Zusammenfassung
Der Beitrag in der Sächsischen Zeitung – ein leicht gekürzter Text der dpa – beschreibt das leistungsstärkste Wasserrad der Welt, dessen Bau gerade begonnen hat. Der Beitrag nennt korrekt Zahlen und Fakten zur Technologie und versucht, das Projekt auch aus Sicht der Flussökologie einzuordnen. Mitunter fehlt es jedoch an Gespür, welche Zahlen relevant sind. Warum das Drehmoment des Rades erwähnt wird, nicht aber die Leistung (die Kenngröße schlechthin jeder Kraftanlage) bleibt rätselhaft. Mehr Informationen wären auch zum Ausbaupotenzial nötig gewesen, denn so könnte der Eindruck entstehen, Norddeutschland biete noch enorme Möglichkeiten für die Wasserkraft, ohne das der Beitrag hierfür Belege liefert. Eine recht optimistische Bewertung der Technologie („Chance in der Energiewende“, „technische Revolution“) wird nicht hinterfragt, sie steht ohne weitere Einordnung neben der Kritik von Naturschützern und Fischern. Es fehlt ein Vergleich mit anderen erneuerbaren Energien und eine Einschätzung, ob das Konzept aufgrund der Kosten überhaupt praxistauglich und wirtschaftlich konkurrenzfähig ist, und somit künftig also tatsächlich einen Beitrag zur Energiewende liefern könnte.
Hinweis: Der Originalbeitrag ist online leider nicht mehr verfügbar.
Umweltjournalistische Kriterien
1. KEINE ÜBERTREIBUNG / VERHARMLOSUNG: Risiken und Chancen werden weder übertrieben dargestellt noch bagatellisiert.
2. BELEGE/ EVIDENZ: Studien, Fakten und Zahlen werden so dargestellt, dass deren Aussagekraft deutlich wird.
3. EXPERTEN/ QUELLENTRANSPARENZ: Quellen werden benannt, Abhängigkeiten deutlich gemacht und zentrale Aussagen durch mindestens zwei Quellen belegt.
Die Quellen – die Entwickler des Wasserrads von der TU-Braunschweig und das beteiligte Unternehmen sowie Sportfischer– und Naturschutzverbände – werden genannt. Ihre jeweiligen Positionen und Interessenlagen sind offensichtlich: Dass die Wissenschaftler ihr Projekt positiv darstellen, liegt ebenso auf der Hand wie die Vorbehalte des Naturschutzes. Unklar bleibt allerdings, welches Fraunhofer Institut gemeint ist, und auf welche Veröffentlichung sich der Artikel hier bezieht (hier ist der Original-dpa-Text mit einem Link (nicht mehr verfügbar) informativer). Wir werten „knapp erfüllt.“
4. PRO UND CONTRA: Es werden die wesentlichen relevanten Standpunkte angemessen dargestellt.
5. PRESSEMITTEILUNG: Der Beitrag geht deutlich über die Pressemitteilung / das Pressematerial hinaus.
6. ALT oder NEU: Der Beitrag macht klar, ob es sich um ein neu aufgetretenes Umweltproblem, eine innovative Umwelttechnik o.ä. handelt, oder ob diese schon länger existieren.
7. LÖSUNGSHORIZONTE und HANDLUNGSOPTIONEN / kein „Greenwashing“: Der Beitrag nennt Wege, um ein Umweltproblem zu lösen, soweit dies möglich und angebracht ist.
8. RÄUMLICHE DIMENSION (lokal / regional / global): Die räumlichen Dimensionen eines Umweltthemas werden dargestellt.
9. ZEITLICHE DIMENSION (Nachhaltigkeit): Die zeitliche Reichweite eines Umweltproblems oder Phänomens wird dargestellt.
10. KONTEXT / KOSTEN: Es werden politische, soziale oder wirtschaftliche Aspekte eines Umweltthemas einbezogen.
Mit dem Absatz über die Sportfischer und Umweltschützer werden ökologische Auswirkungen diskutiert. Auch die Kosten der Anlage werden genannt. Doch es fehlen wichtige Angaben zur Wirtschaftlichkeit. Wie hoch sind beim Rekord-Wasserrad die Erzeugungskosten pro Kilowattstunde im Vergleich zu herkömmlichen Wasserkraftwerken und zu anderen Erneuerbaren? Mit Investitionskosten von 4,40 Euro pro jährlicher kWh ist das Wasserrad deutlich teurer als andere Erneuerbare (schon 1,50 Euro gelten andernorts als unwirtschaftlich). Ist künftig mit deutlichen Preissenkungen zu rechnen? Ohne diese Informationen ist nicht ersichtlich, ob das Projekt wirklich Chancen hat, einen wesentlichen Beitrag zur Energiewende zu leisten. Auch wäre ein wirtschaftlicher Vergleich mit der Windkraft interessant gewesen: Für maximal 20 Prozent des Preises hätte man eine Windkraftanlage aufstellen können, die genau so viel Strom erzeugt (Link nicht mehr verfügbar).
Zu diskutieren gewesen wäre auch, ob die im Text hervorgehobene Grundlastfähigkeit und die hohe Vollauslastung so zentrale Bedeutung haben, wie es hier erscheint, oder ob nicht eher Bedarf an flexibel bereitstellbarer Energie besteht, um nicht kontinuierliche Energien wie Wind oder Sonne zu ergänzen.
Allgemeinjournalistische Kriterien
1. THEMENAUSWAHL: Das Thema ist aktuell, oder auch unabhängig von aktuellen Anlässen relevant oder originell.
Mit dem Baubeginn für das Wasserkraftrad ist ein aktueller Berichtsanlass gegeben. Relevant ist das Thema angesichts der Debatte um die Zukunft der Stromerzeugung auch.
2. VERMITTLUNG: Komplexe Umweltzusammenhänge werden verständlich gemacht.
3. FAKTENTREUE: Der Beitrag gibt die wesentlichen Daten und Fakten korrekt wieder.
Die grundsätzliche Aussage, Wasserkraft komme auf die 1,5-fache Zahl an Volllaststunden im Vergleich zu Offshore-Windkraft trifft so allgemein nicht zu; beide liegen im Schnitt bei gut 4000 Stunden (Link nicht mehr verfügbar). Da die Zahlen bei der Wasserkraft aber je nach Ausbauleistung der Anlage und Wasserführung des Flusses im Einzelfall auch deutlich über 4000 Stunden liegen können (die TU Braunschweig rechnet mit 5000 Stunden), werten wir noch „knapp erfüllt“.
Umweltjournalistische Kriterien: 5 von 10 erfüllt
Allgemeinjournalistische Kriterien: 3 von 3 erfüllt
Da drei der erfüllten umweltjournalistischen Kriterien nur „knapp erfüllt“ sind,
werten wir um einen Stern ab.