Bewertet am 13. März 2014
Veröffentlicht von: Frankfurter Rundschau

Eine von der Bundesregierung ernannte Kommission hat ein Gutachten zu Forschung, Innovation und technologischer Leistungsfähigkeit Deutschlands vorgelegt. In der Öffentlichkeit erregte vor allem der Vorschlag Aufmerksamkeit, das Erneuerbare-Energien-Gesetz abzuschaffen. Ein Beitrag in der Frankfurter Rundschau berichtet sachkundig über die Kontroverse.

Zusammenfassung

Der Beitrag beschreibt sachlich und kompetent die Debatte um das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG), die seit mehreren Jahren geführt wird, und die durch ein aktuelles Gutachten der Expertenkommission Forschung und Innovation (EFI) neue Brisanz erhalten hat. Die EFI schlägt vor, das EEG völlig abzuschaffen, zahlreiche Umweltexperten im Artikel widersprechen. Der Text kann nicht alle Aspekte des komplexen Themas (wie etwa die Berechnung der EEG-Umlage) abhandeln; es gelingt jedoch, die wesentlichen Fakten und Argumente zum EFI-Gutachten und der Kritik daran verständlich darzustellen. Im Beitrag kommen beide Seiten ausgiebig zu Wort. Kurz wird auch über die europäische Dimension des Themas berichtet.

Der Zusammenhang mit dem Emissionshandel wird angesprochen, doch hätte noch etwas deutlicher beschrieben werden können, warum es ein Defizit des Emissionshandels ist, dass der Ausbau der Erneuerbaren Energien nicht die maximal zulässigen Emissionsmengen reduziert. Auch wird nicht erwähnt, dass eine Abschaffung des EEG kurzfristig nichts an den Strompreisen ändern würde.

Insgesamt gelingt es, das vielschichtige und hochkontroverse Thema differenziert, gut strukturiert und verständlich zu darzustellen.

Hinweis: Der Originalbeitrag ist online nicht mehr verfügbar.

Title

Umweltjournalistische Kriterien

1. KEINE VERHARMLOSUNG/ PANIKMACHE: Umweltprobleme werden weder bagatellisiert noch übertrieben dargestellt.

Der Beitrag befasst sich nicht unmittelbar mit einem Umweltproblem, sondern mit einem Förderinstrument, dem Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG). Dieses soll dazu beitragen schädliche Auswirkungen der Energiegewinnung auf Umwelt und Klima zu reduzieren. Der Text berichtet über ein Gutachten der Expertenkommission Forschung und Innovation (EFI), die das EEG als unwirksam kritisiert und dessen Abschaffung fordert. Der Beitrag setzt sich mit der vorgebrachten Kritik auseinander und widerlegt sie teilweise mit Argumenten anderer Experten. Der Fundamentalkritik der EFI-Gutachter schließt sich der Text nicht an; er entdramatisiert deren Stellungnahme mit Hilfe von Einschätzungen aus der Erneuerbaren Energien Branche, Umweltverbänden, eines Energieexperten und des Industrieverbands BDI. Der Beitrag verharmlost dabei weder die Nachteile des EEG (so zitiert er Forderungen, das Gesetz zu reformieren) noch übersteigert er die Probleme, wie es zu diesem Thema mit Begriffen, wie „Strompreisexplosion“ mitunter vorkommt.

2. BELEGE/ EVIDENZ: Studien, Fakten und Zahlen werden so dargestellt, dass deren Aussagekraft deutlich wird.

Der Text referiert Zahlen, die im EFI-Gutachten genannt werden, korrekt. Das methodische Vorgehen wird exemplarisch erläutert, etwa die Tatsachen, dass nur solche Innovationen berücksichtigt wurden, die zu Patentanmeldungen geführt haben. Die Kritik an diesem Verfahren hätte noch deutlicher dargestellt werden können (siehe dazu z.B. hier Link nicht mehr verfügbar). Sogar in den Fußnoten des EFI-Gutachtens selbst wird, anders als im Lauftext, die Problematik dieses Vorgehens angesprochen („… inkrementelle Innovationen werden ggfs. nicht vollständig in der Patentstatistik erfasst.“).

An einigen Stellen hätte man sich genauere Informationen gewünscht. Beispielsweise heißt es: „An Modellen zur Direktvermarktung des grünen Stroms arbeitet zur Zeit das Wirtschaftsministerium.“ Völlig klar wird nicht, worauf der Beitrag sich hier bezieht. Möglicherweise ist der Referentenentwurf des EEG gemeint, der jedoch nur die Marktprämie als Instrument für die Direktvermarktung nennt (bis auf Anlagen in Bagatellgröße sollen im Laufe von drei Jahren alle Betreiber verpflichtet werden, ihren Strom aus erneuerbaren Energiequellen über die Marktprämie direkt zu vermarkten). Sollte das BMWi an weiteren Modellen arbeiten, wäre das eine Nachricht. Ob dies der Fall ist, bleibt unklar.

