Bewertet am 7. Dezember 2013
Veröffentlicht von: Deutschlandfunk
Der Hörfunkbeitrag aus der Sendung „Umwelt und Verbraucher“ des Deutschlandfunks befasst sich mit fehlerhaften Feinstaubmessungen vor allem bei modernen Dieselfahrzeugen. Anlass ist eine Pressemitteilung der Umwelt- und Verbraucherorganisation Deutsche Umwelthilfe (DUH), die erhöhte Werte in den Abgasen einiger Fahrzeuge gemessen hat. Der Beitrag erläutert weder die Unterschiede in den Messverfahren, noch lässt er die kritisierten Hersteller oder Prüfeinrichtungen zu Wort kommen.

Zusammenfassung

Der Beitrag beschäftigt sich mit einem aktuellen und relevanten Thema: der Feinstaub-Belastung durch Autos und der Genauigkeit von Abgasuntersuchungen. Es wird berichtet, dass Testmessungen einer Umwelt- und Verbraucherorganisation höhere Feinstaubwerte ergaben als die offiziellen Untersuchungen und Herstellerangaben. Doch fehlt es an Erläuterungen zu den Unterschieden der Verfahren, so dass Hörerinnen und Hörer deren Aussagekraft nicht nachvollziehen können. Wie groß das Problem ist, wird damit nicht klar. In den Sprechertexten werden die Experten-Informationen nicht eingeordnet und gewichtet. Es fehlt eine Gegenposition oder Einordnung zur Kritik der Umweltorganisation.

Der Beitrag verwendet viele Fachworte und nennt technische Details, ohne diese weiter zu erklären, so dass der Beitrag für ein nicht vorgebildetes Publikum teilweise unverständlich bleibt.

Der Beitrag wurde sehr kurz (ca. 1,5 h) nach Erscheinen der Pressemitteilung gesendet, so dass die Zeit für Hintergrundrecherchen möglicherweise nicht ausreichte. Hier wäre womöglich eine etwas spätere Publikation sinnvoller gewesen, die mehr Gelegenheit für ein journalistisches Hinterfragen und Einordnen der interessanten Informationen gelassen hätte.

Title

Umweltjournalistische Kriterien

1. KEINE VERHARMLOSUNG/ PANIKMACHE: Umweltprobleme werden weder bagatellisiert noch übertrieben dargestellt.

In der Anmoderation des Radiobeitrags wird erläutert: „Schmutzpartikel im Miniformat sind besonders gesundheitsschädlich, denn sie dringen tief in die Atemwege ein“. Möglicherweise ist diese Einschätzung gerechtfertigt, doch fehlt es an näheren Erklärungen zu den angesprochenen Gesundheitsgefahren. Der Beitrag beschäftigt sich dann mit verschiedenen technischen Details von Abgasmessungen. Wie gravierend die Auswirkungen des Feinstaubs auf Gesundheit oder Umwelt sind, wird nicht weiter vertieft – insofern findet auch keine Verharmlosung oder Panikmache statt. Gleichwohl halten wir es für problematisch eine Gesundheitsgefahr ohne weitere Erläuterung in den Raum zu stellen. Wir werten daher nur „knapp erfüllt“.

2. BELEGE/ EVIDENZ: Studien, Fakten und Zahlen werden so dargestellt, dass deren Aussagekraft deutlich wird.

Hörerinnen und Hörer erfahren, dass die Deutsche Umwelthilfe (DUH) „Tests durchgeführt” und dabei „erschreckend hohe Abgaswerte“ festgestellt hat. Es wird dabei nicht dargelegt, wie die DUH zu ihrer Einschätzung gekommen ist. Weder wird die Stichprobengröße genannt (gemessen wurden laut Pressemitteilung der DUH  die Abgaswerte von 6 Fahrzeugen), noch der Untersuchungszeitraum und auch nicht, wo untersucht wurde.

