Bewertet am 11. Dezember 2013
Veröffentlicht von: Stuttgarter Nachrichten

Der Beitrag, der in den Stuttgarter Nachrichten erschienen ist, berichtet knapp und gut verständlich über den aktuellen Zustand des Waldes in Baden Württemberg. Dabei fasst er im Wesentlichen eine Pressemitteilung des Ministeriums für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz Baden-Württemberg zusammen. Eine kritische Einordnung der darin genannten Daten und Fakten fehlt.

Zusammenfassung

Der Beitrag stellt die Ergebnisse des aktuellen Waldzustandsberichts Baden-Württemberg aus Sicht des zuständigen Ministeriums dar; mit zahlreichen Zitaten kommt der Minister zu Wort, der eine insgesamt positive Bilanz zieht. Leserinnen und Leser erfahren, dass der Zustand des Waldes sich gegenüber dem Vorjahr etwas gebessert habe, der „Patient“ Wald aber noch nicht völlig genesen sei. Dass es dem Wald laut Waldzustandsbericht schlechter geht als in den 1980er Jahren, als das „Waldsterben“ Schlagzeilen machte, wird jedoch nicht erwähnt. Kritischere Einschätzungen als die des Ministers bezieht der Beitrag nicht ein. Dabei ist der Artikel ist sogar noch verkürzter und weniger differenziert als die zugehörige Pressemitteilung. Weder liefert er eine kritische Einordnung oder Bewertung der Zahlen, noch erfährt man etwas über Urheber und Zustandekommen des Berichtes. Die Forscher, die den Bericht erstellt haben, kommen ebenso wenig zu Wort wie unabhängige Experten von anderen Forschungsinstituten, oder kritische Stimmen, etwa von Seiten der Naturschutzverbände.

Title

Umweltjournalistische Kriterien

1. KEINE VERHARMLOSUNG/ PANIKMACHE: Umweltprobleme werden weder bagatellisiert noch übertrieben dargestellt.

Der Text berichtet relativ nüchtern die Zahlen des Waldzustandsberichtes. Dabei ist weder eine Verharmlosung noch eine Panikmache zu erkennen. Ähnlich wie in der Pressemitteilung des Umweltministeriums Baden Württemberg stellt der Beitrag allerdings vor allem die positiven Aspekte des Waldzustandsberichtes heraus (z.B. Anstieg der Zahl völlig gesunder Bäume um sieben Prozentpunkte, geringerer mittlerer Nadel- und Blattverlust). Der Beitrag konstatiert jedoch auch, dass es dem Wald keinesfalls gut geht; es wird hinreichend deutlich, dass der Zustand (immer noch) kritisch ist. Insgesamt wird Leserinnen und Lesern der Eindruck vermittelt, dass es zwar Verbesserungen gebe, aber keinen Grund zu übertriebenem Optimismus.

2. BELEGE/ EVIDENZ: Studien, Fakten und Zahlen werden so dargestellt, dass deren Aussagekraft deutlich wird.

Positive Trends im Bericht werden mit Zahlen genannt (etwa beim „ Anteil der  Waldfläche, der als deutlich geschädigt  einzustufen ist“ (..) „Im Vergleich zu 2012 fiel der Wert um einen Prozentpunkt auf 35 Prozent“). Doch werden diese Angaben im Wesentlichen nur in Beziehung zu den Zahlen vom Vorjahr gesetzt, in dem die meisten genannten Parameter schlechter ausfielen als in diesem Jahr. Der Bezug zu früheren Jahren, als der Wald in deutlich besserem Zustand war, fehlt (siehe dazu auch Kriterium 9).

