Bewertet am 21. August 2013
Veröffentlicht von: Hamburger Abendblatt

Ein Beitrag im Hamburger Abendblatt berichtet über eine aktuelle Studie, die global zunehmende Hitzewellen vorhersagt. Dabei werden zahlreiche Quellen herangezogen und auch regionale Aspekte erläutert. Es fehlt jedoch der Hinweis auf Unsicherheiten, die mit solchen Prognosen verbunden sind.

Zusammenfassung

Der Beitrag, der im Hamburger Abendblatt erschienen ist, berichtet über eine aktuelle Studie des Potsdam Instituts für Klimafolgenforschung (PIK), die für die kommenden Jahrzehnte eine Zunahme extremer Hitzewellen voraussagt. Die Ergebnisse werden sachlich dargestellt und mit einer Reihe von Informationen aus anderen Quellen ergänzt. Dabei entsteht allerdings für Leserinnen und Leser der Eindruck, dass der Zusammenhang von Wetterextremen und Klimawandel wissenschaftlich bereits eindeutig erwiesen sei. Auch wenn sich hierfür die Anzeichen mehren, wäre es doch wichtig gewesen, Unsicherheiten zu benennen, und auch Gegenargumente anzuführen. Positiv ist der regionale Bezug, der durch Aussagen Hamburger Wissenschaftler hergestellt wird. Allerding wirkt der Beitrag durch die unvermittelte Aufzählung der verschiedenen Quellen etwas unstrukturiert.

Title

Umweltjournalistische Kriterien

1. KEINE VERHARMLOSUNG/ PANIKMACHE: Umweltprobleme werden weder bagatellisiert noch übertrieben dargestellt.

Der Artikel basiert auf einer neuen Studie des Potsdam Instituts für Klimafolgenforschung (PIK) über die Häufigkeit von Hitzeextremen in der Vergangenheit und in Zukunft. Dabei werden die wesentlichen Ergebnisse in sachlichem Tonfall wiedergegeben, weder übertrieben noch verharmlost.

Der Beitrag schildert auch die Folgen, die Hitzewellen haben können – eine erhöhte Anzahl von Todesfällen, Dürren, Waldbrände und Missernten – zwar durchaus mit bildhafter („Sommermärchen“; „alles andere als märchenhaft“) aber insgesamt nüchterner Sprache, und lässt die Zahlen im Wesentlichen für sich sprechen.

2. BELEGE/ EVIDENZ: Studien, Fakten und Zahlen werden so dargestellt, dass deren Aussagekraft deutlich wird.

Wesentliche Aussagen der Studie des PIK werden korrekt wiedergegeben, so zur Ausdehnung der von Hitzeextremen betroffenen Landfläche, die bei unvermindertem Ausstoß von Treibhausgasen von heute 5 Prozent auf weltweit 85 Prozent bis zum Ende des 21. Jahrhundert steigen kann. Ungenau ist allerdings die Formulierung im ersten Satz, dass sich die Hitzewellen bis zum Jahr 2020 verdoppeln und bis zum Jahr 2040 vervierfachen werden, denn die Studie des PIK spricht von einer Verdoppelung bzw. Vervierfachung der betroffenen „Landfläche“. Wichtig ist der Hinweis, dass es keine einheitliche Definition des Begriffs „Hitzewelle” gibt. Wie die Autoren dieser Studie ein Hitzewellenereignis definieren (alle Temperaturen, die höher waren als die dreifache Standardabweichung des an einem Ort auftretenden Mittelwertes der Temperatur) wird im Artikel allerdings nur vage umschrieben.

