Zusammenfassung
Der Radio-Beitrag des Deutschlandfunks berichtet in sachlichem Ton über eine aktuelle Studie, die im Wissenschaftsmagazin „Nature“ publiziert wurde. Sie beschreibt die Auswirkungen von Extremwetterereignissen wie Dürren, Hitzewellen, Überschwemmungen und extremen Kälteperioden auf die weltweite Ernte verschiedener Getreidesorten. Demnach wirken sich vor allem Hitze und Dürre negativ auf die Erträge aus, Industrieländer seien stärker betroffen als Entwicklungsländer. Das Problem wird dabei weder bagatellisiert noch übertrieben.
Es wird erklärt, dass die Forschungsergebnisse auf der Auswertung statistischer Daten beruhen. Die Ergebnisse werden weitgehend korrekt und verständlich dargestellt, auch wenn die Konsequenzen für einzelne Länder oder die globale Ernährungssituation unklar bleiben. Auch hätten wir uns eine Nachfrage dazu gewünscht, wie die betreffenden Extremwetterereignisse genau definiert sind. Indirekt werden Lösungsmöglichkeiten angesprochen: Der befragte Autor der Studie sieht den Grund der geringeren Anfälligkeit der Entwicklungsländer gegen Hitze in der weniger ausgeprägten Monokultur. Dies scheint zwar plausibel, hätte aber einer zusätzlichen Einschätzung aus einer anderen Quelle bedurft. Insgesamt stellt der Beitrag die Studie solide und nachvollziehbar dar, verzichtet aber darauf, diese in einen größeren, auch ökonomischen Kontext zu stellen und die Ergebnisse hinsichtlich ihrer Aussagekraft zu hinterfragen.
Umweltjournalistische Kriterien
1. KEINE ÜBERTREIBUNG / VERHARMLOSUNG: Risiken und Chancen werden weder übertrieben dargestellt noch bagatellisiert.
2. BELEGE/ EVIDENZ: Studien, Fakten und Zahlen werden so dargestellt, dass deren Aussagekraft deutlich wird.
Gleich zu Beginn des Beitrag wird deutlich, dass es sich bei der Forschungsarbeit um eine empirische Studie handelt, die auf der Basis von statistischen Daten versucht, Zusammenhänge zwischen Extremwetterereignissen und Ernteausfällen aufzuspüren. In den Formulierungen des Textes und den Ausführungen des Interviewpartners wird dabei an verschiedenen Stellen deutlich, dass es sich bei den Ergebnissen um Schätzungen handelt und nicht um unumstößliche Fakten („Unsere Schätzung liegt bei neun bis zehn Prozent…”). Auch wird im weiteren Verlauf des Beitrages deutlich gemacht, dass einzelne Erklärungen des Forschers zu den Hintergründen der Ergebnisse nur Hypothesen sind – etwa, warum Kälteperioden und Überschwemmungen nicht mit Ernteverlusten korrelieren, oder warum Industrieländer stärker als Entwicklungsländer betroffen sind. Ein Mangel des Beitrages ist, dass durchgehend allgemein von Ernteverlusten in der Landwirtschaft die Rede ist und so suggeriert wird, dass die Ergebnisse für alle möglichen Feldfrüchte gelten. Die wissenschaftliche Studie hat aber nur die Auswirkungen auf die Ernte von 16 Getreidesorten untersucht. Auch wird an keiner Stelle definiert, was eigentlich ein Extremwetterereignis ist. Wo fängt Extremwetter an, und was ist noch als normal zu betrachten? Wir werten das Kriterium daher als „knapp erfüllt“.
3. EXPERTEN/ QUELLENTRANSPARENZ: Quellen werden benannt, Abhängigkeiten deutlich gemacht und zentrale Aussagen durch mindestens zwei Quellen belegt.
4. PRO UND CONTRA: Es werden die wesentlichen relevanten Standpunkte angemessen dargestellt.
5. PRESSEMITTEILUNG: Der Beitrag geht deutlich über die Pressemitteilung / das Pressematerial hinaus.
6. ALT oder NEU: Der Beitrag macht klar, ob es sich um ein neu aufgetretenes Umweltproblem, eine innovative Umwelttechnik o.ä. handelt, oder ob diese schon länger existieren.