Zudem erläutert der Beitrag nicht einmal ansatzweise, wie die angeführten Zahlen ermittelt wurden,  und auf welcher Basis die Prozentangaben berechnet sind (Stichprobenanzahl, Auswahl der Probeflächen usw.). Es wird nicht deutlich, dass es sich keineswegs um eine Analyse der gesamten Waldfläche des Landes handelt, und dass – wie bei jeder wissenschaftlichen Erhebung –  die Ergebnisse auch von der Methode abhängen, (z.B. dass die Baumzahlen auf einigen Zählflächen von Jahr zu Jahr erheblich schwanken, u.a. durch forstliche Nutzung). Wie verlässlich die ermittelten Prozentzahlen sind (was angesichts einer Verbesserung „um einen Prozentpunkt“ besonders relevant erscheint), erfahren Leserinnen und Leser nicht. Wünschenswert wäre auch eine Einordnung der Messgrößen gewesen: Was hat es beispielsweise zu bedeuten, wenn sich der mittlere Nadelverlust verringert hat?

3.EXPERTEN/ QUELLENTRANSPARENZ: Quellen werden benannt, Interessenkonflikte deutlich gemacht.

Als einzige Quelle nennt der Artikel den Waldzustandsbericht und den Forstminister, der Zahlen daraus zitiert und interpretiert. Insofern werden die Quellen transparent gemacht. Jedoch erfahren Leserinnen und Leser nicht, wer den Bericht verfasst hat (eine Landesbehörde und nicht eine unabhängigere Forschungseinrichtung). Dass der zuständige Minister ein Interesse daran hat, vor allem Verbesserungen herauszustellen, mag sich noch von selbst erklären. Notwendig gewesen wäre jedoch eine zusätzliche Einschätzung durch einen unabhängigen Experten, oder eine Forschungseinrichtung, die nicht an dem Bericht mitgearbeitet hat. Da eine solche zweite Quelle fehlt, werten wir „nicht erfüllt“.

4.PRO UND CONTRA: Die wesentlichen Standpunkte werden angemessen dargestellt.

Im Beitrag wird im Wesentlichen der zuständige Minister zitiert, der Zahlen aus dem Waldzustandsbericht referiert. Zwar wird neben den überwiegend positiven Beurteilungen auch angeführt, dass sich „bei genauerer Betrachtung“ der einzelnen Baumarten „ein gemischtes Bild“ ergebe. „Trotz der vereinzelten guten Nachrichten will Bonde keine Entwarnung  geben: ‘Nach wie vor ist ein Drittel der Waldfläche in Baden-Württemberg stark geschädigt.’“, heißt es im Beitrag. Doch Stimmen, die den Zustand des Waldes kritischer bewerten als der zitierte Minister, kommen nicht zu Wort. So hätte beispielsweise laut einer Pressemitteilung des BUND ein derart waldfreundliches Wetter wie in diesem Jahr einen besseren Zustand erwarten lassen. Auch zu dem kontroversen Thema, ob Kalk eingesetzt werden sollte, um Säure-Immissionen zu kompensieren, oder ob großflächige Kalkungen die Vielfalt der Vegetation auf unterschiedlichen Waldstandorten bedrohen, äußert sich der BUND, außerdem auch zur Belastung durch Stickstoff-Einträge. Das Einbeziehen einer solchen weiteren Stellungnahme hätte den Beitrag ohne viel Aufwand deutlich interessanter gemacht. Daher werten wir „knapp nicht erfüllt“.

5. Der Beitrag geht über die PRESSEMITTEILUNG/ das Pressematerial hinaus.

Der Beitrag zitiert Minister Bonde mit Äußerungen, die so nicht in der Pressemitteilung stehen. Insofern steht zu vermuten, dass es einen zusätzlichen Kontakt gegeben hat, beispielsweise den Besuch einer Pressekonferenz. Inhaltlich jedoch fasst der Beitrag lediglich die Pressemitteilung zusammen. Dabei geht der Beitrag nicht nur nicht über die Pressemitteilung hinaus, sondern lässt  sogar wesentliche Informationen aus, die der Pressemitteilung entnommen werden können (z.B. die Urheber des Waldzustandsberichtes und Informationen zur Methodik).