Auch fehlen einige wichtige Aussagen der Studie – so die Prognose, dass sich die Hitzeextreme bei unverminderten Treibhausgasemissionen noch verstärken werden. Unerwähnt bleibt auch, dass die Wissenschaftler überprüft haben, inwieweit die von ihnen genutzten Klimamodelle (sie haben insgesamt 29 Modelle kombiniert), verlässliche Vorhersagen liefern. Sie haben die tatsächlichen Hitzewellen von 2000 bis 2012 verglichen mit den Hitzewellen, die diese Klimamodelle für denselben Zeitraum prognostiziert hätten, und dabei festgestellt, dass diese Prognosen weitgehend mit den realen Klimadaten übereinstimmten. Das ist eine zentrale Aussage zur Verlässlichkeit der Prognose und wäre daher eine wichtige Information gewesen. Hinzu kommt, dass die Zuspitzung im Titel „Hitzewellen häufen sich noch mehr“ eine Gewissheit suggeriert, die erst im Text ein Stück weit relativiert wird.

Da der Beitrag aber hinreichend deutlich macht, worauf die Aussagen der Studie, auf die er sich fokussiert, beruhen, werten wir noch erfüllt.

3.EXPERTEN/ QUELLENTRANSPARENZ: Quellen werden benannt, Interessenkonflikte deutlich gemacht.

Positiv am Artikel ist herauszuheben, dass der Autor/die Autorin nicht nur die Studie korrekt als Quelle nennt, sondern offenbar auch mit einem der beiden wissenschaftlichen Autoren gesprochen hat und ihn zitiert. Schön wäre hier noch die genaue Quellenangabe zur Publikation gewesen, auch das beteiligte spanische Institut namentlich zu nennen ist zumindest eine Option.

Über den Studienautor hinaus werden weitere Wissenschaftler befragt. Ein Meteorologe vom Max-Planck-Institut  in Hamburg bewertet die Qualität der PIK-Studie positiv, ein Sprecher des Deutschen Wetterdienstes äußert sich zur Häufigkeit von Hitzewellen in Deutschland,  eine Wissenschaftlerin des KlimaCampus Hamburg zu den Folgen für die Stadt Hamburg. Dadurch bekommt der Artikel einen konkreten Bezug zu der Region, in der die Zeitung erscheint.

Interessenkonflikte der Autoren werden dabei nicht genannt. Abgesehen davon, dass – wie Kontrahenten in der Klimadebatte immer wieder anmerken – Klimaforscher davon profitieren, wenn Klimaforschung gefördert wird, ist hier aber auch kein konkreter Interessenkonflikt auffällig.

4.PRO UND CONTRA: Die wesentlichen Standpunkte werden angemessen dargestellt.

Die aktuelle PIK-Studie wird zu einem Zeitpunkt veröffentlicht, an dem die Klimaforschung und Klimaforscher Gegenstand vieler Kontroversen sind. Auch wenn sich die Anzeichen mehren, dass der globale Klimawandel zu einer Häufung von Wetterextremen führt, kann dieser Aspekt der Debatte nicht als abgeschlossen gelten. Während dieser Beitrag nahelegt, dass Hitzewellen in den letzten Jahrzehnten bereits deutlich häufiger geworden seien, heißt es beispielsweise in einer kürzlich vom Max-Planck-Institut für Biogeochemie veröffentlichten Presseinformation: „Bisher haben sich Dürren, Hitzewellen, Stürme und Starkregen durch den menschengemachten Klimawandel zwar noch nicht deutlich gehäuft und verstärkt. Viele Klimaforscher erwarten aber, dass das künftig der Fall sein wird.“ (siehe dazu auch unsere Begutachtung im Medien-Doktor PR-Watch).

Hier wäre es wichtig, die Debatte um den Zusammenhang von Wetterextremen und Klimawandel stärker einzuordnen, Unsicherheiten zu benennen, und auch die Argumente anzuführen, die bislang gegen einen solchen Zusammenhang sprechen. Das bedeutet keineswegs, generellen  „Klimaskeptikern“ in jedem Beitrag zum Klimawandel ein Forum zu schaffen und damit einen unbeabsichtigten Bias in die Berichterstattung zu tragen (vgl. hierzu eine ältere Studie). Doch die Bandbreite der Diskussion in der seriösen Klimaforschung sollte deutlich werden.

