Bewertet am 7. Februar 2014
Veröffentlicht von: Bayerischer Rundfunk

Der TV-Beitrag, der in der Abendschau des Bayrischen Rundfunks gesendet wurde, befasst sich mit den Folgen des Winterwetters für die Natur. Es werden eine Studie der TU München zu Gehölzen und Beobachtungen des Landesbundes für Vogelschutz vorgestellt. Die beiden Teile des Beitrags sind dabei nur recht lose verbunden.

Zusammenfassung

Der Beitrag erläutert, wie Bäume und Sträucher auf Temperaturen und Tageslänge reagieren und schildert die Folgen des milden Winterwetters für die heimische Vogelwelt. Beobachtungen werden sachlich geschildert, die Herkunft von Zahlen und Fakten jedoch nicht ausreichend erläutert. Es kommen zwei Protagonisten zu Wort, die ihre Beobachtungen gut verständlich vorstellen. Leider gelingt es jedoch nicht, die beiden Aspekte des Themas miteinander zu verknüpfen. Es fehlt eine räumliche und zeitliche Einordnung. Die naheliegende Frage nach dem Zusammenhang mit den Klimawandel bleibt unausgesprochen im Hintergrund.

Hinweis: Der Originalbeitrag ist online nicht mehr abrufbar.

Title

Umweltjournalistische Kriterien

1. KEINE VERHARMLOSUNG/ PANIKMACHE: Umweltprobleme werden weder bagatellisiert noch übertrieben dargestellt.

Der Beitrag referiert sachlich die Ergebnisse einer Studie und berichtet über die Folgen des milden Winters auf die Vogelwelt. Die Einschätzung der Befunde und Beobachtungen bleiben im Wesentlichen der Expertin von der TU München und dem Artenschutzbeauftragten des Landesbundes für Vogelschutz überlassen. Die Öko-Klimatologin Annette Menzel verweist darauf, dass ein milder Winter mit späten Frosteinbrüchen manche Pflanzen stärker beeinträchtigt als andere, und stellt fest, dass sich dementsprechend zeigen wird, welche Pflanzen bei einem in Zukunft vielleicht häufigeren extremen Verlauf des Winters im Vorteil sein werden. Ökologische Veränderungen werden also thematisiert, aber es wird deutlich, dass eine positive oder negative Bewertung zumindest zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht möglich ist. Auch Andreas von Lindeiner vom Landesbundes für Vogelschutz (LBV) äußert sich recht nüchtern über die Vorteile und die Risiken einer frühen Brut bei vorzeitig frühlingshaftem Wetter.

2. BELEGE/ EVIDENZ: Studien, Fakten und Zahlen werden so dargestellt, dass deren Aussagekraft deutlich wird.

Die Ergebnisse der TU-Studie werden im Film, selbst gemessen an einem TV-Format, äußerst verknappt dargestellt. Dabei wird klar, dass es sich um einen Laborversuch mit 36 Baum- und Straucharten in einer Klimakammer handelt; exemplarisch werden zwei Arten genannt. Zuschauerinnen und Zuschauer erfahren, dass verschiedene Bäume und Sträucher unterschiedlich stark auf Frost, Temperaturanstieg und Tageslänge als Zeitgeber reagieren und somit unterschiedliche ökologische Strategien haben. Inwieweit solche Laborstudien etwas über die tatsächlich herrschenden Verhältnisse in der Natur aussagen, thematisiert der Film nicht.

Bezüglich der Auswirkungen des milden Winters auf die Vögel heißt es, bei der Vogelzählung seien „20 Prozent weniger heimische Vögel in Gärten gesichtet“ worden. Unklar bleibt: Wer hat wo und auf welche Art gezählt? Auf wie vielen Fällen beruhen die Zahlen, für welchen Zeitraum und welche Region gelten sie? Es wird nicht klar, dass es sich um eine vom LBV initiierte Zählung „Stunde der Wintervögel“ handelt. Auch wird nicht hinterfragt, inwieweit diese Zählungen überhaupt verlässlich und repräsentativ sind. Für das frühe Balzverhalten der Vögel nennt der Beitrag vereinzelte Beobachtungen von LBV-Mitgliedern. Er macht nicht klar, wie belastbar diese Aussagen sind. In der Summe werten wir deshalb „knapp nicht erfüllt“.

3. EXPERTEN/ QUELLENTRANSPARENZ: Quellen werden benannt, Interessenkonflikte deutlich gemacht.

In beiden Teilen des Beitrags – TU-Studie über Pflanzen und Auswirkung des milden Winters auf Vögel – nennt der Artikel seine Quellen bzw. lässt eine Autorin der Studie und den Artenschutzbeauftragen des Landesbundes für Vogelschutz zu Wort kommen. Vage bleibt, welche Qualifikation der Artenschutzreferent des LBV hat: Ist er Ornithologe oder Hobby-Vogelzähler? Relevante Interessenkonflikte liegen, soweit für uns erkennbar, nicht vor.

