Bewertet am 14. Oktober 2016
Veröffentlicht von: Zeit Online

Regenwaldrodungen für Palmölplantagen richten große Umweltschäden an. Dennoch ist es nicht unbedingt sinnvoll, stattdessen andere Öle zu verwenden, so aktuelle Modellrechnungen, über die Zeit-Online berichtet. Die Argumentation der WWF-Studie wird deutlich, aber auch andere Meinungen kommen zu Wort.

Zusammenfassung

Der sehr informative Beitrag in Zeit-Online berichtet verständlich und in sachlichem Ton über eine aktuelle Studie zur Nutzung von Palmöl. Demnach ist es ökologisch nicht vorteilhaft, Palmöl generell durch andere Öle zu ersetzen, sondern es sollte stattdessen der Konsum der betreffenden Produkte eingeschränkt werden, insbesondere auch die Verwendung von Palmöl als „Biotreibstoff“. Im Artikel wird dargelegt, dass die Inhalte der Studie auf Modellrechnungen von Agrarökonomen eines Beratungsunternehmens beruhen. Die politischen Schlussfolgerungen und Forderungen macht der Beitrag korrekt als Positionen des auftraggebenden WWF kenntlich. Es werden Gegenpositionen dargestellt und verschiedene Handlungsoptionen aufgezeigt. Die global unterschiedliche Verteilung von Palmölproduktion, Verbrauch und Schäden wird deutlich. Die zeitliche Entwicklung des Problems hätte besser herausgearbeitet werden können. Wirtschaftliche Aspekte werden zwar angesprochen, jedoch nicht mit Zahlen belegt.

Title

Umweltjournalistische Kriterien

1. KEINE ÜBERTREIBUNG / VERHARMLOSUNG: Risiken und Chancen werden weder übertrieben dargestellt noch bagatellisiert.

Der Beitrag berichtet in sachlichem Ton über eine Studie zur Nutzung von Palmöl in Deutschland. Es wird benannt, welche Schäden für die Umwelt die Palmöl-Produktion mit sich bringt, und es werden Gründe angeführt, warum der Ersatz durch andere Öle dennoch problematisch ist. Die wichtigsten Fakten der von der Umweltorganisation WWF in Auftrag gegebenen Untersuchung werden korrekt und ohne Dramatisierung wiedergegeben. Die Überschrift des Artikel („Kauft wieder Palmöl!“) führt allerdings in die Irre, denn die Studie spricht sich eindeutig für weniger Konsum von Pflanzenölen aus. Sie warnt lediglich vor einer 1:1-Substitution von Palmöl durch andere Pflanzenöle.

2. BELEGE/ EVIDENZ: Studien, Fakten und Zahlen werden so dargestellt, dass deren Aussagekraft deutlich wird.

Im Artikel wird dargelegt, dass die Inhalte der Studie auf Modellrechnungen von Agrarökonomen eines Beratungsunternehmens beruhen. Nähere Angaben zur Methodik gibt es nicht, doch da auf die Studie verlinkt wird, besteht für Leserinnen und Leser zumindest die Möglichkeit, sich dazu weiter zu informieren.

3. EXPERTEN/ QUELLENTRANSPARENZ/ INTERESSENKONFLIKTE: Die Quellen für Tatsachenbehauptungen und Einschätzungen werden benannt, Abhängigkeiten und Interessenlagen deutlich gemacht und zentrale Aussagen durch mindestens zwei Quellen belegt.

Der Artikel weist schon zu Beginn korrekt darauf hin, dass die zugrundliegende Studie im Auftrag des WWF erstellt wurde. Im weiteren Verlauf erfahren Leserinnen und Leser, dass die Untersuchung von einem Dienstleister stammt, der „NGOs, Agrarunternehmen und Politiker berät, in deren Auftrag Studien durchführt und Daten bereitstellt.“ Auf das betreffende Unternehmen wird zudem verlinkt. Als weitere Quelle kommt der Verband der Deutschen Biokraftstoffindustrie (VDB) zu Wort, außerdem wird allgemein auf Kritik anderer Umweltschutzverbände hingewiesen (siehe dazu auch Kriterium 4) .
Problematisch finden wir Zahlenangaben in den Infoboxen( „Palmöl-Markt“, „Unternehmen“, „Verbraucher“), zu denen Quellenangaben fehlen. Zudem werden in den Boxen zwei Portale angeführt, Umweltblick und Codecheck, ohne auch nur kurz auf deren Urheber einzugehen. Wir werten daher nur knapp erfüllt.

