Bewertet am 1. Februar 2019
Veröffentlicht von: Potsdam Institut für Klimafolgenforschung (PIK)

Nicht nur innerhalb ihrer Stadtgrenzen verursachen Stadtbewohner Emissionen von Treibhausgasen, sondern etwa ebenso viele auch außerhalb, durch Import von Gütern und Dienstleistungen. Das ergab eine Studie des Potsdam Instituts für Klimafolgenforschung (PIK), die diese indirekten Emissionen am Beispiel von vier Städten quantifiziert. Die Pressemiteilung dazu hebt die eigenständigen Handlungsmöglichkeiten der lokalen Politik hervor. Dass über das PIK hinaus drei weitere Institute an der Studie beteiligt waren, erwähnt sie nicht.

Zusammenfassung

Die Pressemittteilung des Potsdam Instituts für Klimafolgenforschung (PIK) berichtet über eine in der Fachzeitschrift „Scientific Reports“ erschienene Studie zu den direkten und indirekten Treibhausgasemissionen von vier Großstädten. Die indirekten Emissionen – also die außerhalb der Stadt anfallenden Emissionen – seien „in etwa gleich groß wie die Gesamtemissionen aus dem eigenen Stadtgebiet“ heißt es. Die Städte könnten also durch Veränderungen, etwa im Verkehr oder in der Bautätigkeit, mehr Einfluss auf den Klimawandel nehmen als bislang vermutet. Der Text nennt an verschiedenen Stellen informative Zahlen und Fakten. Die möglichen Unsicherheiten und Fehlerquellen der angewendeten Methode werden dabei jedoch nicht beschrieben. Die globale Ausrichtung und Aussagekraft der Untersuchung wird im Text gut herausgearbeitet. Konkrete Beispiele und Handlungsoptionen sowie Zitate der beteiligten Wissenschaftler illustrieren die Ergebnisse der wissenschaftlichen Studie anschaulich und machen den Text verständlich und gut lesbar.

Den gleichen Beitrag haben Laiengutachter des Projekts Medien-Doktor CITIZEN begutachtet.

Außerdem wurde im Rahmen eines Forschungsprojekts eine Inhaltsanalyse erstellt.

Title

Umweltjournalistische Kriterien

1. KEINE ÜBERTREIBUNG/VERHARMLOSUNG: Risiken und Chancen werden weder übertrieben dargestellt noch bagatellisiert.

Die Pressemitteilung berichtet in sachlichem Ton über eine Studie zu den direkten und indirekten Treibhausgasemissionen von vier Großstädten. Aus der Pressemitteilung wird klar, dass die bisherigen internationalen Vereinbarungen nicht ausreichen, um das Zwei-Grad-Ziel zu erreichen, und dass Städte weltweit einen erheblichen zusätzlichen Beitrag zur Senkung der Treibhausgasemissionen leisten könnten. Wie groß die Reduktionen sein könnten, wird allerdings nicht quantifiziert – hier hätten wir zumindest eine grobe Schätzung interessant gefunden. Weder das methodische Vorgehen der Wissenschaftler noch die im Text vorgestellten Ergebnisse werden übertrieben positiv oder negativ dargestellt.

2. BELEGE/EVIDENZ: Studien, Fakten und Zahlen werden so dargestellt, dass deren Aussagekraft deutlich wird.

Der Text nennt Zahlen und Fakten, die ein recht differenziertes Bild zeichnen. So wird deutlich, dass sich die direkten lokalen Treibhausgas-Emissionen – etwa durch Heizung und Verkehr – mit den indirekten, die nicht innerhalb der Stadtgrenzen entstehen – beispielsweise durch die außerhalb der Stadt erfolgende Produktion von Konsumgütern, Strom und Baumaterialien für die Stadtbewohner – ungefähr die Waage halten. Außerdem wird aufgezeigt, dass dies Verhältnis auch für Großstädte mit einem sehr unterschiedlichen absoluten Pro-Kopf-Ausstoß gilt (z.B. New York und Delhi). Zu den angewendeten statistischen Methoden heißt es nur knapp: „Ihr Team analysierte riesige Mengen vorhandener Daten über den ökonomischen Input und Output aller Weltregionen und kombinierte diese erfolgreich mit Daten über die Emissionsintensität der Produktion in vielen verschiedenen Sektoren sowie dem Konsum von Haushalten in konkreten Städten.“ Hier hätten wir uns genauere Angaben zu den verwendeten Daten und Verfahren gewünscht. Die möglichen Unsicherheiten und Fehlerquellen dieser Methodik, die in der zugehörigen wissenschaftlichen Veröffentlichung angesprochen werden, erwähnt die Pressemitteilung nicht. Auf die Frage, wie genau derartige Berechnungen sein können, geht sie nicht ein. Wir werten daher nur „knapp erfüllt“.