6. Der Beitrag macht klar, wie ALT oder NEU ein Umweltproblem, eine Umwelttechnik, ein Regulierungsvorschlag o.ä. ist.

Der Bericht weist darauf hin, dass der Wald seit den 1980er Jahren verschärft unter der Beobachtung von Experten steht, und dass sein Zustand seither kontinuierlich bewertet wird. Die Aussage, dass der Zustand der Tannen seit 15 Jahren stabil ist, weist in dieselbe Richtung. Damit wird klar: Die Fragen zum Zustand des Waldes begleiten uns schon seit mehreren Jahrzehnten und sind immer noch nicht gelöst. Weitere Erläuterungen zur Historie des Themas, das vor 30 Jahren für erhebliche Aufregung sorgte, und heute eher im Hintergrund steht, wären zusätzlich interessant gewesen. Da es sich aber hier nicht um eine ausführliche Hintergrundanalyse, sondern um einen kurzen Bericht handelt, werten wir noch „erfüllt“.

7. Der Beitrag nennt – wo möglich – LÖSUNGSHORIZONTE und HANDLUNGSOPTIONEN.

Als Handlungsoptionen bzw. Lösungsansätze nennt der Artikel Maßnahmen wie: Rauchgasentschwefelung, weniger (chemischer) Dünger in der Landwirtschaft und Kalkung des Bodens, um den pH-Wert des Bodens zu heben. Allerdings werden dieses Maßnahmen weder in ihrer Wirkungsweise erklärt, noch wird eingeordnet, wie konsequent sie eingesetzt wurden und was sie letztendlich bewirkt haben.

Die diskutierten Ursachen des Waldsterbens (Stickoxide, Schwefeloxide) sowie auch die seit den achtziger Jahren erfolgten Maßnahmen (vor allem Großfeuerungsanlagenverordnung gegen SO2, Katalysatoren gegen Stickoxide) werden nicht ausdrücklich erwähnt. Der Waldzustandsbericht zeigt hier beispielsweise den Rückgang des Säureeintrags im Boden.

Sehr knapp wird außerdem die Frage angesprochen, wie man den Wald an einige der künftigen Auswirkungen des Klimawandels anpassen könnte. (Pflanzung klimastabilerer Mischwälder). Für einen so kurzen Beitrag werten wir noch „erfüllt“.

8. Die RÄUMLICHE DIMENSION (global/lokal) wird dargestellt.

Es wird klar, dass der Beitrag den Zustand des Waldes in Baden-Württemberg behandelt. Ebenso benennt der Artikel, dass der Wald für dieses Bundesland aufgrund seines großen Flächenanteils (40% der Landesfläche) eine erhebliche Bedeutung hat. Es fehlt jedoch jeder Bezug, der über diesen regionalen Rahmen hinausgeht, außer dem kurzen und sehr allgemeinen Hinweis auf den Klimawandel. Ob es aber dem Wald in Baden-Württemberg im Vergleich zum Rest der BRD  besonders gut oder besonders schlecht geht, ob hier die gleichen Maßnahmen ergriffen wurden und die gleichen Trends zu beobachten sind wie in anderen Bundesländern, oder ob es regionale Besonderheiten gibt, wird nicht einmal kurz angesprochen.

9. Die ZEITLICHE DIMENSION (Nachhaltigkeit) wird dargestellt.

Aus dem Artikel geht hervor, dass der Zustand des Waldes eine Problematik ist, die mehrere Dekaden in die Vergangenheit zurück reicht, trotz dargestellter Verbesserungen nicht gelöst ist, und mit der sich Politik, und die Forschung (und letztendlich die gesamte Gesellschaft) auch in Zukunft werden beschäftigen müssen.

