sanktionen fordern.
Umweltjournalistische Kriterien
1. KEINE ÜBERTREIBUNG/VERHARMLOSUNG: Risiken und Chancen werden weder übertrieben dargestellt noch bagatellisiert.
2. BELEGE/EVIDENZ: Studien, Fakten und Zahlen werden so dargestellt, dass deren Aussagekraft deutlich wird.
Auch scheinbar widersprüchliche Daten und Ergebnisse spricht der Artikel an und erklärt sie. So ist die absolute Menge des Feinstaubs in Deutschland rückläufig, die Zahl der Erkrankungen hingegen nicht – was der Beitrag auf eine unzureichende Überwachung kleinerer Feinstaubkategorien zurückführt. Dieser Punkt wird ausführlich erläutert. Dagegen fehlen genauere Angaben zur Methodik der zitierten Untersuchungen der Initiative „Clean Heat“, der Studie der Uni Aarhaus und der Untersuchung des Eidgenössischen Bundesamt für Umwelt. Nur scheinbar verständlich ist ein zitierter Vergleich: „Ein solcher Ofen (gemeint ist: moderner Ofen) stößt etwa 25-mal so viel Feinstaub aus wie ein zehn Jahre alter Lastwagen ohne Partikelfilter.“ Hier fehlt indes ein Bezug: Gilt das pro Zeiteinheit oder pro verbrannter Brennstoffmenge?
Insgesamt werten wir dennoch erfüllt, denn der Artikel setzt sich sehr ausführlich mit der Messmethode für Feinstaub und den damit verbundenen Problemen auseinander. Er vergleicht verschiedene Methoden, macht die Auswirkungen für die Bevölkerung und die verschiedenen Interessenlagen deutlich. Diese ungewöhnlich detaillierte Auseinandersetzung vermittelt Einsichten mit konkretem Nutzwert.
3. EXPERTEN/QUELLENTRANSPARENZ: Quellen werden benannt, Abhängigkeiten deutlich gemacht und zentrale Aussagen durch mindestens zwei Quellen belegt.
4. PRO UND CONTRA: Es werden die wesentlichen relevanten Standpunkte angemessen dargestellt.
5. PRESSEMITTEILUNG: Der Beitrag geht deutlich über die Pressemitteilung/das Pressematerial hinaus.
Zum Thema des Artikels ist uns nur eine Pressemitteilung der Initiative „Clean Heat“ bekannt, die sich vor allem auf das abgeschwächte Nutzungsverbot von Kaminen in Stuttgart bezieht. Der Beitrag geht weit über die dort verbreiteten Informationen hinaus, indem verschiedene Studien zitiert und mehrere Experten befragt werden.
6. ALT oder NEU: Der Beitrag macht klar, ob es sich um ein neu aufgetretenes Umweltproblem, eine innovative Umwelttechnik o.ä. handelt, oder ob diese schon länger existieren.
Der Beitrag macht dazu deutlich, dass die gesundheitlichen Belastungen durch Feinstaub ein fortdauerndes, seit langem bekanntes Problem sind, z.B. durch den Verweis auf die Immissionsschutzverordnung von 2010.
7. LÖSUNGSHORIZONTE und HANDLUNGSOPTIONEN/kein „Greenwashing“: Der Beitrag nennt Wege, um ein Umweltproblem zu lösen, soweit dies möglich und angebracht ist.
8. RÄUMLICHE DIMENSION (lokal/regional/global): Die räumlichen Dimensionen eines Umweltthemas werden dargestellt.
Der Artikel nimmt zunächst vor allem die Situation in Deutschland in den Blick und geht etwas ausführlicher auf die Situation im Südwesten, konkret in Stuttgart ein. Er zieht dann aber auch Untersuchungen auf europäischer Ebene zum Vergleich heran; als Beispiel wird die Feinstaubbelastung durch Holzfeuerungsanlagen in Kopenhagen besonders hervorgehoben. Auch Untersuchungen aus der Schweiz werden angeführt. Wünschenswert wäre es zusätzlich gewesen, dem Leser eine Orientierung zu geben, welche Regionen und Städte in Deutschland besonders betroffen sind und wo der Feinstaub eher aus anderen Quellen, wie zum Beispiel der Landwirtschaft überwiegt. Eine solche regionale Auflösung ist im Internet abrufbar.
9. ZEITLICHE DIMENSION (Nachhaltigkeit): Die zeitliche Reichweite eines Umweltproblems oder Phänomens wird dargestellt.
10. KONTEXT/KOSTEN: Es werden politische, soziale oder wirtschaftliche Aspekte eines Umweltthemas einbezogen.
Allgemeinjournalistische Kriterien
1. THEMENAUSWAHL: Das Thema ist aktuell, oder auch unabhängig von aktuellen Anlässen relevant oder originell.
Das Thema „Feinstaub“ ist schon wegen der großen Zahl gesundheitlich Betroffener ein wichtiges Thema. Die inhaltliche Verbindung zum Dieselskandal macht das Thema zusätzlich interessant.