3. EXPERTEN/QUELLENTRANSPARENZ: Quellen werden benannt, Abhängigkeiten deutlich gemacht und zentrale Aussagen durch mindestens zwei Quellen belegt.

In der Pressemitteilung wird auf die zugehörige wissenschaftliche Veröffentlichung hingewiesen und diese verlinkt. Eine zweite Quelle oder externe Einschätzung wird nicht angeführt, für Pressemitteilungen verlangen wir dies aber auch nicht zwingend. Besondere Interessenkonflikte sind laut Originalpublikation nicht anzugeben.
Ein Mangel ist es jedoch, dass aus dem Text nicht deutlich wird, dass über das PIK Potsdam hinaus drei weitere Institute beteiligt waren, nämlich das Center for Environment and Sustainability der Western State Colorado University, USA, das World Resources Institute in Washington DC sowie das Department of Cultural History & Theory and Department of Social Sciences der Humboldt Universität Berlin. Es kann so der falsche Eindruck entstehen, dass die Studie allein vom PIK Potsdam durchgeführt wurde. Daher werten wir „knapp nicht erfüllt“.

4. PRO UND CONTRA: Es werden die wesentlichen relevanten Standpunkte angemessen dargestellt.

Die Studie schlägt eine Methode vor, um die Klimabilanz von Städten vergleichbar zu machen. Über die Frage, wie der Treibhausgas-Fußabdruck einer Stadt zu ermitteln ist, und wie sich unterschiedliche Städte in dieser Hinsicht vergleichen lassen, kennen wir keine Kontroverse. Deshalb wenden wir dieses Kriterium nicht an.

5. PRESSEMITTEILUNG: Der Beitrag geht deutlich über die Pressemitteilung/das Pressematerial hinaus.

Dieses Kriterium wenden wir bei Pressemitteilungen nicht an.

6. ALT oder NEU: Der Beitrag macht klar, ob es sich um ein neu aufgetretenes Umweltproblem, eine innovative Umwelttechnik o.ä. handelt, oder ob diese schon länger existieren.

In der Pressemitteilung wird erwähnt, dass die Autoren der Studie „den ersten international vergleichbaren Treibhausgas-Fußabdruck“ von Städten aus Industrie- und Entwicklungsländern berechneten. Eine Autorin wird mit der Aussage zitiert, dass „bisher das Messen der indirekten Emissionen von städtischen Haushalten oft als nicht machbar angesehen wurde, zumindest schien ein globaler Städtevergleich kaum möglich.“ Gut wäre es gewesen, zu dieser bisherigen Einschätzung der „Nicht-Machbarkeit“ eine Quelle anzugeben. Die Aussagen der Pressemitteilung verweisen aber zumindest in allgemeiner Form darauf, dass es schon andere Überlegungen zum Thema gab und dass die hier vorgestellte Studie als innovativ gilt. Schön wären Angaben dazu gewesen, was an der Methodik das Neuartige ist (siehe auch Kriterium 2).

7. LÖSUNGSHORIZONTE und HANDLUNGSOPTIONEN / kein „Greenwashing“: Der Beitrag nennt Wege, um ein Umweltproblem zu lösen, soweit dies möglich und angebracht ist.

Im Text werden verschiedene Beispiele dafür genannt, dass die Ergebnisse der Studie konkrete Handlungsmöglichkeiten aufzeigen. So könne der Einsatz von weniger CO2-intensiven Baustoffen, wie etwa Holz statt Beton, den indirekten Ausstoß von Treibhausgasen reduzieren.  Die Erhöhung der Dämmstandards für Gebäude würde die lokalen Emissionen durch die Senkung des Heizenergiebedarfs mindern und den Bedarf an elektrischer Kühlung im Sommer verringern, was die Stromerzeugung und damit den Ausstoß von Treibhausgasen in Kraftwerken außerhalb der Stadtgrenzen reduziert. Der tatsächliche Handlungsspielraum der Städte auf diesen Gebieten hätte allerdings konkreter dargestellt werden können – wie groß sind die Möglichkeiten einer Stadt, wo sind sie, z.B. aufgrund nationaler Vorgaben und Gesetze, begrenzt?