5. Der Beitrag geht über die PRESSEMITTEILUNG/ das Pressematerial hinaus.

In dem Beitrag werden über einen Autor der Studie hinaus weitere Experten befragt. Diese bewerten die Studie und liefern zusätzliche Informationen, insbesondere auch mit regionalem Bezug. Damit geht der Beitrag klar über die Pressemitteilung hinaus.

6. Der Beitrag macht klar, wie ALT oder NEU ein Umweltproblem, eine Umwelttechnik, ein Regulierungsvorschlag o.ä. ist.

Der Artikel beschäftigt sich mit einer aktuellen Studie des PIK. Diese bestätigt eine Reihe früherer wissenschaftlicher Arbeiten, wie man beim Lesen der Originalarbeit erfährt. Neu ist das auf Computersimulationen basierende Ergebnis, wie stark die Häufigkeit von Sommermonaten mit extremer Hitze zunehmen werden, die die natürlichen Schwankungen stark überschreiten. Warnungen vor der Zunahme extremer Wettereignisse hat es jedoch auch bereits in der Vergangenheit gegeben, nicht zuletzt in den Berichten des Weltklimarats (Intergovernmental Panel on Climate Change IPCC). Hier wäre es wichtig gewesen zu erfahren, was die neue Studie diesen Erkenntnissen hinzufügt, bzw. inwiefern sie solche Aussagen „robuster“ macht. Auch geht der Beitrag nicht darauf ein, dass die Studie für die Tropen und den Mittelmeerraum eine zunehmende Häufigkeit extremer Hitzewellen (laut Studie definiert als Temperaturen höher als die 5-fache Standardabweichung von der mittleren Temperatur) prognostiziert, wie sie derzeit noch überhaupt nicht auftreten.

7. Der Beitrag nennt – wo möglich – LÖSUNGSHORIZONTE und HANDLUNGSOPTIONEN.

Der Beitrag nennt hier die Schlussfolgerungen der Studie, die auf den Prognose-Ergebnissen für zwei unterschiedlich hohe Szenarien für den Ausstoß von Treibhausgasen basieren: Zum einen sei die Zunahme der Hitzewellen bis 2040 auch durch eine Reduktion der CO2-Emissionen nicht mehr zu verhindern.  Zum anderen aber könne man  die noch extremere Zunahme von Hitzewellen in der zweiten Jahrtausend-Hälfte noch verhüten, indem man  die CO2-Emissionen künftig strikt reduziert.

Damit ist das Thema Lösungsmöglichkeiten oder politische Handlungsoptionen allerdings nur sehr kurz und allgemein („mehr Klimaschutz“) angesprochen. Dabei war es den Autoren der wissenschaftlichen Studie wichtig darauf hinzuweisen, dass die ermittelte Zunahme von Hitzeextremen eine Herausforderung an die Gesellschaft darstellt. Wie diese gemeistert werden kann, darauf geht der Artikel nicht ein. Auch die konkreten Folgen für die Stadt Hamburg werden zwar erläutert, ohne aber auch nur anzudeuten, was in Zukunft getan werden könnte oder müsste, um sie zu mildern. Wir werten daher knapp „nicht erfüllt“.

8. Die RÄUMLICHE DIMENSION (global/lokal) wird dargestellt.

Die räumliche Dimension des Problems wird deutlich. Bereits im ersten Absatz erfährt man, dass sich die Zunahme von Hitzewellen global vollzieht. Im Folgenden wird dann zwischen der Zunahme von Hitzeextremen in den Tropen und in den gemäßigten Breiten unterschieden. Dabei wird erwähnt, dass die Tropen und ihre Ökosysteme schon auf geringere Temperaturschwankungen empfindlicher reagieren als die gemäßigten Breiten. Ausführlich sind die konkreten Auswirkungen auf eine Stadt wie Hamburg dargelegt, so dass damit der regionale Bezug für Leserinnen und Leser hergestellt wird. Nicht so gut herausgearbeitet ist dagegen, dass der Studie zufolge vor allem die die tropischen Regionen und auch der Mittelmeerraum betroffen sind bzw. sein werden, während sich die Aufmerksamkeit der Medien bisher auf Hitzewellen in nördlicheren Regionen konzentriere.

