Der Artikel, der in der taz erschienen ist, berichtet über eine aktuelle Untersuchung von Greenpeace, in der Outdoor-Kleidungsstücke von mehreren Herstellern darauf untersucht wurde, ob sie per- und polyfluorierte Chemikalien (PFC) enthalten und PFC in die Raumluft ausgasen. Bei nicht vorinformierten Leserinnen und Lesern entsteht möglicherweise der Eindruck, als wären die gemessenen Werte in der Kleidung gefährlich für ihre Gesundheit, obwohl dazu keine gesicherten Erkenntnisse vorliegen.
Zusammenfassung
Der Beitrag beschäftigt sich mit einem relevanten Umweltproblem: In einer aktuellen Untersuchung der Umweltschutzorganisation Greenpeace wurden zum wiederholten Male verschiedene bedenkliche und umweltschädliche Substanzen aus der Gruppe der per- und polyfluorierten Chemikalien (PFC) in Outdoor-Kleidung gefunden. Der Artikel lässt neben der Umweltorganisation einen Vertreter des Umweltbundesamtes zu Wort kommen sowie einen Vertreter der kritisierten Hersteller. Er geht damit deutlich über die Pressemitteilung hinaus. Verschiedene Lösungsmöglichkeiten und Handlungsoptionen werden aufgezeigt, allerdings nicht immer so, dass Leserinnen und Leser diese wirklich gut beurteilen können. Auch wird nicht deutlich, ob und wie sich die Lage seit früheren Messungen verändert hat.
Problematisch finden wir, dass weder die Folgen für Gesundheit und Umwelt angemessen erläutert werden, noch das Ausmaß der regionalen und überregionalen Belastung näher beschrieben wird. Ferner macht der Beitrag nicht deutlich, ob die in der Natur gefundenen PFC ausschließlich aus der Produktion von Outdoor-Kleidung stammen, oder ob es noch andere wesentliche Quellen gibt. Dass PFC vor allem bei der Produktion in die Umwelt gelangen, und nicht beim Tragen der Kleidung, bleibt unerwähnt. Wirtschaftliche Aspekte fehlen.
Umweltjournalistische Kriterien
1. KEINE VERHARMLOSUNG/ PANIKMACHE: Umweltprobleme werden weder bagatellisiert noch übertrieben dargestellt.
Auch wenn wir den Vorsorgegedanken bei der Berichterstattung grundsätzlich für wichtig halten, sollte man mit der Warnung vor unklaren Gesundheitsgefahren vorsichtig umgehen, auch um Leserinnen und Leser nicht abzustumpfen. Daher werten wir „knapp nicht erfüllt“.
2. BELEGE/ EVIDENZ: Studien, Fakten und Zahlen werden so dargestellt, dass deren Aussagekraft deutlich wird.
Dass neben dem Nachweis von PFC auf der Kleidung auch das Ausgasen von PFC in die Raumluft untersucht wurde, wird nicht erwähnt, obwohl dies beim Einstieg („dicke Luft“) nahegelegen hätte.
Der Beitrag erklärt auch nicht, wie die Ergebnisse zustande kamen. Laut Greenpeace-Bericht wurden 17 Kleidungsstücke von insgesamt 12 Herstellern untersucht. Wie repräsentativ diese Messwerte für Outdoorbekleidung im Allgemeinen sind, diskutiert der Artikel nicht. Insgesamt fehlen konkrete Zahlen dazu, wie hoch die ermittelten Belastungen waren und ob dabei Grenz- oder Richtwerte überschritten wurden.
3.EXPERTEN/ QUELLENTRANSPARENZ: Quellen werden benannt, Interessenkonflikte deutlich gemacht.
4.PRO UND CONTRA: Die wesentlichen Standpunkte werden angemessen dargestellt.
5. Der Beitrag geht über die PRESSEMITTEILUNG/ das Pressematerial hinaus.
6. Der Beitrag macht klar, wie ALT oder NEU ein Umweltproblem, eine Umwelttechnik, ein Regulierungsvorschlag o.ä. ist.
7. Der Beitrag nennt – wo möglich – LÖSUNGSHORIZONTE und HANDLUNGSOPTIONEN.
Es werden verschiedenen Alternativen und Lösungsansätze genannt, wenn auch nicht immer ausreichend beschrieben:
So stellt ein Unternehmen demnächst eine PFOA-freie Outdoorjacke her – ohne dass erklärt wird, wie es die Substanz ersetzt. Ob andere Hersteller bereits Funktionsjacken ohne PFC anbieten, bleibt offen, ebenso welche Alternativen überhaupt für den industriellen Einsatz von PFC existieren. Greenpeace weist in der aktuellen Studie darauf hin, dass es PFC-freie Alternativbekleidungen gibt, die wasserdicht und wasserabweisend sind und stellt die Frage: „Muss die neue Jacke wirklich ölabweisend sein?“ Dies wird im Beitrag nicht thematisiert – ebenso wenig wie die grundsätzliche Option, dass viele Käufer auf spezielle Outdoor-Bekleidung womöglich auch verzichten könnten. Auch fehlt der Hinweis, dass laut Greenpeace-Report „die bisher verwendeten und als schädlich bekannten PFC nicht mehr so häufig eingesetzt werden“.