Ebenso bleibt das Ergebnis weitgehend im Dunkeln: Wie viele Fahrzeuge erreichten bedenkliche Werte? Wie stark unterscheiden sich die Ergebnisse zwischen „Onboard-Einheit“ und Testmessung? Welches Messverfahren wurde von der DUH eingesetzt? Und warum soll dieses Verfahren  zu zuverlässigeren Ergebnissen führen als die bisher eingesetzten Methoden, die, so ist zu hören, „nicht dem Stand der Technik“ entsprechen? Hörerinnen und Hörer können die Kritik an den offiziellen Messungen nicht einordnen, weil sie nichts über die Tests der DUH erfahren, und nichts darüber, wie groß die Abweichungen sind. Hier ist die zugrundeliegende Pressemitteilung viel informativer. Auch zu den eingangs kurz angesprochenen Gesundheitsgefahren fehlt im Beitrag jede nähere Information.

3.EXPERTEN/ QUELLENTRANSPARENZ: Quellen werden benannt, Interessenkonflikte deutlich gemacht.

Der Hintergrund der beiden Interviewpartner wird benannt. Es wird klar, dass die DUH eine Umwelt- und Verbraucherschutz-Organisation mit entsprechender Interessenlage ist, Jürgen Resch wird als Bundesgeschäftsführer der Organisation eingeordnet. Am Ende wird außerdem erwähnt, dass die DUH vor einigen Jahren Geld von Filterherstellern bekommen hat, „Kritiker sahen darin Lobbyismus oder sprachen zumindest von einer Grauzone.“, heißt es dazu im Beitrag. Hier würde man sich weitere Informationen darüber wünschen, wie die DUH „ihre Spendenpraxis verteidigt“ hat.

Auch der zitierte Wissenschaftler der Universität Duisburg-Essen, Ferdinand Dudenhöffer, wird als Professor für Automobilwirtschaft an der Universität und Leiter des Center Automotive Research zutreffend eingeordnet. Allerdings wird nicht recht deutlich, warum er als Experte für Partikel in Abgasen herangezogen wird; hier drängt sich womöglich der Eindruck auf, dass bei der Recherche aus Bequemlichkeit auf den in den Medien beliebten Universal-Experten in Sachen Auto („Autopapst“) zurückgegriffen wurde, statt nach einem hier besser passenden Experten zu suchen. Tatsächlich äußert Dudenhöffer sich auch nicht zu den Messungen, sondern plädiert für Elektroautos als Lösungsmöglichkeit. Insgesamt werten wir noch „erfüllt“.

4.PRO UND CONTRA: Die wesentlichen Standpunkte werden angemessen dargestellt.

Der Beitrag gibt nahezu ausschließlich die Kritik der DUH wieder an den üblichen Prüfverfahren wieder. Zwar wird in der zweiten Hälfte des Beitags mit dem Wissenschaftler Prof. Dudenhöfer, noch ein zweiter O-Ton-Geber zitiert. Dieser führt aber vor allem ein neues Thema ein, nämlich die Elektromobilität, und trägt damit nicht dazu bei, den vorher aufgemachten Konflikt zu klären. (Wie schon unter Punkt 3 erwähnt, hätte sich hier womöglich eine Recherche jenseits des Standard-Experten gelohnt). Wenn derart massiv Messverfahren der Autohersteller kritisiert werden, müsste man dazu außerdem eine Stellungnahme der Betroffenen einholen oder eine Stellungnahme der offiziellen Prüfstellen Dekra / TÜV zur gängigen Prüfpraxis. Da dieser Gegenpol fehlt, ist es für Hörerinnen und Hörer kaum möglich, sich ein eigenes Bild zu machen. Selbst die – vermutete – Position der Bundesregierung wird ausschließlich von DUH-Geschäftsführer Resch formuliert: „Man möchte ausschließlich auf die Hersteller-Prüfung setzen, die Onboard-Diagnostik.“

