Zusammenfassung
Focus Online berichtet über eine Studie, die im Wissenschaftsmagazin „Science“ erschienen ist und die Ursachen des größten bekannten Massenaussterbens der Erdgeschichte untersucht. Gegen Ende des Erdzeitalters Perm, vor rund 250 Millionen Jahren, stiegen die Temperaturen stark an, die große Mehrheit der damals lebenden Arten starb aus. Der Text nennt an verschiedenen Stellen Zahlen und Fakten, die ein differenziertes Bild der von den Forschern angewendeten Methoden und Ergebnisse zeichnen. Indes wird nicht deutlich, dass die Forscher die genannten Laborexperimente mit heute lebenden Arten nicht im Rahmen dieser Studie neu durchführten, sondern sich ausschließlich auf bereits vorliegende Daten beziehen und diese im Hinblick auf ihre Fragestellung ausgewertet haben. In den abschließenden Absätzen werden – im Einklang mit den Studienautoren – Bezüge zum heutigen Klimawandel hergestellt und die Studienergebnisse knapp durch weitere wissenschaftliche Informationen ergänzt. Neben der Science-Publikation wird jedoch keine weitere Quelle angegeben. Der gut strukturierte Beitrag ist lebendig und leicht lesbar, aus der Pressemitteilung wurden interessante Zitate übernommen. Der Artikel enthält jedoch einige Ungenauigkeiten und faktische Fehler. Seit der Veröffentlichung wurde der Text an einigen Stellen offenbar leicht überarbeitet und verbessert.
Umweltjournalistische Kriterien
1. KEINE ÜBERTREIBUNG/VERHARMLOSUNG: Risiken und Chancen werden weder übertrieben dargestellt noch bagatellisiert.
Der Ton des Onlinebeitrags ist überwiegend sachlich. Er berichtet über eine Studie, die die Ursachen des größten bekannten Massenaussterbens der Erdgeschichte untersucht, das sogenannte Perm-Trias-Ereignis von 252 Millionen Jahren. Weder die Methoden noch die im Text vorgestellten Ergebnisse werden übertrieben positiv oder negativ dargestellt. An einigen Stellen ist die die Wortwahl allerdings recht dramatisierend („Treibhaushölle“). In der ursprünglichen Fassung des Beitrags heißt es außerdem: „Jetzt bestätigt eine Studie, die im Wissenschaftsjournal ‚Science‘ erschien, eine weitere Hypothese“, während es im Fachartikel vorsichtiger heißt: „Geochemical evidence provides strong support“. Diese Formulierung im Focus-Beitrag, die den Eindruck erwecken könnte, als sei die wissenschaftliche Diskussion um Ursachen des „großen Sterbens“ im Perm abschließend entschieden, taucht in der aktuellen Version nicht mehr auf. Wir werten insgesamt „knapp erfüllt“.
2. BELEGE/EVIDENZ: Studien, Fakten und Zahlen werden so dargestellt, dass deren Aussagekraft deutlich wird.
Im weiteren Verlauf es Textes heißt es: „Daraufhin untersuchten die Studienautoren im Labor an 61 Arten heutiger Meeresbewohner […] wie sich die Veränderungen auf den Organismus auswirken.“ Aus dem der Studie beigefügten „Supplemental Material“ geht jedoch hervor, dass es bei den angeführten Laboruntersuchungen um die Auswertung bereits veröffentlichter Daten geht. Auch in der Pressemitteilung der Universität Washington, an der die beiden Hauptautoren forschen, wird beschrieben, dass diese Daten für die Studie nicht neu im Labor, sondern aus schon veröffentlichten Experimenten gewonnen wurden. Eine Anfrage des Medien-Doktors bei einem der Studienautoren hat dies bestätigt. Das Vorgehen der Forscher ist im Beitrag also nicht korrekt dargestellt.
3. EXPERTEN/QUELLENTRANSPARENZ: Quellen werden benannt, Abhängigkeiten deutlich gemacht und zentrale Aussagen durch mindestens zwei Quellen belegt.
