Bewertet am 17. Mai 2013
Veröffentlicht von: taz - die tageszeitung

Einige Bestände von Polarfüchsen in der Arktis sind drastisch geschrumpft. Das könnte unter anderem daran liegen, dass diese Tiere sich von Beute ernähren, die stark mit giftigem Quecksilber belastet ist, ergab eine aktuelle Studie. Der Artikel berichtet über die wesentlichen Ergebnisse und legt dar, dass wahrscheinlich auch ein Zusammenhang mit dem Klimawandel besteht.

Zusammenfassung

Der Beitrag berichtet über eine aktuelle Fachpublikation zur Belastung von Polarfüchsen mit Quecksilber über die Nahrung. Das Thema ist zusätzlich relevant, weil auch Menschen durch Quecksilber-haltige Fische und andere Meerestiere gefährdet sein könnten. Besonders hoch belastet sind Polarfüchse demnach an der Küste, wo sie sich fast ausschließlich von Seevögeln ernähren; weniger belastet sind inländische Fuchs-Populationen, die eher Landtiere erbeuten. Offenbar reichert sich das Quecksilber aus Meerestieren über die Nahrungskette an. Da eine hoch  mit Quecksilber belastete Fuchs-Gruppe in der Vergangenheit stark geschrumpft ist, liegt der Schluss nahe, dass Gesundheitsschäden durch Quecksilber die Ursache waren. Der Artikel stellt es allerdings so dar, als sei dieser Zusammenhang erwiesen, während die Fachpublikation lediglich von einer Korrelation spricht. Im Zeitungsartikel wird deutlich, dass das Problem der Quecksilberbelastung arktischer Tiere schon länger bekannt ist, allerdings fehlen genauere Zahlen. Insbesondere hebt der Artikel hervor, dass durch die Erderwärmung verstärkt Eis abschmilzt und so zuvor abgelagertes Quecksilber frei wird. Der Beitrag ordnet die aktuellen Forschungsergebnisse in frühere Messergebnisse ein. Dagegen wird die räumliche Dimension des Problems nicht genügend deutlich: Weder erläutert der Artikel, dass ein dramatischer Rückgang der Füchse nur auf einer kleinen Insel beobachtet wurde, noch erläutert er, wie es global mit der Quecksilberbelastung aussieht.

Title

Umweltjournalistische Kriterien

1.KEINE VERHARMLOSUNG/ PANIKMACHE: Umweltprobleme werden weder bagatellisiert noch übertrieben dargestellt.

Das Umweltproblem wird nicht übertrieben dargestellt, sondern weitgehend nüchtern analysiert, indem beschrieben wird, dass die Reproduktionsrate der Füchse sinkt und die Sterberate steigt. Wünschenswert wäre es allerdings gewesen, dies auch zu quantifizieren. Der Sprachduktus ist insgesamt zugespitzt und betont die Quecksilberkontamination und die Gefährdung der Tiere. Doch halten wir Formulierungen wie den „regional dramatischen Rückgang im Bestand der Polarfüchse“ angesichts der in der Fachveröffentlichung genannten Zahlen noch für vertretbar. Etwas unglücklich ist indes die Hervorhebung des Klimawandels in der Überschrift, denn dieser ist ja nur mittelbare Ursache des Problems (da bei Schmelzen des Eises Quecksilber frei wird).

2. BELEGE/ EVIDENZ: Studien, Fakten und Zahlen werden so dargestellt, dass deren Aussagekraft deutlich wird.

Der Zeitungsartikel verzichtet weitgehend auf Zahlen, die es Leserinnen und Lesern ermöglichen würden, die Bedrohung der Polarfüchse einzuschätzen. So wäre die Information interessant gewesen, dass sich bei dem geschilderten Einbruch der Fuchspopulation die Anzahl der Tiere auf  der im Fachartikel erwähnten russischen Insel Mednyi von rund 1000 auf 100 reduziert hat. Die wenigen im Text genannten Zahlen sind wenig aussagekräftig, so etwa der Hinweis, dass die Quecksilberbelastung an der Spitze der Nahrungspyramide „um das Zehnfache“ angestiegen sei. Hier wären absolute Zahlen sinnvoll, und man hätte die Werte in eine Relation setzen müssen (Ab welcher Konzentration rechnet man mit toxischer Wirkung? Welche Grundbelastungen durch Quecksilber kennt man von anderen Analysen, etwa von  Menschenhaar?). Vor allem aber erweckt der Artikel den Anschein, dass der Zusammenhang von Quecksilberbelastung und Rückgang der Polarfüchse erwiesen sei („Hohe Sterblichkeits- und geringe Reproduktionsraten sind die Folge.“). In der Tat wurde gezeigt, dass die Anzahl der Tiere sich in einer belasteten Population stark verringert hat, und diese in einem schlechten Gesundheitszustand sind. Auch konnten die Forscher Krankheitserreger als Ursache für den Populationsrückgang weitgehend ausschließen. Das unterstützt den Quecksilberverdacht, doch ist eine solche Korrelation noch kein Beweis. Es kämen beispielsweise andere Umweltgifte als Ursache in Frage, die sich ebenfalls in Meerestieren anreichern, wie es der Fachartikel anspricht.

