Bewertet am 14. Mai 2013
Veröffentlicht von: Berliner Zeitung | Frankfurter Rundschau
Der Artikel informiert über einen aktuellen Forschungsbericht von fünf Ressortforschungseinrichtungen zu Sicherheitsrisiken von Nanopartikeln, der auf einer Pressekonferenz vorgestellt wurde. Viele wesentliche Punkte werden angesprochen, insbesondere wird der weitere Forschungsbedarf deutlich. Oft fehlt es jedoch an der Einordnung der Informationen.

Zusammenfassung

Der Beitrag schürt keine übertriebenen Ängste vor Nanopartikeln, nennt aber zentrale Kritikpunkte, wobei weder Risiken noch Chancen übermäßig gewichtet werden. Leider wird jedoch nicht klar, wie fundiert die einzelnen Aussagen sind, und auf welcher Art von Studien sie beruhen. Statt viele Punkte nur kurz zu nennen, hätte der Beitrag besser einige Aspekte vertieft. Auch fehlt die Einordnung des von fünf Ressortforschungseinrichtungen des Bundes vorgelegten Berichts in den globalen Kontext ebenso wie in den Stand der Forschung außerhalb dieser Einrichtungen. Deutlich wird vor allem, wie groß das Unwissen in diesem Bereich noch ist. Dass am Ende ein etwas unbefriedigendes Gefühl zurückbleibt, liegt somit auch an dem unbefriedigenden Stand der Forschung.

Title

Umweltjournalistische Kriterien

1. KEINE VERHARMLOSUNG/ PANIKMACHE: Umweltprobleme werden weder bagatellisiert noch übertrieben dargestellt.

Der Artikel übertreibt keine Risiken, verharmlost das Problem aber auch nicht. Stattdessen benennt er Nutzen und Risiken des Einsatzes von Nanomaterialien und weist an mehreren Stellen auf das noch große Unwissen und auf offene Forschungsfragen hin (z.B. „der Klärschlamm wird auf Äcker verteilt, und was das Nanosilber dort bewirkt, muss noch erforscht werden“).

2. BELEGE/ EVIDENZ: Studien, Fakten und Zahlen werden so dargestellt, dass deren Aussagekraft deutlich wird.

Obwohl es sich um eine Bilanz von Studienergebnissen handelt, geht der Artikel an keiner Stelle auf das Design der verschiedenen Studien ein: Welche Verfahren wurden gewählt? Handelt es sich lediglich um Meta-Analysen oder wurden eigene Versuche angestellt? Es werden Ergebnisse aus Tierversuchen zitiert, die aber weitere Fragen aufwerfen: Hängt die Schädigung von der Menge ab? Gibt es eine unschädliche Dosis? Welcher Prozentsatz der in den Versuchen eingesetzten Ratten litt unter Entzündungen oder Krebs? Sind die Ergebnisse auf den Menschen übertragbar? Allein ein angegebener Internet-Link zu der Bilanz selbst reicht hier für ein „erfüllt“ nicht aus.

3. EXPERTEN/ QUELLENTRANSPARENZ: Quellen werden benannt, Interessenkonflikte deutlich gemacht.

Es wird im Beitrag deutlich, dass es sich um eine Bilanz handelt, die fünf Ressortforschungseinrichtungen vorgelegt haben. Bei einigen der im Beitrag zitierten Ergebnisse erfährt man allerdings nicht, wer die betreffenden Studien durchgeführt hat. Das gilt z.B. für die angeführten Tierversuche. In dem Forschungsbericht ist nachzulesen, dass die Bundesbehörden die Forschung zum Teil selber durchgeführt, in anderen Fällen externe Institute beauftragt haben – diese Information fehlt im Zeitungsartikel. Der Artikel zitiert verschiedene Experten der beteiligten Bundesinstitute, jedoch keine weiteren Fachleute, etwa aus der Industrie. Forderungen von Verbraucherschutzorganisationen werden kurz erwähnt (Kennzeichnungspflicht und Produktregister), jedoch auch von dieser Seite gibt es keine weiteren Quellen oder Experten im Artikel. Daher werten wir „knapp nicht erfüllt“.