4. PRO UND CONTRA: Es werden die wesentlichen relevanten Standpunkte angemessen dargestellt.
5. PRESSEMITTEILUNG: Der Beitrag geht deutlich über die Pressemitteilung/das Pressematerial hinaus.
6. ALT oder NEU: Der Beitrag macht klar, ob es sich um ein neu aufgetretenes Umweltproblem, eine innovative Umwelttechnik o.ä. handelt, oder ob diese schon länger existieren.
Der Onlinebeitrag berichtet, dass zur Ursache des Massensterbens vor 250 Millionen Jahren verschiedene wissenschaftliche Hypothesen im Raum stehen. Aus Formulierungen wie „Klimatologen hatten schon lange vermutet…“ wird ersichtlich, dass es dazu schon eine länger andauernde fachliche Debatte gibt, zu der die aktuelle Forschungsarbeit neue Erkenntnisse beiträgt.
7. LÖSUNGSHORIZONTE und HANDLUNGSOPTIONEN/kein „Greenwashing“: Der Beitrag nennt Wege, um ein Umweltproblem zu lösen, soweit dies möglich und angebracht ist.
Da das untersuchte Ereignis kein aktuelles Problem ist, das zu lösen wäre, ist dieses Kriterium nicht anwendbar.
8. RÄUMLICHE DIMENSION (lokal/regional/global): Die räumlichen Dimensionen eines Umweltthemas werden dargestellt.
9. ZEITLICHE DIMENSION (Nachhaltigkeit): Die zeitliche Reichweite eines Umweltproblems oder Phänomens wird dargestellt.
Durch den Bezug auf den heutigen, menschengemachten Klimawandel erhält die wissenschaftliche Studie eine weit gespannte zeitliche Dimension. Bezüge zur Nachhaltigkeit sind insofern vorhanden, als Folgen eines weiter ungebremsten Klimawandels aufgezeigt werden. Der Text bildet dies korrekt ab und führt diesen Gedanken durch zusätzliche aktuelle Forschungsergebnisse noch weiter aus.
10. KONTEXT/KOSTEN: Es werden politische, soziale oder wirtschaftliche Aspekte eines Umweltthemas einbezogen.
Allgemeinjournalistische Kriterien
1. THEMENAUSWAHL: Das Thema ist aktuell, oder auch unabhängig von aktuellen Anlässen relevant oder originell.
2. VERMITTLUNG: Komplexe Umweltzusammenhänge werden verständlich gemacht.
Der Artikel ist sprachlich verständlich und klar strukturiert. Konkrete Beispiele und Erweiterungen durch andere Hypothesen und Forschungsergebnisse sowie Zitate der beteiligten Wissenschaftler illustrieren die Erkenntnisse der wissenschaftlichen Studie anschaulich. Störend sind allerdings etliche Flüchtigkeitsfehler im Text („anhalten Vulkaneruptionen“, „alls Landmassen“, „erhitzte sich die Erde[…] um Grad Celsius“). Wir werten insgesamt „knapp erfüllt“.
3. FAKTENTREUE: Der Beitrag gibt die wesentlichen Daten und Fakten korrekt wieder.
Der Artikel enthält einige Ungenauigkeiten und faktische Fehler. So heißt es im ersten Absatz, dass „96 Prozent aller Meerestiere“ verschwunden seien. Korrekt wäre die Aussage, dass 96 Prozent aller Arten im Meer ausstarben. In der ursprünglichen Textfassung ist ferner von „einem Supervulkan“ die Rede, der als mögliche Ursache des Massensterbens vermutet wird. Das klingt nach einem singulären und eingegrenzten Ausbruch. Erst in der späteren Textfassung ist korrekt von einer „Serie mächtiger Vulkanausbrüche im heutigen Sibirien“ die Rede. Auch die Darstellung, die Forscher hätten erst die Konzentration der Treibhausgase im Perm modelliert und „daraufhin“ Laborexperimente mit heutigen Arten unternommen, ist faktisch falsch (siehe Kriterium 2), da es um die Auswertung bereits früher ausgeführter und publizierter experimenteller Arbeiten geht.