Bewertet am 20. Februar 2014
Veröffentlicht von: WDR
Der Radiobeitrag aus der Sendung „Westblick“ des WDR 5 beschäftigt sich mit den Risiken der gentechnisch veränderten Maissorte 1507 für die Umwelt. Die Kontroverse um die Zulassung des Anbaus in der EU wird dabei nur in Umrissen erkennbar, spezifische Argumente zur aktuellen Debatte fehlen weitgehend.

Zusammenfassung

Aktueller Anlass für den Beitrag zum Gentech-Mais 1507 ist die zum Sendetermin kurz bevorstehende Entscheidung über den Anbau dieser Maissorte in der EU sowie eine Diskussion im Deutschen Bundestag über die Frage, wie sich die Bundesregierung in dieser Frage verhält. Damit greift der Beitrag ein relevantes und aktuelles Thema auf, das in der Öffentlichkeit seit vielen Jahren diskutiert wird. Verschiedene Positionen kommen zu Wort. Dabei wiederholt der Beitrag jedoch vor allem altbekannte Argumente zum Thema Grüne Gentechnik, ohne dass diese systematisch hinterfragt oder die Gesprächspartner mit Gegenargumenten konfrontiert werden.

Eine vertiefte Recherche zum aktuellen Anlass ist nicht zu erkennen, konkreten Fragen zum Mais 1507 geht der Beitrag nicht nach. Weitgehend ausgeblendet bleibt die aktuelle Kontroverse um das Abstimmungsverhalten der Bundesregierung in der EU. Auch die wissenschaftlichen Argumente für und wider den Anbau von Mais 1507 und dessen ökologische Risiken werden nur sehr oberflächlich angerissen. Es entsteht zudem etwas der Eindruck, als herrsche zumindest in der Wissenschaft Einigkeit.

Hinweis: Der Originalbeitrag ist online nicht mehr abrufbar. 

Title

Umweltjournalistische Kriterien

1. KEINE VERHARMLOSUNG/ PANIKMACHE: Umweltprobleme werden weder bagatellisiert noch übertrieben dargestellt.

Der Radiobeitrag berichtet über ein kontroverses Thema: die kurz nach dem Sendetermin anstehende Entscheidung über den Anbau der gentechnisch veränderten Maissorte 1507 in der EU. Er beschäftigt sich mit den Risiken dieser Pflanzensorte für die Umwelt. Dabei kommen Vertreter unterschiedliche Positionen zu Wort, wobei auf Seiten der Wissenschaft allerdings nur Befürworter, auf Seiten der Landwirte und Verbraucher nur Gegner auftreten. Es entsteht so leicht der Eindruck, als seien Pro- und Contra-Argumente auf diese beiden Lager verteilt (als ob es z.B. nicht auch kritische Wissenschaftler gäbe). Der Beitrag selbst sich hält mit einer Bewertung zurück, es bleibt den Hörerinnen und Hörern weitgehend selbst überlassen, welche Darlegungen sie überzeugender finden. Am Schluss allerdings geht die Distanz etwas verloren, da bei der Darstellung von Argumenten auf indirekte Rede verzichtet wird.

2. BELEGE/ EVIDENZ: Studien, Fakten und Zahlen werden so dargestellt, dass deren Aussagekraft deutlich wird.

Die verschiedenen Argumente, die im Beitrag genannt werden, stammen von den Interviewpartnern. Wissenschaftliche Studien oder andere fachliche Belege werden nicht angeführt. Insgesamt bleibt der Beitrag bei der Begründung der Positionen recht oberflächlich und zum Teil irreführend. Ein Beispiel: Ein Bio-Bauer wird interviewt, der sich gegen die  Anbauzulassung von Mais 1507 ausspricht, u.a. weil er nicht jedes Jahr Gebühren für die patentierte Sorte zahlen will. Doch Bio-Bauern dürfen aufgrund der Vorgaben des biologischen Landbaus ohnehin keine gentechnisch veränderten Pflanzensorten anbauen, er wäre also in dieser Hinsicht nicht betroffen. Der interviewte Wissenschaftler argumentiert auf so allgemeine Weise pro Gentechnik, dass die Aussagekraft und Relevanz seiner Äußerungen vage bleibt. Kein Argument wird nachvollziehbar vertieft.

