Bewertet am 26. September 2014
Veröffentlicht von: ARD
Die Tagesschau informiert über eine erfreuliche Entwicklung: die Ozonschicht beginne sich zu erholen und das Ozonloch über der Antarktis könnte sich wieder schließen. Der Beitrag bezieht sich dabei auf einen aktuellen Report von „Wissenschaftlern der Vereinten Nationen“. Ungenauigkeiten und Faktenfehler schmälern indes den Informationswert.

Zusammenfassung

Die weltweit, vor allem aber über der Antarktis geschädigte Ozonschicht dünnt derzeit nicht mehr weiter aus; sie könnte in 15 Jahren voraussichtlich wieder den Stand des Jahrs 1980 erreichen, berichtet ein Beitrag in der ARD Tagesschau. Er bezieht sich dabei auf eine Veröffentlichung des United Nations Environment Programme (UNEP) und der World Meteorological Organization (WMO), die am Sendetag auf einer Pressekonferenz der Vereinten Nationen vorgestellt wurde. Dabei macht der Nachrichtenbeitrag deutlich, dass die Prognose auf Modellrechnungen beruht. Zusätzlich wird eine Einschätzung eines unabhängigen Experten eingeholt. Der zeitliche Verlauf der Problematik wird angemessen umrissen. Weniger klar wird dabei, dass das Ozonloch derzeit stagniert und nicht etwa schon zu schrumpfen begonnen hat.

Auf der inhaltlichen und vor allem auch der bildlichen Ebene vermischt der Fernsehbeitrag Begriffe aus der Diskussion um den menschengemachten Klimawandel mit Fakten zum Abbau der Ozonschicht. Das ist fürs Publikum verwirrend, zumal die bestehenden Zusammenhänge zwischen beiden Themenfeldern nicht einmal ansatzweise erläutert werden. Auch die Folgen für die Entwicklung von Hautkrebsfällen werden irreführend dargestellt.

Hinweise zu politischen Zusammenhängen fehlen. So erfahren Zuschauerinnen und Zuschauer nicht, was es mit dem kurz genannten „Protokoll von Montreal“ auf sich hat, das für den Schutz der Ozonschicht wesentlich war; auch wirtschaftliche Aspekte des Ersatzes von FCKW bleiben außen vor.

Hinweis: Der Originalbeitrag ist online nicht mehr verfügbar.

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Umweltjournalistische Kriterien

1. KEINE VERHARMLOSUNG/ PANIKMACHE: Umweltprobleme werden weder bagatellisiert noch übertrieben dargestellt.

Der kurze Nachrichtenbeitrag berichtet in sachlichem Ton über die Entwicklung der atmosphärischen Ozonschicht. Weder bagatellisiert er das Thema noch bauscht er es auf. So nennt er die beginnende Erholung „einen positiven Trend“, dessen Fortschreibung durch Modellrechnungen gestützt wird. Es kann allerdings durch ungenaue Formulierungen im Beitrag („die Ozonschicht baue sich wieder auf“) der Eindruck entstehen, dass das Ozonloch bereits jetzt schrumpfe, während die Wissenschaftler des United Nations Environment Programme (UNEP) und der World Meteorological Organization (WMO) sehr viel vorsichtiger formulieren. Danach stagniere die Ozonzerstörung und es gebe Anzeichen für eine langsame Verbesserung der Lage. Wir werten daher „knapp erfüllt“.

2. BELEGE/ EVIDENZ: Studien, Fakten und Zahlen werden so dargestellt, dass deren Aussagekraft deutlich wird.

Zutreffend wird darauf hingewiesen, dass die Aussagen über die zukünftige Entwicklung der Ozonschicht auf Modellrechnungen beruhen.

Dann aber vermengt der Nachrichtenfilm die Themen „Ozonzerstörung“ und „Klimaerwärmung/ Treibhausgase“ so, dass für ein Laienpublikum die Zusammenhänge nicht klar werden. So wird behauptet, dass „Abgase von Industrie, Verkehr und Landwirtschaft, aber auch so genannte Treibhausgase in FCKW in Haushaltsgeräten“ für die Beschädigung der Ozonschicht verantwortlich seien. Dazu zeigt der TV-Beitrag Bilder von dampfenden Kühltürmen, rauchenden Schloten und PKW im Smog. Das ist irreführend und entspricht nicht den Inhalten des UNEP/WMO-Berichts. Für den Abbau der Ozonschicht sind nicht „auch“, sondern vor allem halogenierte Kohlenwasserstoffe wie FCKW verantwortlich. Dass sie zugleich Treibhausgase sind, hat mit der Ozonzerstörung zunächst nichts zu tun. An dieser Stelle wäre es entweder nötig gewesen, die komplizierten wechselseitigen Einflüsse von Klimawandel und Veränderung der Ozonschicht zu erläutern und mit entsprechenden weiteren Quellen zu belegen (was jedoch in einem so kurzen Nachrichtenbeitrag kaum möglich erscheint), oder aber auf die Einbeziehung dieses Aspekts zu verzichten.

