Bewertet am 9. Januar 2015
Veröffentlicht von: WDR
In der Sendung „Leonardo“ berichtet der Sender WDR5 über ökologische Aspekte von 3D-Druckern. Dem Beitrag liegt eine Studie des Öko-Institut zugrunde, die aber schon ein Jahr alt ist.

Zusammenfassung

Der Radiobeitrag greift ein aktuelles und auch sehr spannendes Thema auf, die ökologische Relevanz von 3D-Druckern. Dabei gelingt eine verständliche und gut abgewogene Darstellung von Vor- und Nachteilen der neuen Technik. Doch bleiben manche Fragen offen. Wie verbreitet diese Drucker in Haushalt und Industrie schon sind, erfährt man nicht. Auch die Lebensdauer eines solchen Gerätes und die Frage, wie häufig es im privaten Haushalt tatsächlich genutzt würde, werden nicht thematisiert. Diese Punkte wären aber für die Ökobilanz wichtig, weil bei technischen Geräten oft ein Großteil der Umweltbelastung im Lebenszyklus aus der Herstellung resultiert. Auch sonst fehlen Zahlen und Fakten, die es Hörerinnen und  Hörern ermöglichen würden, die Aussagen zu bewerten und zu beurteilen, ob die Technologie umweltfreundlich oder eher schädlich ist.

Ärgerlich sind zwei Fehler im Beitrag: Zum einen wird die ein Jahr alte Studie des Öko-Instituts, die dem Beitrag zugrunde liegt, als „gerade neu“ vorgelegt bezeichnet (offenbar wurde der Beitrag erst Monate nach Fertigstellung gesendet). Zum anderen wird eine Prognose zur künftigen Entwicklung des 3D-Druck falsch interpretiert, so dass dessen künftige Bedeutung drastisch übertrieben erscheint.

Urheberrechtliche, wirtschaftliche oder soziale Aspekte – etwa mögliche Auswirkungen des neuen Produktionsverfahrens auf Arbeitsplätze – kommen nicht vor.

Hinweis: Der Originalbeitrag ist online leider nicht mehr verfügbar. 

Title

Umweltjournalistische Kriterien

1. KEINE ÜBERTREIBUNG / VERHARMLOSUNG: Risiken und Chancen werden weder übertrieben dargestellt noch bagatellisiert.

Dem Beitrag gelingt die Abwägung zwischen den ökologisch nachteiligen Aspekten des 3D-Druckers – etwa der Verdrängung von  Holz durch Kunststoff – und den vorteilhaften Aspekten, wie der Materialersparnis. Dabei werden beide Aspekte sachlich beschrieben. So wird deutlich, dass diese Drucker im Privathaushalt nach Erhebungen des Öko-Instituts auf absehbare Zeit kaum ökologisch sinnvoll zu nutzen sind, in der industriellen Produktion aber unter bestimmten Voraussetzungen Vorteile für die Umwelt bieten könnten.

2. BELEGE/ EVIDENZ: Studien, Fakten und Zahlen werden so dargestellt, dass deren Aussagekraft deutlich wird.

Der Beitrag stützt sich auf eine Studie des Öko-Instituts. Dabei geht er auf das Studien-Design nicht ein: Hörerinnen und  Hörer erfahren so nicht, was das Öko-Institut eigentlich untersucht hat. Dass die Studie vor allem eine kommentierte Zusammenstellung vorhandener Erhebungen und Daten ist, wird im Beitrag nicht klar. Außerdem enthält er kaum konkrete Zahlen und Fakten, so dass es unmöglich ist, die aufgezählten Vor- und Nachteile des 3D-Drucks zu bewerten. Dazu erfährt man lediglich „Leider ist die Ökobilanz von 3D-gedruckten Objekten bisher kaum systematisch untersucht worden“. Wie stichhaltig die Argumente sind, bleibt damit offen.

Auch fehlen Informationen dazu, welche Substanzen in Zukunft zum Drucken benutzt werden sollen, und ob einige davon möglicherweise problematisch oder vorteilhaft sind.

3.EXPERTEN/ QUELLENTRANSPARENZ: Quellen werden benannt, Abhängigkeiten deutlich gemacht und zentrale Aussagen durch mindestens zwei Quellen belegt.

Der Beitrag erwähnt zwar, dass die Studie zum 3D-Druck vom Öko-Institut erstellt wurde, allerdings wird der Auftraggeber nicht genannt. Dass es sich dabei um die Fraktion „Die Grünen/ Europäische Freie Allianz“ im Europaparlament handelt, wäre eine wichtige Information gewesen Auch der zitierte Experte Eric Klemp vom „Direct Manufacturing Research Center“ (DMRC) der Universität Potsdam wird ganz neutral als Berater von Industriefirmen vorgestellt. In der Studie selbst (S. 12) steht dagegen: “The objective of the DMRC is to promote the development of additive manufacturing processes and systems and to make AM a standard production process.“ Hier wird also jemand interviewt, dessen Auftrag es ist, den industriellen Einsatz des 3D-Drucks zu fördern, ohne dass das deutlich gemacht wird. Die Rolle des Öko-Instituts oder des Fraunhofer-Instituts für Produktionstechnik und Automatisierung müssen dagegen nicht unbedingt weiter beschrieben werden, da diese Institutionen und ihre Arbeitsweise bekannt sind.