9. Die ZEITLICHE DIMENSION (Nachhaltigkeit) wird dargestellt.

Der Artikel geht ausführlich auf die zeitliche Dimension des Themas ein. Hitzeextreme in der Vergangenheit in Deutschland/ Europa werden benannt. Hier hätte man allerdings gerne noch konkretere Informationen erhalten, seit wann und um wie viel Hitzewellen häufiger geworden sind.

Für die globale Entwicklung werden unterschiedlichen Szenarien bis zu den Jahren 2020 und 2040 beschrieben. Im letzten Absatz verweist der Beitrag noch weiter in die Zukunft, auf die zweite Hälfte des Jahrtausends, und stellt heraus, dass für diesen Zeitraum das heutige Verhalten der Weltgemeinschaft entscheidend sein wird – eine der Kernaussagen der Studie.

10. Der politische/ wirtschaftliche/ soziale/ kulturelle KONTEXT(z.B. KOSTEN) wird einbezogen.

Der Artikel nennt relativ knapp die Auswirkungen von Hitzewellen (Trockenheit, Missernten, erhöhte Waldbrandhäufigkeit, erhöhte Anzahl von Todesfällen), ohne deren Folgen zu benennen. So wird beispielsweise nicht thematisiert, welche Kosten die Zunahme von Hitzewellen verursachen könnte. Welche gravierenden ökologischen, ökonomischen und sozialen Folgen insbesondere auf tropische Regionen und den Mittelmeerraum zukommen, bleibt völlig unerwähnt, ebenso wenig macht der Beitrag deutlich, dass vor allem Entwicklungs- und Schwellenländer vom künftigen Verhalten der weniger stark betroffenen Industrienationen abhängig sind.

Auch die aktuellen politischen Diskussionen um das Ausmaß des Klimawandels, notwendige Maßnahmen zur Reduktion der Treibhausgasemissionen oder andere Anpassungsstrategien an ein wärmeres Zeitalter werden nicht einmal im Ansatz aufgegriffen.

Allgemeinjournalistische Kriterien

1. Das THEMA ist aktuell, relevant oder originell. (THEMENAUSWAHL)

Der Beitrag bezieht sich auf eine aktuelle Studie. Und selbst wenn es mit den Ergebnissen der Studie nicht in Zusammenhang stehen muss: Der heiße Sommer dieses Jahres heizt auch das Interesse der Leser an der Frage an, ob solche Wetterextreme im Zusammenhang mit dem globalen Klimawandel stehen. Die Relevanz des Themas steht außer Frage.

2. Die journalistische Darstellung des Themas ist gelungen. (VERSTÄNDLICHKEIT/VERMITTLUNG)

Der Beitrag ist weitgehend verständlich geschrieben und vermeidet Fachjargon. Allerdings hätte er besser strukturiert werden können. So sehr es zu begrüßen ist, dass eine Vielzahl von Quellen einbezogen wird, wäre es doch wünschenswert, die verschiedenen Informationen nicht gar so unvermittelt aneinander zu reihen.  Daten des Deutschen Wetterdienstes oder Aussagen zur regionalen Besonderheiten in Hamburg werden recht unvermittelt in den Bericht über die PIK-Studie eingeschoben. Nicht ganz gelungen ist die Erläuterung, wie die Wissenschaftler den Begriff „Hitzewelle“ definieren. Dass durch die journalistische Darstellung der Eindruck entstehen kann, der Zusammenhang von häufigen Hitzewellen und globalem Klimawandel sei wissenschaftlich unumstritten, wurde bereits angesprochen.

3. Die Fakten sind richtig dargestellt. (FAKTENTREUE)

Uns sind keine Faktenfehler aufgefallen.

Umweltjournalistische Kriterien: 6 von 10 erfüllt

Allgemeinjournalistische Kriterien: 2 von 3 erfüllt

Title

Kriterium erfüllt

Kriterium nicht erfüllt

Kriterium nicht anwendbar