Eine weitere Ungenauigkeit findet sich im letzten Teil des Films, der suggeriert, es werde eine drastische Abnahme der Hautkrebsfälle geben. Dies steht so nicht im UNEP/WMO-Bericht – siehe dazu die Ausführungen beim 3. allgemeinjournalistischen Kriterium „Faktentreue“.

3. EXPERTEN/ QUELLENTRANSPARENZ: Quellen werden benannt, Interessenkonflikte deutlich gemacht.

Es wird von „Wissenschaftlern der Vereinten Nationen“ als Urhebern des Berichts gesprochen. Wir hätten es besser gefunden, die beiden federführenden Organisationen – die Weltorganisation für Meteorologie (WMO) und das Umweltprogramm der Vereinten Nationen (UNEP) – konkret zu nennen und vielleicht auch zu erwähnen, dass WMO und UNEP schon seit 1985 alle vier Jahre über den Zustand der Ozonschicht einen Bericht erstellen, an dem jeweils hunderte von Wissenschaftlern mitarbeiten.

Als weiterer Experte kommentiert der Klimaforscher Prof. Mojib Latif die Ergebnisse. Interessenkonflikte konnten wir keine erkennen. Wir werten „knapp erfüllt“.

4. PRO UND CONTRA: Die wesentlichen Standpunkte werden angemessen dargestellt.

Das Thema „Erholung der Ozonschicht“ stellt keine Kontroverse dar, zu der Pro- und Contra-Positionen berücksichtigt werden müssen.

5. Der Beitrag geht über die PRESSEMITTEILUNG/ das Pressematerial hinaus.

Der Beitrag stützt sich im Wesentlichen auf die Presseinformationen der Vereinten Nationen und zeigt Bilder von der Pressekonferenz. Darüber hinaus werden eine grafische Animation der NASA und Archivbilder gezeigt. Außerdem kommt der Kieler Klimaforschers Mojib Latif mit einem Kommentar zu Wort.

6. Der Beitrag macht klar, wie ALT oder NEU ein Umweltproblem, eine Umwelttechnik, ein Regulierungsvorschlag o.ä. ist.

Dass die Ozonproblematik nicht neu ist, darf als bekannt vorausgesetzt werden, und der Beitrag weist auch darauf hin. So sei vor dem Abbau der Ozonschicht „jahrzehntelang gewarnt“ und das Ozonloch über der Antarktis 1985 entdeckt worden.

Allerdings erwähnt der Beitrag nicht, dass über eine Stabilisierung der Ozonschicht auch schon in einem UNEP-Report von 2010 berichtet wurde. Wir werten daher „knapp erfüllt“.

7. Der Beitrag nennt - wo möglich - LÖSUNGSHORIZONTE und HANDLUNGSOPTIONEN.

Die Bekämpfung eines Umweltproblems – des Ozonabbaus – steht im Zentrum des Beitrags. Doch beschreibt er den Lösungsansatz nicht ausreichend und nennt als Grund für die Trendumkehr nur schwammig „Umweltgesetze und Umweltprogramme, die seit den 80er Jahren weltweit gestartet wurden.“ Das Montrealer Protokoll von 1987, in dem sich die unterzeichnenden Staaten zum Verbot Ozon-schädigender Stoffe bekennen, wird nur im O-Ton von Mojib Latif kurz angesprochen, jede Erläuterung dazu fehlt.

Der gesamte Problembereich der FCKW-Ersatzstoffe – die einerseits Ozon-schädigende Substanzen ersetzen, andererseits aber z.T. als starke Treibhausgase wirken – bleibt im Beitrag ausgeklammert.

8. Die RÄUMLICHE DIMENSION (global/lokal) wird dargestellt.

Im Film wird der Schwund der Ozonschicht allgemein und die besonders starke Schädigung über der Antarktis („Ozonloch“) benannt.