4.PRO UND CONTRA: Es werden die wesentlichen relevanten Standpunkte angemessen dargestellt.

Der Beitrag nennt Vor- und Nachteile des 3D-Drucks. Positiv wertet er beispielsweise den u.U. geringen Materialverbrauch und neue Konstruktionsmöglichkeiten. So lassen sich Bauteile mit weniger Verschnitt herstellen. Auch können womöglich leichtere Teile entstehen, weil sie besser zu fertigen sind. Als Nachteile werden eine Verschwendung im privaten Bereich genannt sowie eine negative Energiebilanz, falls Holzprodukte durch Kunststoffe ersetzt werden. (Um zu beurteilen, ob das eine realistische Annahme ist oder nicht, bräuchte man allerdings Informationen zu den Kosten.) Auch wird angesprochen, dass in Zukunft möglicherweise aus „purer Lust am Tun“ viel mehr Teile gedruckt werden als wirklich gebraucht werden. Im Beitrag kommen dazu zwei Wissenschaftler aus verschiedenen Institutionen zu Wort, die unterschiedliche Aspekte des 3D-Drucks thematisieren.

5. PRESSEMITTEILUNG: Der Beitrag geht deutlich über die Pressemitteilung / das Pressematerial hinaus.

Der Beitrag stützt sich zwar auch auf Aussagen des Öko-Instituts, die in einer Studie und einer Pressemitteilung dazu publiziert wurden. Aber mit den zusätzlichen Interviews und durch die erkennbare Eigenrecherche ist dieses Kriterium eindeutig erfüllt.

6. ALT oder NEU: Der Beitrag macht klar, ob es sich um ein neu aufgetretenes Umweltproblem, eine innovative Umwelttechnik o.ä. handelt, oder ob diese schon länger existieren.

Der Beitrag geht nicht darauf ein, wie neu diese Technik ist bzw. seit wann es einen rasanten Entwicklungsschub im 3D-Druck gibt. Zu Beginn entsteht der Eindruck, als ob bald jeder zuhause einen 3D-Drucker haben wird, doch fehlen konkrete Zeitangaben, wann es so weit sein könnte.

Dass es aber in jüngerer Zeit hohe Wachstumsraten gibt, erwähnt der Beitrag nicht – die Pressemeldung nennt „bis zu 30 Prozent in 2011“.

7. LÖSUNGSHORIZONTE und HANDLUNGSOPTIONEN / kein „Greenwashing“: Der Beitrag nennt Wege, um ein Umweltproblem zu lösen, soweit dies möglich und angebracht ist.

Der Beitrag beschreibt den 3D-Druck zumindest teilweise als Lösung, mit der man z.B. in Zukunft Material und Energie sparen könnte. Allerdings bleibt die Frage ausgespart, wie man 3D-Drucker so einsetzen kann, dass sie zwar die ökologischen Vorteile ausspielen können, die negativen Aspekte aber eingedämmt werden (z.B. durch gemeinschaftliche Nutzung). Daher werten wir nur „knapp erfüllt“.

8. RÄUMLICHE DIMENSION (lokal / regional / global): Die räumlichen Dimensionen eines Umweltthemas werden dargestellt.

Auf die räumlichen Aspekte geht der Beitrag nicht ein. So erfährt man nicht, ob es sich eher um eine Technik für Industrieländer handelt, oder ob z.B. Schwellenländer den 3D-Druck intensiv nutzen. Die Studie des Öko-Instituts nennt die USA, Israel, Großbritannien, Deutschland und China als führende Nationen. Alle Informationen in der Studie, die die Nutzung in verschiedenen Ländern betreffen, bleiben im Beitrag ausgespart.

9. ZEITLICHE DIMENSION (Nachhaltigkeit): Die zeitliche Reichweite eines Umweltproblems oder Phänomens wird dargestellt.

Im Beitrag wird klar, dass es sich um einen Trend handelt, der Anteil des 3D-Drucks also zunimmt. Allerdings bleiben die Zeiträume und die Geschwindigkeit der Entwicklung unklar.

Die Prognose für 2020 beruht auf einer falsch verstandenen Zahl (siehe 3. Allgemeinjournalistisches Kriterium, Faktenfehler).

