Bewertet am 14. Juni 2016
Veröffentlicht von: Rheinische Post

Ein Wolf hat unweit von Köln zwei Ziegen gerissen, berichtet die Rheinische Post. Der Vorfall wird ohne Sensationsgier sachlich eingeordnet. Dabei stehen regionale Aspekte im Vordergrund des Beitrags. Leider fehlt es für die Zahlenangaben an Belegen.

Zusammenfassung

Die Rheinische Post berichtet in einem klar und sachlich formulierten Text über einen Wolf in der Region um Köln. Anlass ist der Nachweis, dass das aus Norddeutschland zugewanderte Tier zwei Ziegen gerissen hat. Dieser Vorfall wird nicht dramatisiert, sondern korrekt eingeordnet, etwa durch den Vergleich mit den weit größeren Schäden, die wildernde Hunde anrichten. Der Beitrag lässt Vertreter unterschiedlicher Positionen – Naturschutzbehörde und Schafzüchter – zu Wort kommen. Zu kurz kommt dabei die Frage, warum Naturschützer die Rückkehr des Wolfs nach Deutschland begrüßen, und welche Argumente für den Schutz der Raubtiere sprechen. Für die Angabe zur Gesamtzahl der Wölfe in Deutschland fehlt ein Beleg.
Bei der Darstellung räumlicher Aspekte beschränkt sich der Beitrag auf die Region Nordrhein-Westfalen, was wir für ein Regionalmedium jedoch angemessen finden. Zur zeitlichen Einordnung, seit wann Wölfe nach Deutschland und nach NRW zurückkommen, hätten wir uns genauere Angaben gewünscht, ebenso zu der Frage, welche Kosten mit dieser Entwicklung verbunden sind. Insgesamt aber ein informativer, angenehm zu lesender Beitrag, der die regionalen Aspekte dieser Entwicklung herausarbeitet.

Title

Umweltjournalistische Kriterien

1. KEINE ÜBERTREIBUNG/VERHARMLOSUNG: Risiken und Chancen werden weder übertrieben dargestellt noch bagatellisiert.

Der Beitrag stellt in erfreulich nüchterner Weise dar, was eine Rückkehr des Wolfes für Nordrhein-Westfalen bedeuten würde. Der Text befasst sich insbesondere mit dem konkreten Vorfall, der der Anlass für den Bericht ist (zwei gerissene Ziegen). Dieser Vorfall wird nicht beschönigt, sondern in den Kontext eingeordnet, etwa durch die Information, dass mehr als 90 Prozent aller gerissenen Tiere auf das Konto von Hunden gehen. Auch mögliche Begegnungen mit Menschen („extrem unwahrscheinlich“) , werden erwähnt, aber nicht als übertrieben bedrohlich dargestellt.

2. BELEGE/EVIDENZ: Studien, Fakten und Zahlen werden so dargestellt, dass deren Aussagekraft deutlich wird.

Der Nachweis der Wolfs-DNA, der Anlass für die Berichterstattung ist, wird klar dem Senckenberg-Forschungsinstitut zugeordnet. Doch bei den übrigen Angaben, insbesondere zur Zahl der Wölfe in Deutschland bleibt offen, wie sie ermittelt wurden. Vierzig Rudel mit 350 bis 400 Wölfen sollen es laut Artikel sein. Das Bundesamt für Naturschutz nennt für das Monitoringjahr 2014/2015 in Deutschland das Vorkommen von insgesamt 31 Wolfsrudeln, acht Wolfspaaren und sechs sesshaften Einzelwölfen. Gut belegte Angaben zur Gesamtzahl der Wölfe in Deutschland haben wir nicht gefunden, woher diese Angabe im Artikel stammt, bleibt unklar. Auch für die Zahl zum Anteil der durch Hunde gerissenen Tiere gibt es keinen Beleg. Wir werten „knapp nicht erfüllt“.

3. EXPERTEN/QUELLENTRANSPARENZ: Quellen werden benannt, Abhängigkeiten deutlich gemacht und zentrale Aussagen durch mindestens zwei Quellen belegt.

Im Text werden mit dem Sprecher des Landesamtes für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz des Landes NRW (LANUV) und einem Vertreter des Schafzuchtverbandes zwei voneinander unabhängige Experten zitiert und klar zugeordnet. Die Interessenlagen sind offensichtlich, wir sehen keine versteckten Interessenkonflikte.

4. PRO UND CONTRA: Es werden die wesentlichen relevanten Standpunkte angemessen dargestellt.

Die Haltung der Schafzüchter zum Wolf wird klar dargestellt, für die andere Seite, also den Naturschutz, spricht in diesem Beitrag das Ministerium. Man hätte allerdings deutlicher machen können, warum es für Naturschützer als erstrebenswert gilt, dass der Wolf zurückkehrt, bzw. welche Argumente dafür sprechen. Da dieser Aspekt zu kurz kommt, werten wir hier nur „knapp erfüllt“.

5. PRESSEMITTEILUNG: Der Beitrag geht deutlich über die Pressemitteilung/das Pressematerial hinaus.

Der Beitrag übernimmt zwar viele Aspekte und Daten aus der Pressemitteilung des LANUV, doch macht er sie sich nicht unreflektiert zu eigen. Durch die Zitate zweier Experten und weitergehende Informationen geht er deutlich über den Inhalt der Pressemitteilung hinaus.

