Bewertet am 23. Dezember 2013
Veröffentlicht von: taz - die tageszeitung

Der Artikel, der in der taz erschienen ist, berichtet über eine aktuelle Untersuchung von Greenpeace, in der Outdoor-Kleidungsstücke von mehreren Herstellern darauf untersucht wurde, ob sie per- und polyfluorierte Chemikalien (PFC) enthalten und PFC in die Raumluft ausgasen. Bei nicht vorinformierten Leserinnen und Lesern entsteht möglicherweise der Eindruck, als wären die gemessenen Werte in der Kleidung gefährlich für ihre Gesundheit, obwohl dazu keine gesicherten Erkenntnisse vorliegen.

Zusammenfassung

Der Beitrag beschäftigt sich mit einem relevanten Umweltproblem: In einer aktuellen Untersuchung der Umweltschutzorganisation Greenpeace wurden zum wiederholten Male verschiedene bedenkliche und umweltschädliche Substanzen aus der Gruppe der per- und polyfluorierten Chemikalien (PFC) in Outdoor-Kleidung gefunden. Der Artikel lässt neben der Umweltorganisation einen Vertreter des Umweltbundesamtes zu Wort kommen sowie einen Vertreter der kritisierten Hersteller. Er geht damit deutlich über die Pressemitteilung hinaus. Verschiedene Lösungsmöglichkeiten und Handlungsoptionen werden aufgezeigt, allerdings nicht immer so, dass Leserinnen und Leser diese wirklich gut beurteilen können. Auch wird nicht deutlich, ob und wie sich die Lage seit früheren Messungen verändert hat.

Problematisch finden wir, dass weder die Folgen für Gesundheit  und Umwelt angemessen erläutert werden, noch das Ausmaß der regionalen und überregionalen Belastung näher beschrieben wird. Ferner macht der Beitrag nicht deutlich, ob die in der Natur gefundenen PFC ausschließlich aus der Produktion von Outdoor-Kleidung stammen, oder ob es noch andere wesentliche Quellen gibt. Dass PFC vor allem bei der Produktion in die Umwelt gelangen, und nicht beim Tragen der Kleidung, bleibt unerwähnt. Wirtschaftliche Aspekte fehlen.

Title

Umweltjournalistische Kriterien

1. KEINE VERHARMLOSUNG/ PANIKMACHE: Umweltprobleme werden weder bagatellisiert noch übertrieben dargestellt.

Der Artikel gibt korrekt wieder, dass sich PFC der Untersuchung zufolge in allen untersuchten Bekleidungsstücken nachweisen ließen. Korrekt ist auch, dass dies als eine problematische Klasse von Substanzen angesehen wird, weil diese Chemikalien sich in der Natur schwer oder gar nicht abbauen und in der Nahrungskette anreichern. Von einigen der vielen unter dem Oberbegriff PFC zusammengefassten Substanzen ist zudem bekannt, dass sie im Tierversuch fruchtschädigend sind, das Hormonsystem beeinflussen, die Leber schädigen können und auch unter dem Verdacht stehen, krebsauslösend zu wirken. Dies ist nach derzeitigem Stand des Wissens allerdings nur für einige wenige PFC mit Sicherheit erwiesen, dazu gehören die Substanzen Perfluoroktansäure (PFOA) und Perfluoroktansulfonsäure (PFOS). Die übrigen PFC gelten entweder als weniger gefährlich oder sind noch zu wenig untersucht, um ihre Wirkung sicher abschätzen zu können. Im Artikel wird hier nicht ausreichend differenziert. Es ist pauschal von „Gift“ (in der Überschrift) bzw. von „giftigen Chemikalien“ und Gesundheitsgefahren die Rede, und die Luft im Verkaufsraum eines Outdoorkleidungsgeschäfts wird als bedrohlich beschrieben, ohne dass der Beitrag dazu konkrete Erkenntnisse präsentiert. Insgesamt unterscheidet der Artikel nicht deutlich genug zwischen ökologischen Langzeitfolgen und einer unmittelbaren Giftwirkung auf den Menschen. „Für Menschen gibt es kein Gesundheitsproblem“ schreibt das Umweltbundesamt in einer aktuellen Erklärung, die anlässlich des Greenpeace-Berichtes erschienen ist.