4. PRO UND CONTRA: Die wesentlichen Standpunkte werden angemessen dargestellt.

Bezüglich der Forschungsergebnisse der TU München gibt es, soweit uns bekannt, noch keine konträren Standpunkte, die hätten dargestellt werden müssen. Es handelt sich um eine experimentelle Arbeit auf dem Gebiet der ökologischen Grundlagenforschung. Auch zum Aspekt „Vögel im milden Winter“ sind für uns keine bedeutenden Kontroversen erkennbar; daher wenden wir dieses Kriterium hier nicht an.

Dass in diesem Rahmen nicht darüber spekuliert wird, wie die Ergebnisse im Kontext des Klimawandels zu interpretieren sind, sehen wir einerseits positiv: Die vorgestellten Labor- und Freilandbeobachtungen erlauben dazu keine Aussage. Andererseits werden viele Zuschauerinnen und Zuschauer die Frage „Was bedeutet das im Hinblick auf den Klimawandel“ im Hinterkopf haben – aus dieser Perspektive lässt der Beitrag sie damit allein. Hier wäre zumindest der Hinweis nützlich gewesen, dass die vorgestellten Arbeiten für sich genommen nichts über den Klimawandel aussagen – siehe dazu Kriterium 9.

5. Der Beitrag geht über die PRESSEMITTEILUNG/ das Pressematerial hinaus.

Im Fall der TU-Studie geht der Beitrag definitiv über die knappe Pressemitteilung hinaus. Die Haupt-Autorin kommt ausführlich mit weiterführenden Erläuterungen zu den Versuchen zu Wort. Im zweiten Filmteil über die Vögel lehnt sich der Beitrag inhaltlich stark an einen Webbeitrag des LBV an und bleibt sogar hinter dessen Informationstiefe zurück. Der im Artikel zitierte Experte ist auch der Experte im Film, und er äußert sich in ganz ähnlicher Weise. Alles in Allem werten wir noch „knapp erfüllt“.

6. Der Beitrag macht klar, wie ALT oder NEU ein Umweltproblem, eine Umwelttechnik, ein Regulierungsvorschlag o.ä. ist.

Im Beitrag es geht um die Ausprägung des diesjährigen Winterwetters und deren Folgen für die Natur. Inwieweit die von der Expertin angesprochenen späten Frosteinbrüche in den letzten Jahren/Jahrzehnten gehäuft auftreten, bleibt unklar. Auch werden die Forschungsergebnisse nicht eingeordnet – was genau ist daran neu, was wusste man bisher schon? (Dass Pflanzen sich teils an der Temperatur, teils an der Tageslänge orientieren, ist ja keine ganz neue Erkenntnis.) Zu den Vögeln gibt der Film keinen Hinweis, ob andauernde sehr milde Wintertemperaturen mit entsprechend frühen Brutversuchen „schon immer“ ein Phänomen waren oder ob diese neuerdings gehäuft auftreten. Wie alt oder neu die Thematik ist, wird nicht deutlich.

7. Der Beitrag nennt - wo möglich - LÖSUNGSHORIZONTE und HANDLUNGSOPTIONEN.

Lösungshorizonte oder Handlungsoptionen gibt es bei diesem Thema kaum. Die Wintertemperaturen lassen sich nicht durch konkrete Maßnahmen beeinflussen. Da kein Zusammenhang mit dem Klimawandel hergestellt wird (und auch unklar ist, ob er überhaupt gegeben ist), entfällt auch dieser Ansatz. In der Pressemitteilung des LBV werden Tipps gegeben ob bzw. wie man bei dem milden Winterwetter Vögel füttern sollte, dieser „Serviceaspekt“ ist aber nach unserem Dafürhalten für den Filmbeitrag inhaltlich nicht zwingend.