Etwas unglücklich finden wir den Satz am Beginn des Stückes: „Wenn es um die Frage nach dem Einfluss des Klimawandels auf die Landwirtschaft geht, gab es in den Statistiken bisher so etwas wie einen blinden Fleck“, der in dieser Absolutheit sicher nicht zutrifft. Der interviewte Autor der Studie stellt dann aber gleich darauf klar, dass es „eine Menge empirischer Studien [gibt], die auf Basis von langfristigen Klima- und Landwirtschaftsdaten nach Zusammenhängen zwischen Klimaveränderungen und Ernteerträgen suchen.” Auch dass ähnliche Untersuchungen schon für einzelne Länder vorliegen, wird erwähnt. Neu ist, so wird hinreichend deutlich, dass die Forscher erstmals eine globale Analyse von Wetter- und Erntedaten vorlegen.
7. LÖSUNGSHORIZONTE und HANDLUNGSOPTIONEN / kein „Greenwashing“: Der Beitrag nennt Wege, um ein Umweltproblem zu lösen, soweit dies möglich und angebracht ist.
8. RÄUMLICHE DIMENSION (lokal / regional / global): Die räumlichen Dimensionen eines Umweltthemas werden dargestellt.
9. ZEITLICHE DIMENSION (Nachhaltigkeit): Die zeitliche Reichweite eines Umweltproblems oder Phänomens wird dargestellt.
10. KONTEXT / KOSTEN: Es werden politische, soziale oder wirtschaftliche Aspekte eines Umweltthemas einbezogen.
Ein interessanter wirtschaftlicher Aspekt wird auch in der Pressemitteilung der McGill University angesprochen: Die verschieden starken Auswirkungen in armen und reichen Ländern könnten demnach auch die Folge unterschiedlicher Strategien und Prioritäten sein: Wessen Überleben nicht direkt vom Ernteertrag abhängt, der kann auch mal größere Einbußen in Kauf nehmen, zumal wenn er dagegen versichert ist. („Farmers in wealthier countries also rarely depend on harvests directly for food, and typically have dependable access to crop insurance in the event of bad weather, Lesk notes. “So the optimal strategy for them may be to maximize yields rather than minimize the risk of weather-related crop damage.“) Solche Aspekte fehlen im Beitrag.
Allgemeinjournalistische Kriterien
1. THEMENAUSWAHL: Das Thema ist aktuell, oder auch unabhängig von aktuellen Anlässen relevant oder originell.
Die Auswirkungen extremer Wetterlagen, die sich durch den Klimawandel verstärken könnten, auf die Landwirtschaft sind ein Thema, das dauerhaft relevant ist (z.B. auch nach dem zum Teil in Deutschland extrem trockenen letzten Sommer). Der Radiobeitrag wurde einen Monat nach dem Klimagipfel der Vereinten Nationen in Paris gesendet, auf dem ein ambitioniertes Klimaschutzabkommen beschlossen wurde. Der Beitrag berichtet zudem über eine aktuelle Studie am Tag ihrer Veröffentlichung.
2. VERMITTLUNG: Komplexe Umweltzusammenhänge werden verständlich gemacht.
3. FAKTENTREUE: Der Beitrag gibt die wesentlichen Daten und Fakten korrekt wieder.
Etwas ungenau ist die Aussage, die wissenschaftliche Studie zeige, „wie stark Extremwetterereignisse die Erntemengen verringern können.” Im Radiobeitrag ist mal von Getreide, mal von landwirtschaftlicher Produktion allgemein die Rede. Tatsächlich untersucht wurde in der Studie nur der Effekt auf 16 Getreidearten, eine Aussage über andere Feldfrüchte ist damit nicht möglich. Darüber hinaus sind uns keinen Faktenfehler aufgefallen. Wir werten noch „knapp erfüllt“.
Umweltjournalistische Kriterien: 6 von 9 erfüllt
Allgemeinjournalistische Kriterien: 3 von 3 erfüllt
Da keine zweite Quelle herangezogen wurde (umweltjournalistisches Kriterium 3) werten wir um einen Stern ab.