Auch wenn wir den Vorsorgegedanken bei der Berichterstattung grundsätzlich für wichtig halten, sollte man mit der Warnung vor unklaren Gesundheitsgefahren vorsichtig umgehen, auch um Leserinnen und Leser nicht abzustumpfen. Daher werten wir „knapp nicht erfüllt“.

2. BELEGE/ EVIDENZ: Studien, Fakten und Zahlen werden so dargestellt, dass deren Aussagekraft deutlich wird.

Der Artikel gibt die Analyseergebnisse der Greenpeace-Studie nur oberflächlich wieder. Es wird lediglich beschrieben, wie viele Unternehmen getestet wurden (wenngleich diese Angabe im Artikel falsch ist; siehe dazu journalistisches Kriterium 3), welche Produkte „besonders belastet“ waren und welche nur „bedenkliche Konzentrationen“ enthielten. Welcher Maßstab hier angelegt wurde, in welchen Mengen PFC gefunden wurden und welche Substanzen dies im Einzelnen waren, wird nicht vermittelt.

Dass neben dem Nachweis von PFC auf der Kleidung auch das Ausgasen von PFC in die Raumluft untersucht wurde, wird nicht erwähnt, obwohl dies beim Einstieg („dicke Luft“) nahegelegen hätte.
Der Beitrag erklärt auch nicht, wie die Ergebnisse zustande kamen. Laut Greenpeace-Bericht wurden 17 Kleidungsstücke von insgesamt 12 Herstellern untersucht. Wie repräsentativ diese Messwerte für Outdoorbekleidung im Allgemeinen sind,  diskutiert der Artikel nicht. Insgesamt fehlen konkrete Zahlen dazu, wie hoch die ermittelten Belastungen waren und ob dabei Grenz- oder Richtwerte überschritten wurden.

3.EXPERTEN/ QUELLENTRANSPARENZ: Quellen werden benannt, Interessenkonflikte deutlich gemacht.

Es wird klar, dass es sich bei der Studie um eine Untersuchung der Umweltschutzorganisation Greenpeace handelt. Zwar erwähnt der Artikel nicht, welche Laboratorien die Messungen durchgeführt haben, doch halten wir dies für nicht gravierend. Neben einem Greenpeace-Vertreter kommt ein Wissenschaftler des Umweltbundesamtes mehrfach zu Wort. Auch die Argumentation eines Herstellers, warum die Stoffe trotz der bekannten Probleme eingesetzt werden, wird wiedergegeben.

4.PRO UND CONTRA: Die wesentlichen Standpunkte werden angemessen dargestellt.

Der Artikel benennt einerseits die Nachteile der PFC,  andererseits lässt er zu der Frage, warum die Industrie den Einsatz für PFC noch für erforderlich hält, einen der kritisierten Hersteller zu Wort kommen. („Bis heute seien sie nahezu unerlässlich, um Wasser-, Öl- und Schmutzabweisung in verschiedensten Anwendungen zu gewährleisten‘“). Gerne hätte man drüber hinaus erfahren, warum die Bekleidungshersteller nicht stärker auf Alternativen setzen. Außerdem wird klar, dass kurzkettige PFC eine umstrittene Problemlösung sind. Die unter Wissenschaftlern geführte Kontroverse, wie gefährlich die verschiedenen PFC in welchen Konzentrationen für die Umwelt und den Menschen sind, wird damit zumindest angedeutet. Weitere Informationen zu dieser Debatte wären interessant gewesen, für diesen nicht allzu umfangreichen Text werten wir aber noch „erfüllt“.

5. Der Beitrag geht über die PRESSEMITTEILUNG/ das Pressematerial hinaus.

Der Beitrag geht über die Mitteilungen von Greenpeace eindeutig hinaus. Neben der Umweltorganisation, die mit ihrer Studie den Anlass des Berichtes liefert, wurde das Umweltbundesamt befragt. Außerdem kommt ein Vertreter eines kritisierten Unternehmens zu Wort, und es wird auf Aktivitäten der Europäischen Chemikalienagentur verwiesen.