Ungenau ist die Angabe, dass heute 22,9 Mrd. Euro über die EEG-Umlage bezahlt werden. In der EFI-Studie heißt es korrekt, dass die Vergütungszahlungen an die Anlagenbetreiber sich auf diesen Betrag summieren. Allerdings hat der erzeugte Strom einen Marktwert, der dazu führt, dass über die EEG-Umlage nur die Differenz finanziert werden muss, die gut 2 Mrd. Euro niedriger liegt (siehe hier).

Hilfreich für Leserinnen und Leser wäre es gewesen, den Betrag der EEG-Umlage je kWh im Text hier zu erwähnen. Dann könnte sich jeder anhand seiner Stromrechnung ausrechnen, wie viel er selbst für das EEG bezahlt. Insgesamt sehen wir dieses Kriterium nur „knapp erfüllt“.

3. EXPERTEN/ QUELLENTRANSPARENZ: Quellen werden benannt, Interessenkonflikte deutlich gemacht.

Der Text nennt zunächst die EFI-Argumente und setzt sich dann unter Einbeziehung diverser Quellen damit auseinander. Die befragten Experten und Interessenvertreter werden jeweils klar ihren Institutionen und Verbänden zugeordnet. Diese sind entweder allgemein bekannt (Greenpeace, Öko-Institut, BDI) oder werden korrekt, z.B. als „Solarindustrie-Verband“, vorgestellt. Neben den aktuell befragten Experten wird auch ein weiteres Gutachten im Auftrag der Bundesregierung angeführt, das vom Sachverständigenrat für Umweltfragen (SRU) im Herbst 2013 vorgelegt wurde, und das zu anderen Schlüssen als die EFI kam.

Alle Angaben und Argumente sind nachvollziehbar den Quellen zugeordnet. Wer den Text liest, weiß, welche Seite der Debatte er jeweils vor sich hat.

Eventuell hätte man die EFI noch kurz etwas genauer einführen und darauf hinweisen können, dass die Mitglieder vom Forschungsministerium berufen werden.

4. PRO UND CONTRA: Die wesentlichen Standpunkte werden angemessen dargestellt.

Die Frage, ob das EEG fortgeführt werden soll, und welche Wirkung es gehabt hat, ist sehr umstritten. Das wirtschaftsliberale Lager lehnt das EEG seit jeher ab, viele Umweltverbände hingegen halten das EEG für geradezu sakrosankt, weil es erfolgreich den Ausbau erneuerbarer Energien gefördert hat. Der Text stellt die Positionen und die Kontroverse zutreffend und verständlich dar. Die wesentlichen Kritikpunkte der EFI werden genannt, mehrere Kritiker der EFI-Studie kommen zu Wort, und außerdem wird mit dem BDI noch ein Unterstützer zitiert.

Zusätzlich liefert der Beitrag weitere Informationen, die dem Leser unabhängig von den zitierten Experten eine eigene Bewertung erlauben (z. B: „Dass die Großhandelspreise inzwischen wegen der hohen Ökostrom-Einspeisung deutlich gesunken sind, lassen die Gutachter unerwähnt.“). Damit ist dieses Kriterium geradezu vorbildlich erfüllt.

5. Der Beitrag geht über die PRESSEMITTEILUNG/ das Pressematerial hinaus.

Der Beitrag nutzt neben dem Gutachten selbst verschiedene Pressemitteilungen, so zum Beispiel die der Gutachterkommission EFI. Auch die Pro Sun-Stellungnahme und die BDI-Äußerung stammen aus Pressematerial. Der Text geht aber weit über diese Pressemitteilungen hinaus. So wurden weitere Experten befragt (Niklas Schinerl von Greenpeace, Felix Matthes vom Öko-Institut). Auch zitiert der Beitrag ein älteres Gutachten des SRU zum Thema und ordnet die Diskussion in den EU-Kontext ein.

6. Der Beitrag macht klar, wie ALT oder NEU ein Umweltproblem, eine Umwelttechnik, ein Regulierungsvorschlag o.ä. ist.

Es wird klar, dass ein aktuell, am Tag bevor der Artikel erschien, vorgelegtes Gutachten der Anlass der Berichterstattung ist. Zugleich wird deutlich, dass die Debatte um das EEG schon länger andauert („so warnte der Sachverständigenrat für Umweltfragen im Herbst vor einer Abschaffung …“).

7. Der Beitrag nennt – wo möglich – LÖSUNGSHORIZONTE und HANDLUNGSOPTIONEN.

Das EEG als Ansatz zur Förderung erneuerbarer Energien ist das Thema des Beitrags. Zum Umgang damit werden verschiedene Optionen diskutiert: Die Abschaffung des EEG als Handlungsempfehlung des EFI, die Beibehaltung, und die Reform des EEG, wie der SRU und der Experte des Öko-Instituts sie empfehlen. Es wird von mehreren Seiten angesprochen, dass vor allem Veränderungen beim Emissionshandel notwendig wären, um die CO2-Emissionen zu senken. Dieser Punkt hätte noch näher erläutert werden können.