5. Der Beitrag geht über die PRESSEMITTEILUNG/ das Pressematerial hinaus.

In weiten Teilen gibt der Beitrag Inhalte der der DUH Pressemeldung wieder – und zitiert daraus fast wörtlich schwer verständliche Sätze wie „Die Prüfwerte bei der Abgasuntersuchung hätten sich nicht analog zu den verschärften Grenzwerten der Euronormen für Neufahrzeuge weiter entwickelt.“ Doch zusätzlich werden im Beitrag zwei Experten interviewt. Im O-Ton von Jürgen Resch erfahren wir etwas über Handmessgeräte und einen Rollenstandprüfstand – beides kommt so in der Pressemitteilung nicht vor, wenn diese Aspekte auch weitgehend unverständlich bleiben (siehe allgemeinjournalistisches Kriterium 2). Auch mit den O-Tönen von Prof. Dudenhöffer geht der Beitrag über die Presseinformation hinaus, womit dem Kriterium im Grundsatz genüge getan ist. Insgesamt ist die Pressemitteilung aber deutlich klarer und informativer als der Hörfunkbeitrag, sodass wir nur „knapp erfüllt“ werten.

6. Der Beitrag macht klar, wie ALT oder NEU ein Umweltproblem, eine Umwelttechnik, ein Regulierungsvorschlag o.ä. ist.

Der Beitrag macht keine Angaben dazu, ob die Messfehler, über die berichtet wird, schon länger bestehen, oder ob sie erst seit kurzem auftreten / aufgefallen sind. Indirekt lässt sich schließen, dass sich das Problem durch die Einführung neuer Abgasuntersuchungsmethoden ergeben habe, es gibt dazu aber keine Informationen, wann die Änderung in Kraft getreten ist, und ob Probleme schon unmittelbar danach auftraten. In der Pressemitteilung wird darauf zumindest kurz eingegangen.

7. Der Beitrag nennt – wo möglich – LÖSUNGSHORIZONTE und HANDLUNGSOPTIONEN.

Es werden verschiedene Handlungsoptionen genannt: Jürgen Resch schlägt im O-Ton Verbesserungen der Messverfahren vor. Hörererinnen und Hörer erfahren allerdings nicht, wie die von ihm favorisierten Handgeräte funktionieren und warum sie den üblichen Verfahren überlegen sein sollen. Ferner werden die Probleme von Werkstätten angesprochen, die offenbar unter bestimmten Umständen einen „Rollenstandprüfstand“ brauchen. Wofür diese Information relevant ist, wird jedoch nicht erklärt. Im zweiten Lösungsvorschlag geht es um die Vermeidung der Partikel durch Elektromobilität. Wie es dabei um die Gesamtbilanz der Feinstaubbelastung (inklusive der Stromerzeugung) steht, spricht der Beitrag allerdings nicht an. Unklar bleibt außerdem, wie die Forderung der DHU nach Partikelfiltern für Benzinmotoren begründet wird, zumal die Organisation nur Dieselfahrzeuge getestet hat. Letzteres ist allerdings nur der Pressemitteilung zu entnehmen, nicht dem Beitrag. Insgesamt: Handlungsoptionen werden zwar angesprochen, aber weder ausreichend erläutert noch kritisch hinterfragt. Wir werten noch „knapp erfüllt“.

8. Die RÄUMLICHE DIMENSION (global/lokal) wird dargestellt.

Der Beitrag beschäftigt sich nicht mit der räumlichen Reichweite des Problems: Man erfährt nicht, ob z.B. in verschiedenen Bundesländern getestet wurde, oder ob das Feinstaub-Problem vor allem in bestimmten Regionen auftritt. Vor allem bleibt völlig offen, wie sich die erhöhten Abgaswerte auswirken: Besteht das Gesundheits- oder Umweltproblem nur in Städten mit dichtem Verkehr oder verteilen sich die Partikel auch weiträumig?