Als Lösungsweg für potenzielle Käufer, besonders belastetet Outdoor-Kleidung zu meiden, nennt der Artikel die Möglichkeit, bei den Herstellern anzufragen, und verweist auf die die hierfür vom UBA bereitgestellten Formulare. Kurz erwähnt wird außerdem eine App von UBA und BUND, mit der Kunden sich künftig über die Belastung von Textilien informieren können.
Der Beitrag informiert außerdem darüber, dass die Europäische Chemikalienagentur die Verwendung des besonders problematischen PFOA voraussichtlich einschränken oder verbieten wird.
Dass der US-amerikanische Weg, langkettige durch kurzkettige PFC zu ersetzen, problematisch ist, spricht der Beitrag ebenfalls an. Selbstverpflichtungen der Hersteller werden als wenig aussichtsreicher Weg beschrieben („bislang hat sich wenig getan“).
8. Die RÄUMLICHE DIMENSION (global/lokal) wird dargestellt.
Dass die untersuchten Kleidungsstücke in mehreren Ländern und nicht nur in Deutschland eingekauft wurden, erwähnt der Beitrag nicht. Auch fehlt der Hinweis, dass die Belastung der Umwelt mit PFC offenbar an den Produktionsstandorten am größten ist – wie auch der Greenpeace-Bericht besagt – und nicht beim Verbraucher, der die belasteten Produkte kauft. Wir werten daher „knapp erfüllt“.
9. Die ZEITLICHE DIMENSION (Nachhaltigkeit) wird dargestellt.
Der Beitrag macht klar, dass sich die PFC in der Umwelt anreichern, da sie schwer oder gar nicht abgebaut werden. Allerdings bleibt dies die einzige Information zur zeitlichen Entwicklung des Problems.
Wie sich die PFC-Belastung im Laufe der Zeit entwickelt hat, macht der Artikel dagegen nicht transparent. Dabei wäre es für Leserinnen und Leser wichtig gewesen zu erfahren, ob die Belastung von Outdoor-Kleidung zu- oder abgenommen bzw. sich verändert hat – oder ob die gemessenen Chemikalienwerte z.B. das Resultat einer verbesserten Analytik sind. Dass gesetzlich vorgeschriebene Grenzwerte und internationale Regelungen für PFOS zu einer Abnahme der PFOS-Belastung in der Kleidung geführt haben, lässt der Artikel unerwähnt, obwohl Greenpeace im Testbericht auf diesen Umstand hinweist. Daher werten wir „knapp nicht erfüllt“.
10. Der politische/ wirtschaftliche/ soziale/ kulturelle KONTEXT(z.B. KOSTEN) wird einbezogen.
Über den politischen und wirtschaftlichen Kontext des PFC-Problems erfahren Leserinnen und Leser wenig. Es wird lediglich gesagt, dass PFC schwer zu ersetzen seien, aber nicht näher erläutert, warum das so ist. Angesprochen werden können hätten beispielsweise folgende Aspekte: Welche wirtschaftliche Bedeutung haben diese Substanzen, wie gut und wie teuer sind mögliche Alternativen? Wie hat sich die Nachfrage nach Multifunktionskleidung entwickelt, wurde dadurch der Verbrauch von PFC angekurbelt? Welche anderen Einsatzgebiete hat diese diese Gruppe von Umweltschadstoffen? Ist Outdoorkleidung die größte Quelle? Welche gesundheits- oder umweltbezogenen Folgekosten entstehen durch den Einsatz dieser Stoffe? Da keiner dieser Themenbereiche wenigstens exemplarisch dargestellt wird, werten wir „nicht erfüllt“.
Allgemeinjournalistische Kriterien
1. Das THEMA ist aktuell, relevant oder originell. (THEMENAUSWAHL)
2. Die journalistische Darstellung des Themas ist gelungen. (VERSTÄNDLICHKEIT/VERMITTLUNG)
3. Die Fakten sind richtig dargestellt. (FAKTENTREUE)
Der Beitrag berichtet sowohl in der Unterzeile als auch im Lauftext, es sei Outdoor-Kleidung von 17 Herstellern untersucht worden. Wie viele Kleidungsstücke es insgesamt waren, wird nicht erwähnt. Tatsächlich waren es aber laut Greenpeace-Studie insgesamt 17 Kleidungsstücke von 12 verschiedenen Herstellern. In Anbetracht der insgesamt kleinen Untersuchung ist das ein relevanter Unterschied.