Zusätzlich hätte man auf die Optionen hinweisen können, die es gibt, um die EEG-Umlage zu senken, ohne gleich das ganze EEG abzuschaffen. Zum Beispiel wäre dies prinzipiell auch durch eine Stabilisierung der Börsenstrompreise möglich, indem man den Emissionshandel wieder reaktiviert, was vor allem Braunkohlestrom teurer machen würde. Wenn sich dies politisch durchsetzen ließe, könnte der Aufschlag für den Ökostrom sinken.

8. Die RÄUMLICHE DIMENSION (global/lokal) wird dargestellt.

Der Beitrag beschreibt ein Förderinstrument des deutschen Strommarktes, womit die räumliche Dimension des Themas klar ist. Darüber hinaus wird berichtet, dass weltweit 60 weitere Länder ähnliche Gesetzte nach dem Vorbild des EEG erlassen haben. Zugleich wird deutlich, dass es einen Konflikt mit der Europäischen Union über die Ausgleichsregelung für die Industrie gibt. Damit sind die wesentlichen räumlichen Aspekte genannt.

9. Die ZEITLICHE DIMENSION (Nachhaltigkeit) wird dargestellt.

Der Beitrag berichtet, wann das EEG in Kraft trat, und wie die Kosten seitdem angestiegen sind. Auch erfährt man, dass die Bundesregierung am 8. April 2013 ihren Gesetzentwurf für das neue EEG beschließen wird.

Allerdings fehlt ein wichtiger zeitlicher Aspekt des Themas: Eine Abschaffung des EEG würde die Kosten in den nächsten Jahren unter ansonsten gleichbleibenden Rahmenbedingungen nicht senken, da die bestehenden Anlagen Vertrauensschutz genießen. D.h. wer eine Ökostromanlage ans Netz bringt, hat die Vergütung für 20 Jahre gesetzlich garantiert. Erst ab 2021, wenn die ersten Anlagen aus der Förderung herausfallen, wäre ein Rückgang der EEG-Umlage zu erwarten – es sei denn, es kommt zu anderen Veränderungen am Strommarkt. Eine Abschaffung des EEG könnte für die nächsten Jahre also lediglich den weiteren Anstieg der EEG-Kosten stoppen. Wir werten „knapp nicht erfüllt“.

10. Der politische/ wirtschaftliche/ soziale/ kulturelle KONTEXT (z.B. KOSTEN) wird einbezogen.

Wirtschaftliche Aspekte sind ein zentrales Element der EEG-Diskussion, was in dem Beitrag deutlich wird: Die steigenden Kosten der EEG-Umlage werden genannt und es wird darüber informiert, dass die Kosten für Strom aus Wind und Sonne stark gesunken sind. Zusätzlich hätte erwähnt werden können, dass das für die Biomasse nicht zutrifft (siehe z.B. hier S. 4). Auch die Auswirkungen des EEG auf die Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen wären ein interessanter Punkt gewesen, doch hätte dies den Beitrag womöglich überfrachtet.

Allgemeinjournalistische Kriterien

1. Das THEMA ist aktuell, relevant oder originell. (THEMENAUSWAHL)

Das Thema ist nicht nur durch die Vorlage der EFI-Studie hoch aktuell: Bis zum 8. April 2014 soll der Gesetzentwurf zur Reform des EEG vorliegen. Direkt im Anschluss an die Billigung durch das Kabinett soll das Gesetz in den Bundestag eingebracht werden. Wenn es bis zum Sommer nicht gelingt, die Reform europarechtskonform unter Dach und Fach zu bekommen, verliert die deutsche Schwerindustrie ihre EEG-Rabatte.

Die Förderung der erneuerbaren Energien und die Senkung der CO2-Emissionen ist darüber hinaus ein dauerhaft relevantes Thema.

2. Die journalistische Darstellung des Themas ist gelungen. (VERSTÄNDLICHKEIT/VERMITTLUNG)

Der Text hat eine klare Struktur. Er ist verständlich und sachlich geschrieben. Unschön ist allerdings der Anfang mit einem Bandwurmsatz.

3. Die Fakten sind richtig dargestellt. (FAKTENTREUE)

Bis auf die in Kriterium 2 bemängelte kleine Unkorrektheit bei der Höhe der EEG-Umlage sind uns keine Faktenfehler aufgefallen.

Umweltjournalistische Kriterien: 9 von 10 erfüllt

Allgemeinjournalistische Kriterien: 3 von 3 erfüllt

Title

Kriterium erfüllt

Kriterium nicht erfüllt

Kriterium nicht anwendbar