6. ALT oder NEU: Der Beitrag macht klar, ob es sich um ein neu aufgetretenes Umweltproblem, eine innovative Umwelttechnik o.ä. handelt, oder ob diese schon länger existieren.

Der Beitrag berichtet, dass der Nachweis von Wolfs-DNA an gerissenen Tieren aus dieser Gegend neu ist, es aber zuvor schon einzelne Wolfsnachweise in NRW gab (dazu wären genauere Zeitangaben interessant gewesen).

7. LÖSUNGSHORIZONTE und HANDLUNGSOPTIONEN/kein „Greenwashing“: Der Beitrag nennt Wege, um ein Umweltproblem zu lösen, soweit dies möglich und angebracht ist.

Als Lösungsoptionen werden im Wesentlichen die bereits ergriffenen Maßnahmen des Landes NRW genannt: Entschädigungen von Schäfern, Herdenschutz und ein nicht näher definierter Wolfsmanagement-Plan. Hier hätten wir etwas genauere Informationen erwartet, etwa zu den Herdenschutzmaßnahmen und deren Wirksamkeit und den Inhalten des Management-Plans. Servicecharakter für Menschen in den betroffenen Regionen haben die Ratschläge, wie man sich bei einer Begegnung mit dem Wolf verhalten sollte. Insgesamt werten wir „knapp erfüllt“.

8. RÄUMLICHE DIMENSION (lokal/regional/global): Die räumlichen Dimensionen eines Umweltthemas werden dargestellt.

Der Artikel konzentriert sich auf die regionalen Aspekte der Rückkehr der Wölfe. Er lässt dabei nicht aus, dass der Wolf deutschlandweit zurückgekehrt ist und nennt die ungefähre Zahl der Tiere. Das Verbreitungsgebiet in Deutschland oder die Situation des Wolfs in Europa werden nicht angesprochen. Da es sich jedoch um einen Beitrag in einer Regionalzeitung handelt, finden wir dies angemessen und akzeptabel. Eine zum Artikel gestellte Grafik macht zudem deutlich, auf welchem Weg der Jungwolf von Cuxhaven bis ins Kölner Umland gelangte.

9. ZEITLICHE DIMENSION (Nachhaltigkeit): Die zeitliche Reichweite eines Umweltproblems oder Phänomens wird dargestellt.

Der Text liefert eher spärliche zeitliche Orientierung und konzentriert sich auch hier auf das Gebiet von Nordrhein-Westfalen; so werden im beigefügten Info-Kasten die letzten dokumentierten Abschüsse in NRW aufgezählt.
Der Beitrag erklärt den Fachbegriff „Wolfserwartungsland“ und erläutert, dass als „Wolfsländer“ nur Gebiete zählen, in denen sich ein Wolf mindestens sechs Monate aufhält. Dagegen fehlen Angaben, seit wann Wölfe wieder nach Deutschland einwandern (der erste wilde Wolf in Deutschland in jüngerer Zeit 1996, der erste Nachwuchs im Jahr 2000, der erste Nachweis in NRW 2009). Der Beitrag vermittelt kein Bild davon, wie rasch sich der Wolf in Deutschland ausbreitet. Wir werten „knapp nicht erfüllt“

10. KONTEXT/KOSTEN: Es werden politische, soziale oder wirtschaftliche Aspekte eines Umweltthemas einbezogen.

Der Beitrag berichtet, dass Schafzüchter Verluste fürchten, und dass es Ausgleichszahlungen für gerissene Nutztiere gibt; doch Genaueres erfährt man nicht über den wirtschaftlichen Kontext. Wie müsste sich die Schafhaltung anpassen, wenn der Wolf sich wieder ansiedelt, und welche wirtschaftlichen Folgen hätte das? Wie hoch sind die Kosten für Herdenschutzmaßnahmen und wer trägt sie? Sind die Entschädigungszahlungen kostendeckend? Auch die kulturelle Dimension wird ausgeblendet, etwa wie es mit der Akzeptanz großer Raubtiere in Deutschland aussieht. Wir werten „knapp nicht erfüllt“.

Allgemeinjournalistische Kriterien

1. THEMENAUSWAHL: Das Thema ist aktuell, oder auch unabhängig von aktuellen Anlässen relevant oder originell.

Der Text befasst sich mit einer aktuellen Entwicklung in einer Region. Die mögliche Zuwanderung von Wölfen ist offenkundig relevant, sowohl unter Naturschutzgesichtspunkten als auch, weil sie Fragen nach einer Gefährdung von Haus- und Nutztieren oder gar Menschen aufwirft.

2. VERMITTLUNG: Komplexe Umweltzusammenhänge werden verständlich gemacht.

Der Text ist eher nüchtern und sachlich gehalten und angenehm zu lesen. Er hat eine klare Struktur und ist gut verständlich; der Info-Kasten und die Karte werten ihn zusätzlich auf.

3. FAKTENTREUE: Der Beitrag gibt die wesentlichen Daten und Fakten korrekt wieder.

Abgesehen von einer etwas zweifelhaften Zahlenangabe (350 bis 400 Wölfe in Deutschland) sind uns keine Faktenfehler aufgefallen.

Umweltjournalistische Kriterien: 7 von 10 erfüllt

Allgemeinjournalistische Kriterien: 3 von 3 erfüllt

Title

Kriterium erfüllt

Kriterium nicht erfüllt

Kriterium nicht anwendbar