8. RÄUMLICHE DIMENSION (lokal / regional / global): Die räumlichen Dimensionen eines Umweltthemas werden dargestellt.

Die Meldung enthält schon durch die Konzeption der vorgestellten wissenschaftlichen Studie eine globale Ausrichtung, da die vier untersuchten Großstädte auf verschiedenen Kontinenten und in Ländern unterschiedlichen wirtschaftlichen Entwicklungsstandes liegen. Außerdem stellen sowohl die Studie als auch die Pressemeldung heraus, wie groß die globale Reichweite der vorgelagerten Emissionen ist. („Im Falle Berlins entstehen mehr als die Hälfte der vorgelagerten Emissionen außerhalb Deutschlands, vor allem in Russland und China, sowie in der Europäischen Union.“). Man hätte zwar gerne erfahren, woran das in erster Linie liegt, aber die Reichweite wird deutlich. Gegen Ende der Pressemitteilung wird angeführt, dass die von den Wissenschaftlern entwickelte Methodik nun prinzipiell an jedem Ort anwendbar sei und eine effektivere Zusammenarbeit zwischen Städten ermögliche, um ihren Treibhausgas-Fußabdruck zu verringern.

9. ZEITLICHE DIMENSION (Nachhaltigkeit): Die zeitliche Reichweite eines Umweltproblems oder Phänomens wird dargestellt.

Leider liefert die Pressemitteilung keinerlei zeitliche Orientierung. Einer der Autoren der Studie wird mit der Aussage zitiert, dass weltweit nun Städte ermutigt und befähigt werden müssten, ihr gesamtes Emissionsspektrum – lokale und vorgelagerte Emissionen – zu beobachten. Dadurch könnten die notwendigen und ambitionierten Pläne vieler Städte zur Einhaltung der 2-Grad-Grenze verwirklicht werden. Doch in welchem Zeitraum sich das auswirken würde, wird nicht angesprochen. Würde eine Stadt etwa bei heutigen Bauprojekten ihre Vorschriften ändern, soweit das im nationalen Baurecht möglich ist, wirkt sich das erst Jahre später aus. Zwar gewinnen die Städte im Klimaschutz mit zunehmender Urbanisierung zweifellos an Bedeutung, aber auch dazu wäre eine Jahreszahl hilfreich gewesen (z.B. „Anteil Stadtbevölkerung im Jahr 2030″). Insgesamt wird die zeitliche Dimension in der Pressemitteilung nicht ausreichend beachtet.

10. KONTEXT/KOSTEN: Es werden politische, soziale oder wirtschaftliche Aspekte eines Umweltthemas einbezogen.

Die Pressemitteilung nimmt Bezug auf die UN-Klimakonferenz in Bonn, die zum Zeitpunkt der Veröffentlichung stattfand, und stellt die Studie damit in einen größeren Zusammenhang. Insbesondere betonen die Autoren der Studie „die Macht der Städte – als offene, verdichtete und vernetzte Systeme – den Klimawandel auch in Zeiten unsicherer nationaler und internationaler Klimapolitik anzugehen“. Das werde von vielen lokalen Entscheidungsträgern und einem Großteil der internationalen Gemeinschaft unterschätzt. Damit werden die Forschungsergebnisse zwar knapp, aber noch ausreichend in den politischen Kontext eingeordnet.

Darstellung

1. THEMENAUSWAHL: Das Thema ist aktuell, oder auch unabhängig von aktuellen Anlässen relevant oder originell.

Die Bilanzierung von Treibhausgasemissionen und die Möglichkeit diese zu mindern sind unzweifelhaft ein wichtiges Thema. Seit Klimaverhandlungen auf Staatenebene mehrfach nicht die erhofften Resultate geliefert haben, werden von Vielen Hoffnungen in Initiativen beispielsweise von Städten gesetzt – die Studie greift also eine relevante Fragstellung auf. (Sinnvoll wäre es gewesen, hier auf entsprechende Netzwerke wie etwa C40 hinzuweisen). Die Veröffentlichung der Studie und die zum Zeitpunkt der Pressemeldung laufende Klimakonferenz sind angemessene aktuelle Anlässe für eine Pressemitteilung.

2. VERMITTLUNG: Komplexe Umweltzusammenhänge werden verständlich gemacht.

Die Pressemitteilung ist sprachlich verständlich und klar strukturiert. Konkrete Beispiele und Handlungsoptionen machen die Ergebnisse der wissenschaftlichen Studie anschaulich.

3. FAKTENTREUE: Der Beitrag gibt die wesentlichen Daten und Fakten korrekt wieder.

Abgesehen von einem falsch geschriebenen Namen („Tim Zwickel“ heißt Timm Zwickel) sind uns keine Fehler aufgefallen.

6 von 8 anwendbaren umweltjournalistischen Kriterien sind „erfüllt“ oder „eher erfüllt“

3 von 3 allgemeinjournalistischen Kriterien sind „erfüllt“ oder „eher erfüllt“

 

 

 

Title

Kriterium erfüllt

Kriterium nicht erfüllt

Kriterium nicht anwendbar