Bewertet am 1. Juli 2013
Veröffentlicht von: Süddeutsche Zeitung

Der Artikel, der in der Süddeutschen Zeitung erschien, berichtet über Gefahren, die vor allem für Beschäftigte in Häfen durch giftige Gase in Seecontainern entstehen. Er informiert damit über ein wenig beachtetes Thema. Der Beitrag ist interessant zu lesen, bezieht aber publizierte Studien zu der Problematik nicht ein.

Zusammenfassung

Der Beitrag rückt mit der Begasung von Seecontainern gegen Schädlinge ein Thema ins Blickfeld, das bisher – wie viele Probleme des Arbeitsschutzes – in den Medien wenig beachtet wurde. Der Mix aus Expertenbefragungen, Fallbeispiel und Vor-Ort Recherche ist gelungen, der Beitrag daher gut zu lesen; gleichzeitig werden wichtige Fakten vermittelt. Allerdings fehlen an einigen Stellen konkrete Zahlen und Ergebnisse aus vorhandenen Studien zum Thema, so dass am Ende Fragen offen bleiben. So erfährt man nicht, ob das Problem sich mit dem wachsenden Welthandel weiter verschärfen könnte und der Einsatz von Giften zunimmt, oder ob Regulierungen wie das Verbot von Brommethan die Risiken allmählich verringern. Vor allem zu wirtschaftlichen Aspekten hätte man gern noch mehr erfahren.

Title

Umweltjournalistische Kriterien

1. KEINE VERHARMLOSUNG/ PANIKMACHE: Umweltprobleme werden weder bagatellisiert noch übertrieben dargestellt.

Der Artikel ist sachlich geschrieben. Das Problem der Begasung von Containern mit gesundheitsschädlichen Substanzen wird von verschiedenen Seiten beleuchtet und dabei weder bagatellisiert noch übertriebenen. So wird deutlich, dass Risiken für die Beschäftigten im Containerhafen bestehen, insbesondere durch unsachgemäßen Einsatz der Mittel und falsche Kennzeichnung der Container. Es werden aber keine darüber hinausgehenden Schreckensbilder an die Wand gemalt, beispielsweise für Verbraucher, die später die so transportierten Güter erwerben.

2. BELEGE/ EVIDENZ: Studien, Fakten und Zahlen werden so dargestellt, dass deren Aussagekraft deutlich wird.

Der Artikel zitiert keine Studien und nennt relativ wenige Zahlen. Es werden eher markante Einzelfälle und Erfahrungen beschrieben. Der Beitrag macht das aber durch entsprechende Formulierungen deutlich („Fälle wie diesen dokumentiert die Ambulanz…“, „nach Erfahrungen bei der Zollabfertigung“, „vermutlich“ oder „Fachleute nehmen an“). Für Leserinnen und Leser wird so weitgehend klar, dass einerseits offensichtlich Risiken existieren, und es Vorfälle gab, bei denen Menschen zum Schaden kamen; andererseits wird nicht der Eindruck erweckt, dass die Aussagen des Artikels auf wissenschaftlichen Studien beruhen.

Wünschenswert wäre allerdings gewesen, an einigen Stellen etwas genauer nachzufragen – so etwa bei der zuständigen Berufsgenossenschaft, ob Daten zur Häufigkeit von Arbeitsunfällen im Zusammenhang mit der Begasung von Container vorliegen. Auch Angaben wie die „35-fache Überschreitung“ des Grenzwertes hätten besser eingeordnet werden können.

Außerdem gibt es zumindest vereinzelt wissenschaftliche Untersuchungen zur Problematik von Arbeitsschutz und Containerbegasung, auf die der Beitrag leider keinen Bezug nimmt, so von der im Beitrag zitierten Ärztin und eine Untersuchung aus Australien von Ende 2012.

Wir werten daher nur „knapp erfüllt“.

3.EXPERTEN/ QUELLENTRANSPARENZ: Quellen werden benannt, Interessenkonflikte deutlich gemacht.

Im Beitrag werden etliche Experten aus unterschiedlichen Bereichen und mit unterschiedlichen Kompetenzen befragt (Ärztin vom Hamburger Zentralinstitut für Arbeitsmedizin, Zollabfertigung/Hamburger Amt für Arbeitsschutz, Gewerkschafter, Chemiker von der Gewerbeaufsicht Bremen, außerdem Beschäftigte im Hafen). Alle Quellen sind eindeutig benannt. Interessenskonflikte werden zwar nicht angegeben, sind jedoch auch kaum zu erwarten, da es sich vor allem um Behörden / Universitäten handelt, die in dem Fall keine unmittelbaren Eigeninteressen verfolgen dürften. Auch bei einem Gewerkschaftssekretär bedarf es keiner Beschreibung seiner Interessenslage.

4.PRO UND CONTRA: Die wesentlichen Standpunkte werden angemessen dargestellt.

Der Artikel konzentriert sich allein auf die Gefahren des Brommethans und anderer Gase, die für die Schädlingsbekämpfung eingesetzt werden. Ökologische und wirtschaftliche Schäden durch eingeschleppte Schadinsekten -– die ja der Grund für die Begasung sind – hätten zumindest etwas deutlicher erwähnt werden müssen.

Interessant wäre auch eine Stellungnahme der Unternehmen gewesen, die diese Stoffe nutzen. Warum tun sie das? Was halten sie von den Alternativen?

5. Der Beitrag geht über die PRESSEMITTEILUNG/ das Pressematerial hinaus.

Eine Pressmitteilung zum Thema haben wir nicht gefunden. Es werden viele unterschiedliche Quellen herangezogen und zur Begasung im Container-Terminal Bremen auch unmittelbar vor Ort recherchiert. Damit geht der Beitrag eindeutig über eine Pressemitteilung hinaus.