4. PRO UND CONTRA: Die wesentlichen Standpunkte werden angemessen dargestellt.

Die Diskussion um Nutzen und Risiken von Nanomaterialien steht im Zentrum des Artikels, der den Bericht der Bundesinstitute zum Stand der Sicherheitsforschung zusammenfasst. Die positiven Wirkungen der Nanoteilchen werden dargestellt, ebenso wie die erwiesenen und vermuteten Risiken. Es werden Argumente für und gegen den Einsatz von Nanomaterialen genannt, wenngleich nicht in jedem Fall überzeugend begründet. Sowohl die Vorteile durch den Einsatz von Nanomaterialien als auch die Risiken für Gesundheit und Umwelt bleiben recht vage. Auch kommen keine Anwender zu Wort (siehe dazu auch 3. „Belege/ Quellen“); der Artikel beschränkt sich allein auf die Risikoforschung, und auch in diese hätte man sicherlich noch etwas tiefer einsteigen können. Insgesamt werten wir dennoch „erfüllt“.

5. Der Beitrag geht über die PRESSEMITTEILUNG/ das Pressematerial hinaus.

Die zum Thema des Zeitungsartikels vorliegende Pressemitteilung der beteiligten fünf Ressortforschungseinrichtungen ist eine Einladung zur Pressekonferenz und benennt kurz und recht abstrakt die dort vorgestellten Themen. Der Beitrag geht deutlich darüber hinaus. Alle konkreten Beispiele, die im Artikel genannt werden (sowohl zum Einsatz der Nanoteilchen als auch zu den konkreten Risiken) sowie die verschiedenen Zitate stammen nicht aus der Pressemitteilung.

6. Der Beitrag macht klar, wie ALT oder NEU ein Umweltproblem, eine Umwelttechnik, ein Regulierungsvorschlag o.ä. ist.

Die zeitliche Einordnung erscheint korrekt. Der Beitrag weist darauf hin, dass die Risikoforschung des Bundes seit 2007 an dem Thema arbeitet. Allerdings fehlt ein Hinweis auf den teils vorgelagerten, teils parallel verlaufenen Nano-Dialog mit der Zivilgesellschaft, in dem ein großer Teil der Forschungsfragen entstanden war. Insgesamt wird deutlich, dass die Nanotechnologie noch relativ jung ist und vor allem die Sicherheitsforschung dazu noch in den Kinderschuhen steckt.

7. Der Beitrag nennt - wo möglich - LÖSUNGSHORIZONTE und HANDLUNGSOPTIONEN.

Es liegt in der Natur des Themas, dass es keine abschließenden Antworten gibt. Auf zwei mögliche Lösungen, nämlich auf Nano-Röhrchen und Fullerene („Nano-Fußbällchen“) zu verzichten, wird hingewiesen. Allerdings bleibt die Tragweite dieses Verzichts im Text unklar. Ferner werden Forderungen von Verbraucherschützern – wie Kennzeichnungspflicht und Produktregister – genannt, allerdings nicht weiter ausgeführt. Es fehlen einige Informationen, die sich im zugrundeliegenden Bericht finden, und die für Leserinnen und Leser sehr interessant wären: Bei Lebensmitteln z.B. ist eine Kennzeichnung von Nano-Inhaltsstoffen ab 2014 vorgeschrieben, bei Kosmetika bereits ab 2013. Das Problem, dass Nanomaterialien durch das Europäische Chemikalienrecht REACH praktisch nicht erfasst werden, wird zumindest kurz erwähnt. Insgesamt werten wir „knapp erfüllt“.