8. Die RÄUMLICHE DIMENSION (global/lokal) wird dargestellt.

Die räumliche Dimension bleibt in diesem Film weitgehend außen vor. Zur TU-Studie ist nur von „36 Baumarten“ die Rede, die untersucht werden, vorgestellt werden Buche und Hasel. Man geht also davon aus, dass es sich um die „heimische“ (mitteleuropäische?) Pflanzenwelt handelt, bekommt aber keine direkte Information dazu. Welche Relevanz die Ergebnisse für verschiedene Lebensräume in anderen geographischen Gebieten haben, bleibt offen. Auch im zweiten Filmteil über die Vögel wird kein räumlicher Bezug hergestellt. Geht es speziell um Beobachtungen im Senderaum Bayern? Dass es sich bei der zitierten NGO um den Landesbund für Vogelschutz BAYERN handelt (und damit z.B. die Zahlen der erwähnten Vogelzählung vermutlich auf Bayern beschränkt sind), wird nicht erwähnt. Es wird kein Bezug hergestellt zum Winterwetter im Rest von Deutschland, in Europa oder gar den USA (deren Osten in diesem Winter von einer Kältewelle und extremem Schneefall heimgesucht wurde). Auch wenn es sich um einen Beitrag in einem Regionalmagazin handelt, wäre hier eine kurze räumliche Einordnung zu erwarten.

9. Die ZEITLICHE DIMENSION (Nachhaltigkeit) wird dargestellt.

Der Film schafft keinen zeitlichen Kontext, es geht um „die Temperaturen im Winter“ allgemein bzw. den diesjährigen Winter. Weder bei der Beleuchtung der Studienergebnisse der TU München noch beim Thema Vögel im warmen Winter gibt er einen Hinweis, ob es sich dabei noch um „normale“ Wetterschwankungen handelt, oder ob dies seltene Extreme sind. Wie häufig sind derart warme Winter? Es sollte zumindest kurz auch die naheliegende Frage thematisiert werden, ob hier Auswirkungen des Klimawandels spürbar werden, ob sich solche Wetterlage womöglich künftig häufen werden – und sei es nur mit dem Hinweis, dass sich diese Frage derzeit nicht abschließend beantworten lässt.

10. Der politische/ wirtschaftliche/ soziale/ kulturelle KONTEXT (z.B. KOSTEN) wird einbezogen.

Der Beitrag stellt weder die unterschiedliche Reaktion verschiedener Pflanzen noch der Vögel auf die Wintertemperaturen in irgendeinen politischen, wirtschaftlichen oder sozio-kulturellen Kontext. Dabei wäre dieser zumindest bei den Gehölzen naheliegend: Welche wirtschaftlichen Schäden an Obsthölzern und Ziersträucher könnten auftreten, welche Folgen hat das z.B. für Gärtnereien? Sind langfristig auch Einflüsse auf die Forstwirtschaft zu erwarten? Bei den Vögeln sind indirekte Folgen denkbar (schlechterer/besserer Bruterfolg bestimmter Arten wirkt sich auf die Kontrolle von Schadinsekten aus). Da mögliche Kosten durch eine Veränderung der Tier- oder Pflanzenwelt nicht zumindest an einem Beispiel thematisiert werden, werten wir „nicht erfüllt“.

Allgemeinjournalistische Kriterien

1. Das THEMA ist aktuell, relevant oder originell. (THEMENAUSWAHL)

Das zum Zeitpunkt der Sendung ungewöhnlich warme Winterwetter bietet einen aktuellen, wenngleich nicht sonderlich originellen Anlass zur Berichterstattung. Mit der erst kürzlich publizierte TU-Studie gibt es einen weiteren aktuellen Grund für die Themenwahl, der dem „alle Jahre wieder“-Eindruck etwas entgegensetzt. Auch die sichtbaren Auswirkungen des Wetters auf die Natur (weniger Vögel am Futterhaus) dürften viele Menschen interessieren.

2. Die journalistische Darstellung des Themas ist gelungen. (VERSTÄNDLICHKEIT/VERMITTLUNG)

Der Film vermittelt seine Informationen in beiden Teilen (Gehölz-Studie und Vögel) anschaulich und verständlich, obwohl es sich v. a. im ersten Teil um recht komplexe Zusammenhänge handelt. Die Experten sind eloquent, die angeführten Beispiele (Pflanzen: Buche und Hasel; Vögel: brütende Meisen) illustrieren das Thema auf eingängige und ansprechende Weise. Ein Schwachpunkt ist die Zweiteilung des Themas: Im ersten Teil geht es um ökologische Grundlagenforschung und die Reaktion von Bäumen auf die Temperaturverhältnisse im Winter. Im zweiten Teil konkret um den diesjährigen Winter und das Verhalten der heimischen Vögel. Die Verbindung der beiden Teile gelingt nur unzureichend.

3. Die Fakten sind richtig dargestellt. (FAKTENTREUE)

Uns sind keine fachlichen Fehler aufgefallen.

Umweltjournalistische Kriterien: 3 von 8 erfüllt

Allgemeinjournalistische Kriterien: 3 von 3 erfüllt

Title

Kriterium erfüllt

Kriterium nicht erfüllt

Kriterium nicht anwendbar