6. Der Beitrag macht klar, wie ALT oder NEU ein Umweltproblem, eine Umwelttechnik, ein Regulierungsvorschlag o.ä. ist.

Der Artikel macht kaum zeitliche Angaben (siehe dazu auch Kriterium 9 „Zeitliche Dimension“), es wird nicht  hinreichend deutlich, wie lange das Problem schon bekannt ist.

7. Der Beitrag nennt – wo möglich – LÖSUNGSHORIZONTE und HANDLUNGSOPTIONEN.

Der Beitrag geht zumindest kurz auf Lösungsansätze ein. Zum einen auf der regulativen Ebene: Es wird berichtet, dass die Anwendung von Brommethan von der EU verboten wurde und die Übergangsfrist 2014 endet. Hier hätte man allerdings gerne noch Näheres zu internationalen Regelungen und auch zu Sanktionsmöglichkeiten erfahren. Zum anderen wird auch eine alternative Methode der Schädlingsbekämpfung benannt: die thermische Behandlung der Container. Es wird jedoch nicht deutlich, ob das tatsächlich ein taugliches Verfahren für die große Mehrzahl  der Container ist, und es bleibt offen, welche Alternativen es bei Gütern gibt, die nicht mit Hitze behandelt werden können. Trotzdem werten wir noch “erfüllt”.

8. Die RÄUMLICHE DIMENSION (global/lokal) wird dargestellt.

Der Beitrag konzentriert sich zunächst auf die Situation in Hamburg und Bremen. Betroffen sind potenziell alle Arbeiter, die mit der Entladung von Container zu tun haben, die räumliche Begrenztheit auf das Hafengebiet wird ersichtlich. Zugleich macht der Beitrag die globalen Dimensionen deutlich („35 Millionen Seecontainer sind weltweit unterwegs“). Ziel der Begasung ist es, das Einschleppen von Schadinsekten aus anderen Weltgegenden zu verhindern. In den Herkunftsländern kann es dabei zu überhöhten Gaskonzentrationen oder falscher Kennzeichnung kommen; akut wird die Gefahr aber meist erst bei der Entladung im weit entfernten Empfängerland – das Problem reist gewissermaßen um die Welt. Ausführlich wird beschrieben, dass Container auch in deutschen Häfen begast werden.

9. Die ZEITLICHE DIMENSION (Nachhaltigkeit) wird dargestellt.

Die zeitliche Dimension des Problems wird nur knapp und ungenau angesprochen. Der einzige zeitliche Bezug ist das Verbot von Brommethan nach Ablauf der Übergangsfrist 2014. Andere zeitliche Fragen bleiben offen: In dem zu Beginn des Artikels geschilderten Fall wurde ein Hafenarbeiter durch eine Brommethan-Vergiftung arbeitsunfähig. Wie lange liegt der Fall zurück?  Hat der Betreffende bleibende Schäden davon getragen? Wie lange muss man dem Gas ausgesetzt sein, um Gesundheitsschäden zu erleiden?

Auch wird nicht beschrieben, seit wann (Jahre? Jahrzehnte?) dieses Problem existiert. Oder wurde das Thema erst jetzt erkannt, weil erstmals Arbeitsmediziner die Zusammenhänge von Krankheiten mit den Gasen benennen? Interessant wäre es auch gewesen zu erfahren, ob die Mengen oder die Gefährlichkeit der eingesetzten Substanzen in den letzten Jahren zu- oder abgenommen haben.

10. Der politische/ wirtschaftliche/ soziale/ kulturelle KONTEXT (z.B. KOSTEN) wird einbezogen.

Der Artikel beschränkt sich weitgehend auf die Verhältnisse im Containerhafen. Als politischer Kontext wird kurz das Verbot von Brommethan durch die EU genannt (siehe Kriterium 7 LÖSUNGSHORIZONTE). Ansonsten fehlen politische oder wirtschaftliche Hintergrundinformationen, v.a. nennt der Beitrag keine Kosten. Wichtig wäre es beispielsweise zu erfahren, wie teuer die Begasung der Container im Vergleich zu der Heißluftbehandlung ist. Welche Schäden wären ohne jede Schädlingsbekämpfung zu erwarten?

Allgemeinjournalistische Kriterien

1. Das THEMA ist aktuell, relevant oder originell. (THEMENAUSWAHL)

Es handelt sich um ein sehr interessantes und auch relevantes Thema, über das bisher kaum in den Medien informiert wurde. Wir halten es für wichtig, ein solches Problem aufzugreifen, auch wenn kein ganz aktueller Anlass erkennbar ist. Wegen der Auswahl eines relevanten, weithin unbekannten Themas aus einem Bereich, aus dem sonst wenig berichtet wird, werten wir um einen Stern auf.

2. Die journalistische Darstellung des Themas ist gelungen. (VERSTÄNDLICHKEIT/VERMITTLUNG)

Der Artikel ist verständlich und gut zu lesen, die Verknüpfung von konkreten Beispielen und Hintergrund gelungen. Der Einstieg über den konkreten Fall führt anschaulich auf die Problematik hin. Auch durch den stellenweise Reportage- oder zumindest Feature-artigen Bericht von der Recherche im Containerhafen Bremen bleibt der Beitrag bis zum Ende interessant.

3. Die Fakten sind richtig dargestellt. (FAKTENTREUE)

Wir haben keine Hinweise auf Faktenfehler gefunden.

Umweltjournalistische Kriterien: 6 von 10 erfüllt

Allgemeinjournalistische Kriterien: 3 von 3 erfüllt

Wegen der Themenauswahl werten wir um einen Stern auf.

Title

Kriterium erfüllt

Kriterium nicht erfüllt

Kriterium nicht anwendbar