Mit einem Satz geht der Sprechertext auf die Manipulation von Messgeräten in den USA ein. Ob man deswegen auch in Deutschland oder in Europa mit manipulierten Messgeräten rechnen muss, erläutert er nicht.

9. Die ZEITLICHE DIMENSION (Nachhaltigkeit) wird dargestellt.

Der Beitrag geht nicht ausreichend auf die zeitliche Dimension ein: Seit wann gibt es neue Messtechniken oder neue Regulierungsvorschriften? In der Pressemitteilung sind dazu Informationen vorhanden: Aktuell steht eine Revision der EU-Verordnung zur Abgasuntersuchung an. Und Messprobleme bestehen offenbar seit der Einführung der Euro 4-Norm in 2005. Wenn es in einem O-Ton des Radiobeitrags heißt „Für die moderne Technik der Otto-Motoren, der Benzin-Motoren gilt das in gleicher Weise“, wird nicht klar, von welcher Fahrzeuggeneration hier die Rede ist, und zu der Information „Neue Fahrzeuge werden überhaupt nicht mehr getestet“, erläutert der Beitrag nicht, seit wann das so gehandhabt wird.

10. Der politische/ wirtschaftliche/ soziale/ kulturelle KONTEXT(z.B. KOSTEN) wird einbezogen.

Der Beitrag konzentriert sich sehr auf technische Details, der Kontext wird nicht einbezogen. Interessant wäre z.B. zu erfahren, was genauere Messungen kosten würden: Wie aufwändig wäre die Umstellung der Messverfahren, welche Folgenkosten entstünden möglicherweise für Autofahrer und Hersteller (laut Pressemitteilung der DUH wäre mit „Mehrkosten von maximal fünf Euro pro Fahrzeug und Jahr“ zu rechnen – wie kommt diese Angabe zustande)? Auch die sozialen und gesundheitlichen Auswirkungen der Feinstaubproblematik werden nicht einmal ansatzweise thematisiert.

Allgemeinjournalistische Kriterien

1. Das THEMA ist aktuell, relevant oder originell. (THEMENAUSWAHL)

Die Belastung mit Feinstaub ist ein latent aktuelles Thema; die Untersuchung als Anlass ist zwar sehr klein, aber die Berichterstattung sehr zeitnah, die Aktualität damit gegeben. Falsche Messungen der Abgase sind interessant und relevant.

2. Die journalistische Darstellung des Themas ist gelungen. (VERSTÄNDLICHKEIT/VERMITTLUNG)

Das Thema könnte interessant sein, leider ist die Aufarbeitung hier nicht gelungen: Viele Fachworte, die nicht erklärt werden, erschweren das Verständnis, wenn es etwa heißt „Für die moderne Technik der Otto-Motoren, der Benzin-Motoren gilt das in gleicher Weise, weil man dort auch mit hohen Einspritzdrücken arbeitet. Und deswegen muss das Funktionieren dieses eingebauten Filters getestet werden.“ Auch was es mit den entbehrlichen „Rollenstandprüfständen“ auf sich hat, erfahren Hörerinnen und Hörer nicht. All das aber wären relevante Informationen gewesen. Neben dem Ärger über die Insider-Sprache bleibt am Ende des Beitrags nur ein dubioses Gefühl, dass da irgendwas nicht stimmt, statt verlässlicher und verständlicher Informationen. Die Pressemitteilung der Umwelthilfe vermittelt wesentlich mehr Hintergrund, umreißt klarer die Problematik und erläutert Lösungsoptionen verständlicher.

3. Die Fakten sind richtig dargestellt. (FAKTENTREUE)

Uns sind keine Faktenfehler aufgefallen.

Umweltjournalistische Kriterien: 4 von 10 erfüllt

Allgemeinjournalistische Kriterien: 2 von 3 erfüllt

Aufgrund der Mängel in der journalistischen Darstellung werten wir um einen Stern ab.

Title

Kriterium erfüllt

Kriterium nicht erfüllt

Kriterium nicht anwendbar