Laut einer Pressemitteilung des Deutschen Biomasseforschungszentrums fehlte es bislang an einer Technik, die Staub und Stickoxide aus den Abgasen kleiner Verbrennungsanlagen herausfiltert. Ein Konsortium aus Unternehmen und Forschungsinstituten habe dafür eine Abgasreinigung entwickelt, die noch in der Praxis erprobt werden müsse. Leider gelingt es nicht, das Verfahren verständlich zu beschreiben.
Zusammenfassung
Die Pressemitteilung des gemeinnützigen Deutschen Biomasseforschungszentrums stellt ein Verfahren vor, das Staub und Stickoxide in den Abgasen kleiner Verbrennungsanlagen (bis 1 MW) für landwirtschaftliche und biogene Reststoffe vermindern soll. Hierfür gäbe es bislang, anders als für größere Anlagen, noch keine geeignete Technik, mit der sich die Grenzwerte einhalten lassen. Es wird deutlich, dass das Verfahren noch weiterentwickelt werden muss, bis es praxisreif ist. Wie es genau funktioniert, erfährt man indes nicht, zumal ein im Text erwähnter Infokasten zum Verfahren fehlt. Auch sonst bleibt manches unverständlich in der sehr fachsprachlich gehaltenen Pressemitteilung, so etwa, was es mit dem „Ammoniak-Schlupf“ auf sich hat, oder welche Grenzwerte ab welchem Zeitpunkt einzuhalten sind.
Ein neues Verfahren zur Verringerung von Emissionen scheint prinzipiell relevant, doch fehlt der nötige Kontext, um die Bedeutung quantitativ zu beurteilen – so hätte man gern erfahren, wie hoch der Anteil solcher Kleinanlagen an den Gesamtemissionen ist. Auch zur zeitlichen Entwicklung der Reststoffverbrennung, von der es im Text nur vage heißt, sie nehme zu, erfahren Leserinnen und Leser nichts Konkretes, ebenso wenig zu der Frage, in welchen Regionen das Problem eine Rolle spielt.
Die Pressemitteilung nennt zwar die Beteiligten des Konsortiums aus Firmen und Forschungseinrichtungen, das das Verfahren entwickelt hat, es fehlt aber jeder Hinweis darauf, dass es aus öffentlichen Mitteln finanziert wurde.
Den gleichen Beitrag haben Laien-Gutachter des Projekts Medien-Doktor CITIZEN bewertet.
Außerdem wurde im Rahmen eines Forschungsprojekts eine Inhaltsanalyse erstellt.
Umweltjournalistische Kriterien
1. KEINE ÜBERTREIBUNG/VERHARMLOSUNG: Risiken und Chancen werden weder übertrieben dargestellt noch bagatellisiert.
Die Pressemitteilung erläutert, dass Abgase aus der Reststoffverbrennung auch bei kleinen Anlagen gereinigt werden müssen, um die Feinstaub- und Stickoxid-Grenzwerte einzuhalten. Eine ausführliche Darstellung der Risiken solcher Emissionen halten wir an dieser Stelle nicht für erforderlich. Spezielle Risiken der Technologie, die hier erklärt werden müssten, können wir ebenfalls nicht erkennen. Sowohl die Überschrift als auch die Unterzeile („Weniger Staub und Stickoxide in Feuerungen mit einer Leistung bis 1 MW“) sind sachlich formuliert. Im Text werden die bislang erzielten Ergebnisse zwar als „erfolgreiche Entwicklung“ dargestellt, aber zugleich deutlich gemacht, dass das Verfahren, auch im Hinblick auf künftige schärfere Grenzwerte, weiter optimiert werden muss, und praktische Feldversuche noch ausstehen. Damit werden die bisherigen Erfolge nicht übertrieben dargestellt.