4. PRO UND CONTRA: Die wesentlichen Standpunkte werden angemessen dargestellt.

Der Beitrag führt eingangs die bekannte Kritik von Umweltschützern an der Palmölnutzung an, um dann eine Studie des WWF vorzustellen, die zu dem Schluss kommt: „Es komplett durch andere pflanzliche Öle zu ersetzen, wäre für die Umwelt sogar noch schlimmer!“ Gefordert wird u.a., auf Palmöl als „Biokraftstoff“ zu verzichten. Neben diesem Standpunkt des WWF kommen auch gegensätzliche Auffassungen zu Wort, von denen sich aber nur eine – der Verband der Deutschen Biokraftstoffindustrie (VDB) – konkret zu den Inhalten der Studie äußert. Ein Verzicht auf die Beimischung von Palmöl zu Kraftstoffen in Deutschland sei nicht sinnvoll. Außerdem wird die generelle Kritik von Umweltschutzverbänden an der Zertifizierung von Palmölplantagen angeführt, mit Link zu einem entsprechenden älteren Beitrag.

5. PRESSEMITTEILUNG Der Beitrag geht in seinem Informationsgehalt und in der Darstellungsweise deutlich über eine Pressemitteilung/das Pressematerial hinaus

Der Beitrag enthält viele Fakten und Aussagen, die weder in der WWF-Studie noch in der zugehörigen Pressemitteilung auftauchen, er stellt eindeutig eine eigene Rechercheleistung dar. Es werden andere Meinungen eingeholt und der Beitrag verlinkt auf zusätzliche Informationsquellen.

6. NEUHEIT Der Beitrag macht klar, ob es sich um ein neu aufgetretenes beziehungsweise neu entdecktes Umweltproblem, eine innovative Umwelttechnik oder einen neuartigen Vorschlag zur Lösung/ Regulierung o.ä. handelt, oder ob diese schon länger existieren.

Gleich zu Beginn macht der Beitrag deutlich, dass die ökologischen Konsequenzen des Palmölanbaus schon länger bekannt sind. Umweltbewusste Verbraucher würden heute schon versuchen, Produkte mit Palmöl zu vermeiden. Die Botschaft der Studie, dass ein reiner Boykott von Palmölprodukten negative Folgen für die Umwelt hätte, wird zu Recht als Neuigkeit herausgestellt.

7. Der Beitrag nennt - wo möglich - LÖSUNGSHORIZONTE und HANDLUNGSOPTIONEN.

Der Beitrag stellt die Handlungsoptionen vor, die der WWF in seiner Studie empfiehlt: den Verzicht auf Produkte, in denen tropische Pflanzenöle genutzt werden, die Verwendung zertifizierten Palmöls und eine Abkehr von der Beimischung von Palmöl zu Treibstoffen in Deutschland. Auch wird deutlich, dass Deutschland und die EU als Palmölimporteure vergleichsweise unbedeutend sind und ein globaler Plan nötig wäre, um den Palmölkonsum nachhaltig einzudämmen. Auf Probleme der Zertifizierung geht der Artikel nicht näher ein, doch da ein entsprechender Beitrag verlinkt wird, finden wir das noch akzeptabel.

8. Die RÄUMLICHE DIMENSION (lokal/ regional /global) wird dargestellt.

An mehreren Stellen geht der Artikel auf die globale Dimension der Palmölindustrie ein. Die räumliche Verteilung von Produktion, Verbrauch und Schäden stellt er recht ausführlich dar. Indonesien und Malaysia werden als größte Produzenten, Indien und China als große Importeure genannt. Auch die Rolle Europas und Deutschlands wird eingeordnet.