Unpräzise ist die Angabe, der Gen-Mais würde u.a. wegen seiner gentechnisch erzeugten Resistenz gegen „ein bestimmtes Pflanzenschutzmittel“ zum Einsatz kommen. Hier fehlt die Information, dass die Verwendung des betreffenden Herbizids (Glufosinat) in Europa nur noch eingeschränkt erlaubt ist; in Deutschland ist es beim Maisanbau seit November 2013 nicht mehr zugelassen. Die in der Pflanze vorhandene Herbizid-Resistenz ist in diesem Fall als Markierung eingebaut, um die Pflanzenzellen im Labor von anderen unterscheiden zu können. Die Herbzidresistenz landwirtschaftlich zu nutzen (nämlich durch Verwendung des entsprechenden Unkrautvernichtungsmittels) ist in diesem Fall weder beantragt worden noch wäre das derzeit erlaubt.

Wenig gelungen ist auch der Schluss mit dem pauschalen Verweis darauf, dass Gentechnik an anderer Stelle schon etabliert ist, ohne zu hinterfragen, ob es sich hier um vergleichbare Einsatzgebiete und Risiken handelt.

3.EXPERTEN/ QUELLENTRANSPARENZ: Quellen werden benannt, Interessenkonflikte deutlich gemacht.

Der Radiobeitrag stützt sich auf die Aussagen von drei Interviewpartnern (Bio-Bauer, Vertreterin des Westfälischen Bauernverbandes, Wissenschaftler von der Universität Düsseldorf), weitere Quellen werden nicht genannt. Über die Kompetenzen oder Interessenlagen der Experten fehlen jegliche Informationen. Der Einstieg mit den Äußerungen eines Landwirtes ist zwar dramaturgisch gelungen, gleichzeitig suggeriert der Beitrag aber: Landwirte dagegen, Wissenschaftler dafür (siehe auch Kriterium 1). Auch erfährt man nicht, ob der befragte Bio-Bauer bereits Erfahrungen mit Gentechnik-Feldern in seiner Nachbarschaft gehabt hat, oder warum sonst gerade er befragt wird.

Gleiches gilt für den Düsseldorfer Biologen, der pro Gentechnik argumentiert. Welche Kompetenz ihn auszeichnet, ob er sich mit den Risiken von gentechnisch veränderten Organismen wissenschaftlich befasst hat, bleibt im Beitrag unklar. Vor allem aber fehlt hier die wichtige Information, dass der zitierte Forscher Peter Westhoff nicht nur Universitätsprofessor ist, sondern eng mit dem Biotechnologieunternehmen Kleinwanzlebener Saatzucht AG kooperiert, das u.a. Maissaatgut entwickelt und in der Grünen Gentechnik tätig ist (siehe z.B. hier).

4.PRO UND CONTRA: Die wesentlichen Standpunkte werden angemessen dargestellt.

Der Beitrag stellt durch mehrere O-Töne die unterschiedlichen Positionen zur Gentechnik dar, es werden Argumente pro und contra genannt. Allerdings beziehen die aufgeführten Argumente sich nicht aufeinander – und zeichnen zudem Schwarz-Weiß-Lager aus Gegnern (Landwirte, Verbraucher) und Befürwortern (Wissenschaftler): Der Landwirt erwähnt in sehr allgemeiner Form Resistenz-Probleme in Brasilien, ohne dass erläutert wird, woher die Informationen stammen. Eine Vertreterin des Bauernverbandes in NRW spricht über ein ökonomisches Risiko: Bauern, die Gentech-Organismen anbauen, haften dafür, wenn sich diese z.B. in Bioprodukten nachweisen lassen. Der befragte Wissenschaftler äußert sich nicht spezifisch zu der umstrittenen Maissorte, sondern nur allgemein zur grünen Gentechnik, die helfen könne, Ernährungsprobleme zu lösen.