Allerdings mangelt es an konkreten zeitlichen Bezügen, die über den Vergleich mit dem Vorjahr hinausgehen. So fehlt jeder Hinweis, dass der Wald in Baden-Württemberg seit 2004 und bis heute in einem deutlich schlechteren Zustand ist als in den vorausgehenden Jahren (von 1985, dem Beginn der Waldschadens/-zustandsberichte, bis 2003). Im Waldzustandsbericht 2013 heißt es dazu: „… zwei Drittel sind jedoch immer noch leicht oder mittelstark geschädigt. Der Zustand der Wälder ist damit deutlich schlechter als noch Mitte der 1980er Jahre…“. Dass es dem Wald in Baden-Württemberg demnach heute also schlechter geht als zu den Zeiten, als das Thema „Waldsterben“ in der öffentlichen Wahrnehmung Hochkonjunktur hatte, vermittelt der Beitrag nicht. Im Gegenteil: Mit der Formulierung „Vom Sterbebett auf die  Intensivstation: In den 1980er-Jahren lag der ‘Patient’ Wald nach Darstellung vieler Experten in seinen letzten Zügen. Mittlerweile geht es zumindest den Beständen in Baden-Württemberg etwas  besser.“ suggeriert er fälschlich, dass es dem Wald inzwischen besser ginge.

Damit sind wichtige zeitliche  Aspekte, die dem zugrundeliegenden Waldzustandsbericht leicht zu entnehmen gewesen wären, gar nicht oder irreführend dargestellt.

10. Der politische/ wirtschaftliche/ soziale/ kulturelle KONTEXT(z.B. KOSTEN) wird einbezogen.

Der Beitrag beschränkt sich darauf, Zahlen und Trends zur Verfassung des Waldes in Baden Württemberg zu nennen.

Abgesehen davon, dass er einen Großteil der Landesfläche (40%) bedeckt, erfahren Leserinnen und Leser nichts über die wirtschaftliche, ökologische oder soziokulturelle Bedeutung des Waldes für das Bundesland, z. B. in Bezug auf die (langfristige) wirtschaftliche Produktivität der Wälder, Artenvielfalt, ökologische Funktion als Wasserspeicher und Bodenschutz, den Wald als Erholungsgebiet, touristischen Wert etc.. Wie sich der Zustand des Waldes auf diese Bereiche auswirkt, wird im Beitrag nicht einmal exemplarisch angesprochen. Daher werten wir „nicht erfüllt“.

Allgemeinjournalistische Kriterien

1. Das THEMA ist aktuell, relevant oder originell. (THEMENAUSWAHL)

Der Bericht hat mit der Vorstellung des Waldzustandsberichts einen aktuellen Anlass, das Thema Waldschäden ist ein sowohl ökologisch als auch ökonomisch relevantes Thema.

2. Die journalistische Darstellung des Themas ist gelungen. (VERSTÄNDLICHKEIT/VERMITTLUNG)

Der Beitrag ist klar strukturiert, allgemeinverständlich formuliert und vermeidet weitgehend komplizierte Satzkonstruktionen und Fachtermini. Auch wird mit einem anschaulichen Vergleich („zwei Millionen  Fußballfelder“) die räumlichen Dimensionen des Waldes in Baden Württemberg verdeutlicht. Allerdings ist dies einer der wenigen Punkte, wo sich der Beitrag von Formulierungen der Pressemitteilung löst. Inhaltlich fasst er lediglich die Pressemitteilung zusammen. Damit ist keine unabhängige journalistische Leistung zu erkennen.

3. Die Fakten sind richtig dargestellt. (FAKTENTREUE)

Uns sind – mit Ausnahme des irreführenden Einstiegs –  keine Fehler aufgefallen.

Umweltjournalistische Kriterien: 3 von 10 erfüllt

Allgemeinjournalistische Kriterien: 2 von 3 erfüllt

Da der Beitrag inhaltlich praktisch nicht über die Pressemitteilung hinausgeht, werten wir um einen Stern ab.

Title

Kriterium erfüllt

Kriterium nicht erfüllt

Kriterium nicht anwendbar