3. EXPERTEN/ QUELLENTRANSPARENZ: Quellen werden benannt, Interessenkonflikte deutlich gemacht.

Die Online-Fachzeitschrift Plos One wird als Quelle korrekt angegeben und einer der Autoren – Gábor Czirják vom Leibniz Institut für Zoo- und Wildtierforschung – wird zitiert. Anhaltspunkte für Interessenkonflikte liegen bei diesem Thema nicht vor, es ist daher vertretbar, dass der Artikel darauf nicht explizit eingeht. Allerdings wäre es besser gewesen zu erwähnen, dass der zitierte Wissenschaftler zu den Autoren der Studie gehört. Darüber hinaus bezieht sich der Beitrag auf  das AMAP („Arctic Monitoring and Assessment Programme“), eine Arbeitsgruppe des Arktischen Rates, und er nennt die „Internationale Union für die Bewahrung der Natur“ (International Union for Conservation of Nature , IUCN) als weitere Quelle. Damit ist das Kriterium noch erfüllt.

4. PRO UND CONTRA: Die wesentlichen Standpunkte werden angemessen dargestellt.

Die Ergebnisse der Studie lassen nicht erwarten, dass es hierzu eine grundsätzliche oder gar mit vergleichbaren Daten begründete Gegenrede geben kann. Wir haben bei einer kurzen Recherche auch keine Fachpublikationen gefunden, die der Darstellung widersprechen. Daher bewerten wir dieses Kriterium als „nicht anwendbar“.

5. Der Beitrag geht über die PRESSEMITTEILUNG/ das Pressematerial hinaus.

Der Beitrag orientiert sich zwar auch an einer Pressemitteilung des Forschungsverbundes Berlin, geht aber beispielsweise mit der Passage zu früheren AMAP-Messungen von Quecksilber in arktischen Tieren, und mit dem Hinweis zur Herkunft des Quecksilbers darüber hinaus. Eine wichtige Zusatzinformation wäre die Erläuterung gewesen, warum die erwähnten Kohlekraftwerke überhaupt Quecksilber ausstoßen (weil dieses in der Kohle von Natur aus enthalten ist). Insgesamt ist das Kriterium erfüllt.

6. Der Beitrag macht klar, wie ALT oder NEU ein Umweltproblem, eine Umwelttechnik, ein Regulierungsvorschlag o.ä. ist.

Durch den Hinweis auf frühere Warnungen des Arktischen Rats wird zwar deutlich, dass das Thema nicht erst seit gestern auf der Agenda von Forschern steht, die sich mit der Arktis beschäftigen. Allerdings verschweigt der Beitrag, dass der dramatische Rückgang der Polarfüchse auf der Insel Mednyi schon Jahrzehnte zurückliegt, und die Population derzeit – auf sehr viel niedrigerem Niveau – stabil ist. Die Formulierung im Artikel „WissenschaftlerInnen deutscher, russischer und isländischer Forschungsinstitute berichten nun von einem regional dramatischen Rückgang im Bestand der Polarfüchse“ erweckt den Eindruck, dieser Rückgang sei gerade erst eingetreten. Daher werden wir „nicht erfüllt“.

7. Der Beitrag nennt – wo möglich – LÖSUNGSHORIZONTE und HANDLUNGSOPTIONEN.

Zu Handlungsmöglichkeiten kommt der Beitrag erst ganz zum Schluss mit dem Wissenschaftler-Zitat: „Wolle man den Polarfuchs retten, sei es besser, ‚in die inländischen Populationen zu investieren‘, erklärte der Biologe Gábor Czirják vom Berliner Leibniz-Institut für Zoo- und Wildtierforschung. Die Bestände an der Küste seien zu schwer von ihrer kontaminierten marinen Nahrungsgrundlage zu trennen.“ Zumindest wäre ein Hinweis nötig gewesen, was konkret für die Füchse im Inland getan werden könnte. Darüber hinaus wären trotz des knappen Platzes noch ein paar wenige Sätze wünschenswert zu der Frage, wie sich die Quecksilberbelastung insgesamt –  auch für Menschen in arktischen Regionen – verringern ließe. Wie steht es mit der Quecksilber-Abscheidung aus den Rauchgasen von Kohlekraftwerken? Was müsste international geschehen, um die Emissionen zu senken? Wir werden daher knapp „nicht erfüllt“.