Insgesamt werden die aktuell diskutierten Probleme nur sehr unvollkommen wiedergegeben. Führt der Einsatz von Gentechnik-Sorten zu einem Verlust von Artenvielfalt auf den landwirtschaftlich genutzten Flächen? Ist der Einsatz von gentechnisch verändertem Mais ökonomisch sinnvoll? Wie wirksam sind die mit der Zulassung verbundenen Kontroll- und Monitoringauflagen? Gibt es neue Erkenntnisse über die gesundheitlichen Folgen des Verzehrs von gentechnisch verändertem Mais?

Die Frage, ob mit Gentech-Mais ökologische oder gesundheitliche Risiken verbunden sind, bleibt weitgehend außen vor. Insgesamt werten wir „knapp nicht erfüllt“.

5. Der Beitrag geht über die PRESSEMITTEILUNG/ das Pressematerial hinaus.

Eine Pressemitteilung, die dem Beitrag zugrunde liegen könnte, haben wir nicht gefunden. Der Beitrag lässt ausführlich drei unterschiedliche Akteure mit kontroversen Positionen zum Thema zu Wort kommen.

6. Der Beitrag macht klar, wie ALT oder NEU ein Umweltproblem, eine Umwelttechnik, ein Regulierungsvorschlag o.ä. ist.

Es wird klar, dass aktuell eine Entscheidung über die Anbauzulassung von Mais 1507 in der EU ansteht. Auch wird deutlich, dass über die Zulassung des Anbaus von Mais 1507 bereits seit 12 Jahren in der EU diskutiert wird.

7. Der Beitrag nennt – wo möglich – LÖSUNGSHORIZONTE und HANDLUNGSOPTIONEN.

Der Radiobeitrag erwähnt mögliche Problemlösungen und Handlungsoptionen nur eingeschränkt. Zwar führt die Vertreterin des Bauernverbandes aus, dass Schädlinge sich auch anders bekämpfen lassen („Wir brauchen diese Sorte hier nicht mit dieser Ausstattung. Sie ist ja wie ein Pflanzenschutzmittel, sie wirkt gegen einen bestimmten Schädling. Und der ist mit pflanzenbaulichen Maßnahmen auch sehr gut in den Griff zu bekommen,…“)

Kurz vor der EU-Entscheidung über Mais 1507 wären aber vor allem die politischen Handlungsoptionen wichtig gewesen: So wird nicht erklärt, was es bedeutet, wenn sich die Bundesregierung in der EU für oder gegen die Anbauzulassung von Mais 1507 ausspricht oder sich enthält. Wird die Sorte zugelassen, wenn sich Deutschland enthält oder dagegen stimmt, oder nicht? Welchen Einfluss haben die Nationalstaaten bei dieser Entscheidung?

Zusätzlich hätte die Frage angesprochen werden können, ob sich mögliche Umweltrisiken von Mais 1507 durch mit der Zulassung verbundene Auflagen begrenzen lassen. Was bedeutet es, wenn ein Monitoring organisiert werden muss? Wie wirkungsvoll sind vorgeschriebene Anbauflächen von konventionellem Mais, um Resistenzen bei Schädlingen zu verhindern? Daher werten wir „knapp nicht erfüllt.“

8. Die RÄUMLICHE DIMENSION (global/lokal) wird dargestellt.

In dem Beitrag wird deutlich, dass es sich um eine gentechnisch veränderte Maissorte handelt, die in der EU zugelassen werden soll und gegebenenfalls auch im Sendegebiet NRW angebaut werden könnte. Erfahrungen in anderen Ländern (Brasilien) werden erwähnt.

Doch fehlen wichtige Informationen zur räumlichen Dimension, die bei der Diskussion um Mais 1507 eine Rolle spielen: So wird die Entscheidungsmacht der Nationalstaaten nicht angesprochen (siehe auch Kriterium 7), und es wird nicht erklärt, ob es bei Mais 1507 die Möglichkeit von nationalen Anbauverboten gibt oder nicht. Der Beitrag macht keine Angaben dazu, wo dieser Mais bereits zugelassen ist und angebaut wird, und es wird nicht erwähnt, dass Produkte aus dieser Maissorte längst in die EU eingeführt werden dürfen, da sie als Lebens- und Futtermittel zugelassen sind.