8. Die RÄUMLICHE DIMENSION (global/lokal) wird dargestellt.

Zwar geht es in dem Forschungsprojekt um die deutsche Nano-Risikoforschung. Doch wenngleich diese im Vordergrund steht, wäre zumindest eine grobe räumliche Einordnung des Themas nötig: Verbreiten sich Nano-Materialien global in der Umwelt oder ist ihr Verbleib lokal beschränkt? Die globale Dimension kommt in dem Text jedoch gar nicht vor. Wie verbreitet Nanomaterialien sind – in Deutschland, in Europa, weltweit – wird ebenfalls nicht thematisiert, ebenso wenig der Stand der internationalen Risikoforschung. In der zugrunde liegenden Bilanz der Wissenschaftler selbst werden europäische Forschungsprojekte erwähnt, und es wird deutlich, dass Regelungen auf europäischer Ebene gefunden werden müssen. Solche Aspekte kommen in den Beitrag aber zu kurz.

9. Die ZEITLICHE DIMENSION (Nachhaltigkeit) wird dargestellt.

Der Artikel macht deutlich, dass es sich um ein Dauerproblem handelt: Nanopartikel sind in immer mehr Produkten vorhanden. Auch wird zumindest kurz erwähnt, dass unklar ist „was mit Nanopartikeln im Lauf der Zeit passiert“. Darüber hinaus gibt es faktisch nur wenige Informationen, das kann man dem Text nicht anlasten. Das Kriterium ist damit „knapp erfüllt“.

10. Der politische/ wirtschaftliche/ soziale/ kulturelle KONTEXT (z.B. KOSTEN) wird einbezogen.

Der Beitrag orientiert sich eng an der Sicherheitsforschung. Leserinnen und Leser erfahren nichts über die wirtschaftliche Bedeutung der Nano-Teilchen (mit Ausnahme eines Hinweises auf die Höhe der Forschungsmittel, die der Bund für die Erforschung von Nanomaterialien aufwendet, und dass die Sicherheitsforschung dazu nur einen Anteil von fünf Prozent ausmacht). Auf wirtschaftliche und soziale Aspekte wird nicht eingegangen: Wie groß sind beispielsweise die Profite, die mit der Herstellung von Nanomaterialien erzielt werden? Was würde es bedeuten, auf sie zu verzichten? Insgesamt fehlt eine Einordnung in den Kontext. Der Nano-Dialog, ein immerhin fünfjähriger Austausch von Regierung, Wirtschaft und Zivilgesellschaft, wird gar nicht erwähnt.

Allgemeinjournalistische Kriterien

1. Das THEMA ist aktuell, relevant oder originell. (THEMENAUSWAHL)

Es handelt sich um ein aktuelles und relevantes Thema – womöglich eines der großen kommenden Themen in der Umweltdebatte. Die Veröffentlichung der Bilanz der Ressortforschungseinrichtungen ist ein passender Anlass für einen Bericht.

2. Die journalistische Darstellung des Themas ist gelungen. (VERSTÄNDLICHKEIT/VERMITTLUNG)

Der Artikel ist verständlich geschrieben und kommt ohne Fachjargon aus. Er nennt konkrete Anwendungen und Beispiele für Nanomaterialien, so dass die Relevanz des Themas deutlich wird. Auch gelingt es gut, das Ausmaß des Unwissens in diesem Forschungsbereich zu beschreiben. Allerdings werden fast schon zu viele Dinge angesprochen und dann eher oberflächlich dargestellt; hier wäre es besser gewesen, einige Aspekte auszuwählen und weiter zu vertiefen. So wird beispielsweise nicht deutlich, warum gerade Fullerene und Nanoröhrchen als riskant gelten, wofür sie eingesetzt werden und welche Folgen ein Verzicht hätte. Insgesamt entsteht der Eindruck, dass hier unter großem Zeitdruck über eine Pressekonferenz berichtet werden musste, und keine Gelegenheit blieb, weitere Hintergründe zu recherchieren. Insgesamt ist werten wir aber noch „erfüllt“.

3. Die Fakten sind richtig dargestellt. (FAKTENTREUE)

Uns sind keine Faktenfehler aufgefallen.

Umweltjournalistische Kriterien: 6 von 10 erfüllt

Allgemeinjournalistische Kriterien: 3 von 3 erfüllt

Title

Kriterium erfüllt

Kriterium nicht erfüllt

Kriterium nicht anwendbar