6. Der Beitrag macht klar, wie ALT oder NEU ein Umweltproblem, eine Umwelttechnik, ein Regulierungsvorschlag o.ä. ist.

Der Artikel macht durch zwei Formulierungen („wieder einmal“, „erneut“) noch hinreichend deutlich, dass sich Greenpeace in der Vergangenheit wiederholt mit Schadstoffen in Outdoorbekleidung beschäftigt hat, das Thema an sich also nicht neu ist. Es wäre allerdings besser gewesen, genauer zu berichten, seit wann das Problem bekannt ist. Auch hätte man gern erfahren, wie sich die aktuellen Tests zu früheren Untersuchungen verhalten, was sich verbessert oder verschlechtert hat (siehe dazu Kriterium 9). So erfahren Leserinnen und Leser beispielsweise nicht, dass im Vergleich zur Greenpeace-Studie von 2012 die PFOA-Belastung in den untersuchten Proben 2013 abgenommen hat. Daher werten wir nur „knapp erfüllt“.

7. Der Beitrag nennt – wo möglich – LÖSUNGSHORIZONTE und HANDLUNGSOPTIONEN.

Es werden verschiedenen Alternativen und Lösungsansätze genannt, wenn auch nicht immer ausreichend beschrieben:

So stellt ein Unternehmen demnächst eine PFOA-freie Outdoorjacke her – ohne dass erklärt wird, wie es die Substanz ersetzt. Ob andere Hersteller bereits Funktionsjacken ohne PFC anbieten, bleibt offen, ebenso welche Alternativen überhaupt für den industriellen Einsatz von PFC existieren. Greenpeace weist in der aktuellen Studie darauf hin, dass es PFC-freie Alternativbekleidungen gibt, die wasserdicht und wasserabweisend sind und stellt die Frage: „Muss die neue Jacke wirklich ölabweisend sein?“ Dies wird im Beitrag nicht thematisiert – ebenso wenig wie die grundsätzliche Option, dass viele Käufer auf spezielle Outdoor-Bekleidung womöglich auch verzichten könnten. Auch fehlt der Hinweis, dass laut Greenpeace-Report „die bisher verwendeten und als schädlich bekannten PFC nicht mehr so häufig eingesetzt werden“.

Als Lösungsweg für potenzielle Käufer, besonders belastetet Outdoor-Kleidung zu meiden, nennt der Artikel die Möglichkeit, bei den Herstellern anzufragen, und verweist auf die die hierfür vom UBA bereitgestellten Formulare. Kurz erwähnt wird außerdem eine App von UBA und BUND, mit der Kunden sich künftig über die Belastung von Textilien informieren können.

Der Beitrag informiert außerdem darüber, dass die Europäische Chemikalienagentur die Verwendung des besonders problematischen PFOA  voraussichtlich einschränken oder verbieten wird.

Dass der US-amerikanische Weg, langkettige durch kurzkettige PFC zu ersetzen, problematisch ist, spricht der Beitrag ebenfalls an. Selbstverpflichtungen der Hersteller werden als wenig aussichtsreicher Weg beschrieben („bislang hat sich wenig getan“).

8. Die RÄUMLICHE DIMENSION (global/lokal) wird dargestellt.

Der Beitrag macht deutlich, dass es sich bei der Anreicherung und Verbreitung von PFC in der Umwelt um ein globales Problem handelt. So erfahren Leserinnen und Leser, dass diese Chemikalien nicht nur in hiesigen Outdoor-Ausrüstungsläden die Luft belasten, sondern auch schon in der Arktis gefunden wurden. Allerdings wird nicht klar, in welchem Maße Outdoorbekleidung zu dieser Belastung beiträgt, und welche anderen Quellen für PFC es weltweit gibt.

Dass die untersuchten Kleidungsstücke in mehreren Ländern und nicht nur in Deutschland eingekauft wurden, erwähnt der Beitrag nicht. Auch fehlt der Hinweis, dass die Belastung der Umwelt mit PFC offenbar an den Produktionsstandorten am größten ist – wie auch der Greenpeace-Bericht besagt – und nicht beim Verbraucher, der die belasteten Produkte kauft. Wir werten daher „knapp erfüllt“.