9. Die ZEITLICHE DIMENSION (Nachhaltigkeit) wird dargestellt.

Der Beitrag macht zumindest in Ansätzen deutlich, dass sich beim Anbau von gentechnisch verändertem Mais im Lauf der Zeit Probleme ergeben könnten (Entwicklung von Resistenzen). Weitere Fragen dazu, was die Einführung von Gentech-Mais langfristig bedeuten könnte, werden allerdings nicht gestellt. Wie sieht es mit der Rückholbarkeit aus, wenn sich Nachteile herausstellen sollten? Könnte Gentech-Mais auskreuzen, wie es beim Gentech-Raps zu beobachten ist, oder nicht? Werden Langzeitstudien zu Risiken unternommen?

Auf der politischen Ebene wird der Zeithorizont genannt (Diskussion auf EU-Ebene seit 12 Jahren). Auch wird kurz angesprochen, dass Gentech-Sorten in anderen Ländern wie Brasilien schon seit vielen Jahren angebaut werden. Wir werten noch „knapp erfüllt“.

10. Der politische/ wirtschaftliche/ soziale/ kulturelle KONTEXT(z.B. KOSTEN) wird einbezogen.

Der Beitrag geht nicht darauf ein, welche wirtschaftlichen Erwartungen mit Mais 1507 verbunden sind –  weder wer davon profitiert, welche Firmen ihn hergestellt haben, noch welche wirtschaftlichen Folgen damit verbunden sein könnten.

Der Kostenaspekt wird nur am Rande behandelt, wo es um den Patenthalter geht. Ob ein Landwirt durch weniger Agrochemie und /oder mehr Ertrag wirtschaftliche Vorteile durch Gentech-Mais hätte, wäre interessant gewesen.

Auch der politische Kontext wird gar zu knapp angesprochen. Erläuterungen zu den politischen Fronten, die über die Benennung der unschlüssigen CDU-Position hinaus gehen, wären hier wichtig gewesen, insbesondere eine Erläuterung des Streits in der EU. Weiter fehlen wichtige Hintergrundinformationen zur Auseinandersetzung zwischen den USA und der EU um die Zulassung von gentechnisch veränderten Organismen, nicht zuletzt auch im Rahmen der Diskussionen um ein Freihandelsabkommen.

Allgemeinjournalistische Kriterien

1. Das THEMA ist aktuell, relevant oder originell. (THEMENAUSWAHL)

Das Thema ist durch die bevorstehende Zulassung von Mais 1507 in der EU aktuell und relevant.

2. Die journalistische Darstellung des Themas ist gelungen. (VERSTÄNDLICHKEIT/VERMITTLUNG)

Der Beitrag ist sprachlich gut verständlich, die Auswahl von Interviewpartnern aus verschiedenen Bereichen – Landwirtschaft und Wissenschaft – ist im Grundsatz sinnvoll. Auch der Einstieg mit den Äußerungen des Landwirts klingt zunächst interessant. Indes tragen die O-Töne im Verlauf des Beitrags kaum zu einem wirklichen Verständnis der Kontroverse um Mais 1507 bei – hier fehlt jedes intensive Nachfragen. Sinnvoller wäre es gewesen, die Gesprächspartner mit den Argumenten der jeweils anderen Seite oder weiteren Vertretern innerhalb der Gruppen zu konfrontieren, statt unterschiedliche Statements beziehungslos nebeneinander zu stellen. Die aktuelle Diskussion wird lediglich zum Anlass genommen, altbekannte Argumente pro und contra Grüne Gentechnik aufzulisten. Alle konkreten und aktuellen Diskussionen um Mais 1507 bleiben außen vor.

3. Die Fakten sind richtig dargestellt. (FAKTENTREUE)

Anders als der Beitrag suggeriert, spielt die Herbizidresistenz von Mais 1507 in der EU derzeit keine Rolle, da nicht beantragt und nicht Gegenstand der Zulassung, siehe dazu journalistisches Kriterium 2. Darüber hinaus sind uns keine Faktenfehler aufgefallen.

Umweltjournalistische Kriterien: 4 von 10 erfüllt

Allgemeinjournalistische Kriterien: 2 von 3 erfüllt

Title

Kriterium erfüllt

Kriterium nicht erfüllt

Kriterium nicht anwendbar