9. Die ZEITLICHE DIMENSION (Nachhaltigkeit) wird dargestellt.

Die Zeiträume, auf die sich die Modellrechnungen beziehen, werden deutlich. Zuschauerinnen und Zuschauer erfahren, dass die UN-Wissenschaftler erwarten, dass sich die Ozonschicht bis 2030 weitgehend erholt haben wird. Allerdings wird nicht angesprochen, dass die Größe des Ozonlochs bislang lediglich stagniert. Die Animation zeigt, stark gerafft, wie das Ozon über der Antarktis sich im Laufe der Jahre verändert hat.

Über den Grund für diesen Zeitrahmen – die Langlebigkeit der FCKW und anderer mittlerweile verbotener Stoffe – erfährt man allerdings nichts. Wir werten deshalb nur „knapp erfüllt.“

10. Der politische/ wirtschaftliche/ soziale/ kulturelle KONTEXT (z.B. KOSTEN) wird einbezogen.

Der Film bezieht die politische und wirtschaftliche Dimension der Entwicklung nicht einmal ansatzweise ein. Das Montrealer Protokoll gilt als Meilenstein der internationalen Umweltdiplomatie und wegen seines Erfolgs als hoffungsvolles Vorbild für ein globales Klimaabkommen – ein Aspekt, der im Filmbeitrag nicht erwähnt wird.

Auf die Kosten des Verbots Ozon-schädigender Stoffe geht der Beitrag nicht ein, die wirtschaftlichen Vor- und Nachteile der Ersatzstoffe spricht er nicht an.

Allgemeinjournalistische Kriterien

1. Das THEMA ist aktuell, relevant oder originell. (THEMENAUSWAHL)

Durch die Veröffentlichung und die Pressekonferenz der Vereinten Nationen, bei der Wissenschaftler eine neue Modellrechnung zur Entwicklung der Ozonschicht vorgestellt haben, ist das Thema tagesaktuell. Wegen der Hautkrebsgefahr durch den Schwund der Ozonschicht ist es außerdem ein langfristig relevantes Thema.

2. Die journalistische Darstellung des Themas ist gelungen. (VERSTÄNDLICHKEIT/VERMITTLUNG)

Der Film ist nachrichtlich-sachlich gehalten, klar gegliedert und erscheint zunächst gut verständlich. Mit Bildern von der Pressekonferenz, einer eingeblendeten NASA-Simulation sowie einigen Archivbildern ist er nicht sonderlich attraktiv, aber für einen kurzen Nachrichtenbeitrag akzeptabel umgesetzt. Allerdings enthält er Ungenauigkeiten, die den Zuschauer in die Irre führen: die Archivbilder von Kühltürmen usw. suggerieren einen Zusammenhang mit dem Ozonloch, der so nicht besteht. Da wir dies jedoch beim Kriterium „Evidenz“ berücksichtigt haben, werten wir hier noch „knapp erfüllt“.

3. Die Fakten sind richtig dargestellt. (FAKTENTREUE)

Beitrag enthält zwei inhaltliche Fehler bzw. Ungenauigkeiten: Zum einen vermischt der Beitrag die Begrifflichkeiten von Ozonzerstörung und Klimaerwärmung – siehe dazu Kriterium 2 „Belege/Evidenz“. Zum anderen wird fälschlicherweise berichtet, dass die Vereinten Nationen eine Abnahme der Gesamtzahl von Hautkrebsfällen erwarten. Im letzten Teil des Films heißt es „UN-Wissenschaftler weisen auch darauf hin, dass die Zahl der Hautkrebsfälle nun zurückgehen könnte. Sie schätzen, dass bis 2030 jährlich im Schnitt 2 Millionen Menschen weniger erkranken.“ Diese Aussage ist nicht durch die Veröffentlichung der Vereinten Nationen gedeckt, da diese keine Aussage zur Gesamtzahl der Hautkrebsfälle trifft. Tatsächlich heißt es im Bericht, den Modellen zufolge werde das Protokoll von Montreal bis 2030 jährlich 2 Millionen Hautkrebsfälle verhindert haben. Ohne die Maßnahmen zum Schutz der Ozonschicht würde die Zahl der Fälle weiter steigen, mit der Stabilisierung/ dem langsamen Wiederaufbau des Ozons wird diese Entwicklung gebremst. Das ist aber nicht das Gleiche wie eine Abnahme der Fälle gegenüber dem derzeitigen Stand, die der Beitrag suggeriert.

Umweltjournalistische Kriterien: 6 von 9 erfüllt

Allgemeinjournalistische Kriterien: 2 von 3 erfüllt

Da vier der sechs erfüllten umweltjournalistischen Kriterien nur knapp erfüllt sind, werten wir um einen Stern ab.

Title

Kriterium erfüllt

Kriterium nicht erfüllt

Kriterium nicht anwendbar