9. Die ZEITLICHE DIMENSION (Nachhaltigkeit) wird dargestellt.

Der Beitrag macht klar, dass sich die PFC in der Umwelt anreichern, da sie schwer oder gar nicht abgebaut werden. Allerdings bleibt dies die einzige Information zur zeitlichen Entwicklung des Problems.

Wie sich die PFC-Belastung im Laufe der Zeit entwickelt hat, macht der Artikel dagegen nicht transparent. Dabei wäre es für Leserinnen und Leser wichtig gewesen zu erfahren, ob die Belastung von Outdoor-Kleidung zu- oder abgenommen bzw. sich verändert hat – oder ob die gemessenen Chemikalienwerte z.B. das Resultat einer verbesserten Analytik sind. Dass gesetzlich vorgeschriebene Grenzwerte und internationale Regelungen für PFOS zu einer Abnahme der PFOS-Belastung in der Kleidung geführt haben, lässt der Artikel unerwähnt, obwohl Greenpeace im Testbericht auf diesen Umstand hinweist. Daher werten wir „knapp nicht erfüllt“.

10. Der politische/ wirtschaftliche/ soziale/ kulturelle KONTEXT(z.B. KOSTEN) wird einbezogen.

Über den politischen und wirtschaftlichen Kontext des PFC-Problems erfahren Leserinnen und Leser wenig. Es wird lediglich gesagt, dass PFC schwer zu ersetzen seien, aber nicht näher erläutert, warum das so ist. Angesprochen werden können hätten beispielsweise folgende Aspekte: Welche wirtschaftliche Bedeutung haben diese Substanzen, wie gut und wie teuer sind mögliche Alternativen? Wie hat sich die Nachfrage nach  Multifunktionskleidung entwickelt, wurde dadurch der Verbrauch von PFC angekurbelt? Welche anderen Einsatzgebiete hat diese diese Gruppe von Umweltschadstoffen? Ist Outdoorkleidung die größte Quelle? Welche gesundheits- oder umweltbezogenen Folgekosten entstehen durch den Einsatz dieser Stoffe? Da keiner dieser Themenbereiche wenigstens exemplarisch dargestellt wird, werten wir „nicht erfüllt“.

Allgemeinjournalistische Kriterien

1. Das THEMA ist aktuell, relevant oder originell. (THEMENAUSWAHL)

Das Thema ist relevant, da viele Menschen Outdoorkleidung kaufen, die problematische Chemikalien enthalten, und die Umweltfolgen der PFC global wirksam sind. Stoffe der PFC-Gruppe sind Gegenstand vieler Untersuchungen und Diskussionen. Mit dem Bericht von Greenpeace liegt ein aktueller Anlass für die Berichterstattung vor.

2. Die journalistische Darstellung des Themas ist gelungen. (VERSTÄNDLICHKEIT/VERMITTLUNG)

Der Beitrag ist verständlich geschrieben und kommt ohne Fachbegriffe aus. Allerdings hätte noch deutlicher gemacht werden können, dass es sich bei PFC um einen Oberbegriff für eine Vielzahl von Substanzen handelt, die sehr unterschiedlich gefährlich sind. Viele interessante Aspekte werden nur gestreift (Gefährdung der Fortpflanzungsfähigkeit, PFC-Funde in der Arktis), hier fehlen Erklärungen für die Leserinnen und Leser. Wir werten daher nur „knapp erfüllt“.

3. Die Fakten sind richtig dargestellt. (FAKTENTREUE)

Der Beitrag berichtet sowohl in der Unterzeile als auch im Lauftext, es sei Outdoor-Kleidung von 17 Herstellern untersucht worden. Wie viele Kleidungsstücke es insgesamt waren, wird nicht erwähnt. Tatsächlich waren es aber laut Greenpeace-Studie insgesamt 17 Kleidungsstücke von 12 verschiedenen Herstellern. In Anbetracht der insgesamt kleinen Untersuchung ist das  ein relevanter Unterschied.

Umweltjournalistische Kriterien: 6 von 10 erfüllt

Allgemeinjournalistische Kriterien: 2 von 3 erfüllt

Title

Kriterium erfüllt

Kriterium nicht erfüllt

Kriterium nicht anwendbar