9. Die ZEITLICHE DIMENSION (Nachhaltigkeit) wird dargestellt.

Der Beitrag liefert kaum Informationen zur zeitlichen Entwicklung. Nur ein Nebensatz in einem Infokasten besagt, dass „die verbrauchte Menge wächst“. Die zugrunde liegende Studie des WWF enthält dazu aber beeindruckende Zahlen: „Seit 1990, also innerhalb von ca. 25 Jahren, hat sich die globale Palmanbaufläche nahezu verdreifacht.“ (S.15). Auch enthält die Untersuchung eine Abschätzung, wie sich Anbau- und Produktionsfläche in den kommenden Jahren entwickeln werden (S.18). Obwohl wir sehen, dass der Artikel schon eine sehr hohe Informationsdichte hat, wären solche Angaben interessant gewesen.

10. Der politische/ wirtschaftliche/ soziale/ kulturelle KONTEXT (z.B. KOSTEN) wird einbezogen.

Zu den wirtschaftlichen und politischen Zusammenhängen macht der Beitrag einige wenige Aussagen. Der Beitrag weist darauf hin, dass „in den Hauptanbauländern Indonesien und Malaysia lokale Machtstrukturen und Korruption die Umsetzung von Umweltauflagen erschweren.“ Außerdem wird die WWF-Studie mit der Schlussfolgerung zitiert, dass „der bewusste Verbrauch von Konsumgütern wie Schokolade, Süß- und Knabberwaren, Fertiggerichten und Fleisch“ auch gesundheitlich vorteilhaft sei. An anderer Stelle wird erwähnt, dass Palmöl gegenüber den Pflanzenölalternativen günstiger ist – wie teuer ein Ersatz von Palmöl oder der selektive Verzicht auf manche Produkte gesamtwirtschaftlich wäre, erfahren Leserinnen und Leser indes nicht, Zahlen zu wirtschaftlichen Aspekten fehlen. Wir werten trotzdem „knapp erfüllt“.

Allgemeinjournalistische Kriterien

1. Das THEMA ist aktuell, relevant oder originell. (THEMENAUSWAHL)

Die Frage des nachhaltigen Konsums in einer globalisierten Wirtschaft ist ein dauerhaft relevantes Thema. Mit den Ergebnissen der WWF-Studie fügt der Beitrag einem bekannten Thema – der Umweltschädlichkeit von Palmölplantagen – eine neue und interessante Perspektive hinzu und bezieht sich dabei auf eine aktuelle Untersuchung.

2. Die journalistische Darstellung des Themas ist gelungen. (VERSTÄNDLICHKEIT/VERMITTLUNG)

Der Artikel ist flüssig geschrieben, verzichtet auf Fachvokabular und ist klar strukturiert. Mit zahlreichen Links, Infoboxen und Grafiken werden die Möglichkeiten des Online-Mediums gut genutzt. Die Informationsdichte ist sehr hoch, viele verschiedene Aspekte des Themas werden dargestellt. Es wird klar, welche Folgen ein Boykott von Palmöl der Studie zufolge hätte. Die Position des Verbands der Deutschen Biokraftstoffindustrie (VDB) ist indes nicht in allen Punkten verständlich aufbereitet. So wird nicht erläutert, warum nach Auffassung des VDB die die Gefahr besteht, dass sich ohne Nutzung von Palmöl als Biokraftstoff die Regenwaldabholzung beschleunigen würde. Hier es hilfreich gewesen, die entsprechende Pressemitteilung noch einmal zu hinterfragen. Davon abgesehen ist der Beitrag jedoch gut verständlich.

3. Die Fakten sind richtig dargestellt. (FAKTENTREUE)

Uns sind kleine Ungenauigkeiten in den Infoboxen aufgefallen: In der WWF-Studie wird Palmöl ein Marktanteil von 36 Prozent zugeschrieben, nicht 30 Prozent wie im Kasten „Palmöl-Markt“ des Beitrags. Laut Statista liegt die Pflanzenöl-Produktion schon bei fast 180 Mio. Tonnen, davon 62 Mio. Palmöl, während es im Infokasten heißt, es würden „mehr als 144 Millionen Tonnen Pflanzenöl produziert. Etwa 47 Millionen Tonnen davon sind Palmöl“. Womöglich wurde hier veraltete Zahlen verwendet. Ansonsten sind uns keine Faktenfehler aufgefallen.

Umweltjournalistische Kriterien:  9 von 10 erfüllt

Allgemeinjournalistische Kriterien: 3 von 3 erfüllt

Title

Kriterium erfüllt

Kriterium nicht erfüllt

Kriterium nicht anwendbar