Die wichtige Frage nach der Lebensdauer der 3D-Drucker wird nicht gestellt. Legt man die in der Computertechnik inzwischen verbreitete kurze Lebensdauer zugrunde, wird der 3D-Drucker womöglich nur in Firmen, nicht aber in Privathaushalten einen ökologischen Vorteil bringen können –  weil er schon veraltet ist und zum Elektronikschrott wird, ehe er die Rohstoffe und Energie, die in dem Gerät stecken, eingespart haben wird. Diesen Aspekt hätte man  zwingend erwähnen müssen, da ansonsten keine sinnvolle Ökobilanz der neuen Technologie möglich ist.

Irreführend ist schließlich die Formulierung  „stellt das Öko-Institut gerade in einer neuen Studie fest“. Tatsächlich war die Studie zum Zeitpunkt der Sendung fast genau ein Jahr alt. Das ist ein gravierender Mangel, v.a. bei einer Technik, die sich so rasant entwickelt wie der 3D-Druck. Es ist gut möglich, dass sich der Stand der Dinge mittlerweile geändert hat, es z.B. neue und konkretere Zahlen gibt. Zumindest aber hätte man offen legen müssen, dass hier eine alte Studie herangezogen wird, v.a. bei einem so aktuellen Format wie einer täglichen Radiosendung.

10. KONTEXT / KOSTEN: Es werden politische, soziale oder wirtschaftliche Aspekte eines Umweltthemas einbezogen.

Der Beitrag geht an keiner Stelle auf wirtschaftliche Aspekte ein. Das ist aber bei einer neuen Technik ein entscheidender Faktor. So hätte man am Beispiel der im Beitrag erwähnten neuen Tasse fragen können, was es denn kosten würde, eine solche zu drucken. Vermutlich ist der Kauf einer neuen Tasse billiger. Interessant wäre außerdem zu erfahren, wie sich Industrieprozesse – abgesehen von der technischen Seite – durch den 3D-Druck verändern. Was bedeutet das z.B. für Arbeitsplätze und die Perspektiven verschiedener Branchen?  Die Informationen aus der Studie dazu greift der Beitrag nicht auf. Auch die vieldiskutierten urheberrechtlichen Probleme (z.B. hier  und hier) bleiben ausgespart.

Allgemeinjournalistische Kriterien

1. THEMENAUSWAHL: Das Thema ist aktuell, oder auch unabhängig von aktuellen Anlässen relevant oder originell.

Das Thema ist relevant und interessant. Da die Drucker bisher unter ökologischen Aspekten kaum analysiert wurden bzw. darüber wenig berichtet wurde, ist dieses  Thema auch originell. Dagegen wird eine Aktualität vorgetäuscht, die so nicht gegeben ist – die Studie ist bereits ein Jahr alt (siehe auch Kriterium 9, zeitliche Dimension) . Wir finden problematisch, dass das nicht transparent gemacht wird, deshalb werten wir hier nur „knapp erfüllt“.

2. VERMITTLUNG: Komplexe Umweltzusammenhänge werden verständlich gemacht.

Der Beitrag beleuchtet das Thema von unterschiedlichen Seiten, und baut zwei interessante O-Ton-Geber ein. Das macht ihn hörenswert, auch wenn er am Ende manche Fragen offen bleiben.  Die dargestellten allgemeinen Aspekte werden gut verständlich vermittelt.

3. FAKTENTREUE: Der Beitrag gibt die wesentlichen Daten und Fakten korrekt wieder.

Neben der irreführenden Angabe zur Aktualität der Studie enthält der Beitrag einen weiteren gravierenden Faktenfehler. Im Beitrag heißt es, dass im Jahr 2020 „80 Prozent aller Endprodukte im 3D-Druck entstehen“ könnten. Das wäre allerdings eine industrielle Revolution. Tatsächlich  heißt es in der Studie jedoch, dass in 2020 etwa 80 Prozent aller Produkte, die im 3D-Druck hergestellt werden, Endprodukte sein könnten – und nicht mehr überwiegend Prototypen. Das ist ebenfalls ein großer Entwicklungsschritt (heute sind 28 Prozent der 3D-Produkte Endprodukte, der Rest Prototypen),  allerdings wesentlich weniger umwälzend als es die Interpretation im Beitrag darstellt. Die Vorstellung, 80 Prozent aller industriellen Endprodukte könnten 2020 aus dem Drucker kommen, ist so abwegig, dass das hätte auch in der Redaktion auffallen und hinterfragt werden müssen. Nur weil es sich hier um einen Aspekt handelt, der nicht im Zentrum des Beitrags steht, werten wir trotz dieses gravierenden Faktenfehlers in der Gesamtwertung nicht ab.

Umweltjournalistische Kriterien: 4 von 10 erfüllt

Allgemeinjournalistische Kriterien: 2 von 3 erfüllt

Title

Kriterium erfüllt

Kriterium nicht erfüllt

Kriterium nicht anwendbar