8. Die RÄUMLICHE DIMENSION (global/lokal) wird dargestellt.

Obwohl der Text eine punktuelle Untersuchung zum Thema hat, wäre eine stärkere räumliche Einordnung der Ergebnisse erforderlich. So wird nicht deutlich, dass der dramatische Rückgang der Polarfüchse (soweit er in dem zugrunde liegenden Paper dargestellt ist) nur eine bestimmte Insel betrifft. Zugleich ist die Quecksilberbelastung der Meere ein globales Problem. Hier bleiben zum Beispiel die Fragen unbeantwortet, in welchem Maße die Quecksilberbelastung bereits alle Weltmeere betrifft, und ob sie in den arktischen Regionen höher ist als anderswo.

9. Die ZEITLICHE DIMENSION (Nachhaltigkeit) wird dargestellt.

Durch den Hinweis auf die Industrialisierung wird die zeitliche Dimension einigermaßen deutlich: Das Quecksilber hat sich seit Beginn des Industriezeitalters in arktischen Regionen angesammelt und wird jetzt durch vermehrte Eisschmelze wieder freigesetzt. Im Artikel heißt es: „Vor allem aber sind es Altlasten. Aus den Schornsteinen der Kohlekraftwerke in Ländern der Nordhalbkugel gelangten seit Beginn der Industrialisierung quecksilberhaltige Emissionen über Niederschläge in die Nordpolarregion (…) . Mit den in der Arktis nun massiv steigenden Temperaturen wird das Gift wieder frei.“ Hier wären zwar nähere Auskünfte zu den zeitlichen Abläufen wünschenswert: Seit wann wird Quecksilber durch die Klimaerwärmung vermehrt freigesetzt? Wie hoch ist dieser Anteil gegenüber den aktuellen Quecksilberemissionen aus Kraftwerken? Da dies aber nur ein Nebenthema im Artikel ist (wenngleich durch die Überschrift hervorgehoben) werten wir „noch erfüllt“.

10. Der politische/ wirtschaftliche/ soziale/ kulturelle KONTEXT (z.B. KOSTEN) wird einbezogen.

Der Kontext wird im Artikel kurz erwähnt, z.B. mit dem Hinweis auf die Industrialisierung als Ursache der Quecksilberemissionen und die Menge der aktuellen Emissionen aus Kohlekraftwerken. Folgen für Menschen in arktischen Regionen, beispielsweise Gesundheitsgefahren durch Quecksilber-kontaminierte Nahrung, werden genannt. Weitere politische und wirtschaftliche Informationen im Zusammenhang mit Quecksilberemissionen hätten den Text allerdings aussagekräftiger gemacht. Auch ökologische Konsequenzen wären interessant gewesen: Mit welchen Folgen für das Ökosystem wäre zu rechnen, wenn der Polarfuchs zumindest regional fast ausgerottet wird? Wir werten daher nur „knapp erfüllt“.

Allgemeinjournalistische Kriterien

1. Das THEMA ist aktuell, relevant oder originell. (THEMENAUSWAHL)

Anlass der Berichterstattung ist eine aktuelle wissenschaftliche Publikation. Das Thema Quecksilber in der Nahrungskette ist zweifellos relevant, insbesondere, da belastete Meerestiere auch als Nahrungsquelle für den Menschen eine Rolle spielen. Der Zusammenhang mit dem Klimawandel gibt dem Thema weitere Brisanz.

2. Die journalistische Darstellung des Themas ist gelungen. (VERSTÄNDLICHKEIT/VERMITTLUNG)

Der Text ist verständlich geschrieben, so dass auch der Laie den Sachverhalt gut nachvollziehen kann. Allerdings legt der Beitrag nahe, dass ein ursächlicher Zusammenhang besteht, obwohl dieser nicht eindeutig nachgewiesen ist (siehe dazu umweltjournalistisches Kriterium 2, „Belege /Evidenz“).

3. Die Fakten sind richtig dargestellt. (FAKTENTREUE)

Wir haben über das unter 2. „Verständlichkeit/ Vermittlung“ bereits genannte Problem hinaus keine Hinweise auf gravierenden Faktenfehler gefunden. Zu hinterfragen wäre bei genauerem Hinsehen allerdings, ob das Quecksilber – wie die Formulierung „über Niederschläge“ nahelegt – tatsächlich vorwiegend mit Regen und Schnee in die Polarregion eingetragen wurde, oder eher als Dampf dort hingelangt und im Eis wieder kondensiert. ( Durch den „cold condensation effect“ schlagen sich auch wasserunlösliche, flüchtige Substanzen in den Polarregionen nieder, weil sie dort wie bei einer Destillation kondensieren.)

Umweltjournalistische Kriterien: 5 von 9 erfüllt

Allgemeinjournalistische Kriterien: 3 von 3 erfüllt

Title

Kriterium erfüllt

Kriterium nicht erfüllt

Kriterium nicht anwendbar