2. BELEGE/EVIDENZ: Studien, Fakten und Zahlen werden so dargestellt, dass deren Aussagekraft deutlich wird.
Der Text schildert das Verfahren nur grob. Zur „selektiven katalytischen Reduktion (SCR)“ wird auf einen Infokasten verwiesen, der der Pressemitteilung in der vom Informationsdienst Wissenschaft verbreiteten Fassung indes nicht beigefügt ist. Es werden zwar korrekt die Versuchsergebnisse angegeben (80-90 % Abscheidung bei Staub, 50-60 % bei Stickoxiden). Warum aber in der zweiten Hälfte der Pressemitteilung unvermittelt von Ammoniak die Rede ist, erschließt sich für Laien nicht – hier wäre zu erläutern gewesen, dass es nicht etwa aus den Abgasen entfernt, sondern für die Reduktion der Stickoxide zugesetzt wird. Dazu wird nur vage erklärt, „durch optimale Einstellung der Filtertemperatur und der Reduktionsmittelmenge“ könne der NH3-Grenzwert der TA-Luft deutlich unterschritten werden. Heißt das, er wird unterschritten, aber nur unter Umständen? Wie deutlich? Wie hoch ist dieser Grenzwert aktuell und welche „zukünftige Verschärfung“ ist zu erwarten?
3. EXPERTEN/QUELLENTRANSPARENZ: Quellen werden benannt, Abhängigkeiten deutlich gemacht und zentrale Aussagen durch mindestens zwei Quellen belegt.
Alle beteiligten Institute und Unternehmen werden aufgeführt. Dass die genannten Firmen auch wirtschaftliche Interessen verfolgen, versteht sich von selbst; darüberhinausgehende Interessenkonflikte können wir nicht erkennen. Mit keinem Wort wird jedoch erwähnt, dass das vorgestellte Projekt aus öffentlichen Mitteln des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie gefördert wurde. Ob die Beteiligten an dem Konsortium darüber hinaus eigene Mittel eingebracht haben, und gegebenenfalls in welchem Umfang, bleibt offen. Wegen der fehlenden Angaben zur Finanzierung ist das Kriterium nicht erfüllt.
4. PRO UND CONTRA: Es werden die wesentlichen relevanten Standpunkte angemessen dargestellt.
In einem journalistischen Text hätten wir erwartet, dass Nutzungskonkurrenzen bei der Reststoffnutzung angesprochen werden. So können Stroh oder Restholz zur Erhaltung der Böden fehlen, wenn sie vollständig entnommen werden (siehe z.B. Renews Spezial 64/April 2013). Für einen PR-Text finden wir das indes nicht zwingend notwendig.
Dagegen hätten wir eine nachvollziehbare Darstellung der Vor- und Nachteile des Verfahrens erwartet. Es wird zwar gesagt, dass dieses der weiteren Optimierung bedarf. Worin aber die Probleme konkret bestehen, erläutert die Pressemitteilung nicht. So wird die Ammoniak-Problematik angesprochen, (siehe Kriterium 2), jedoch nicht erklärt, dass im Verfahren einerseits genügend Ammoniak zugesetzt (bzw. aus Harnstoff freigesetzt) werden muss, um die Stickoxide zu reduzieren, andererseits leicht zu viel Ammoniak in die Umwelt entweicht („Ammoniak-Schlupf“). Aus Ammoniak kann bei hohen Temperaturen Lachgas entstehen, ein Treibhausgas, das fast 300-mal so wirksam wie CO2. Im Abschlussbericht des Projekts (S. 42) heißt es dazu: „ So muss zum einen der NH3-Schlupf enorm gesenkt werden, ohne die Effizienz der NOX-Minderung zu beeinträchtigen und zum anderen der Abscheidegrad des Staubfilters an den Stand der Technik angepasst werden, damit überhaupt eine Vermarktung möglich ist.“
5. PRESSEMITTEILUNG: Der Beitrag geht deutlich über die Pressemitteilung/das Pressematerial hinaus.
Dieses Kriterium wenden wir bei Pressemitteilungen nicht an.
6. ALT oder NEU: Der Beitrag macht klar, ob es sich um ein neu aufgetretenes Umweltproblem, eine innovative Umwelttechnik o.ä. handelt, oder ob diese schon länger existieren.
Der Text macht kenntlich, dass es sich bei dem Abgasreinigungssystem mittels eines „katalytisch beschichteten Gewebematerials“ um ein technisch neues Verfahren zur Lösung eines existierenden Umweltproblems (Abgas-Emissionen aus kleinen Verbrennungsanlagen) handelt. Es wird erklärt, dass Reinigungsverfahren für größere Anlagen existieren, für kleinere jedoch bislang nicht.
7. LÖSUNGSHORIZONTE und HANDLUNGSOPTIONEN / kein „Greenwashing“: Der Beitrag nennt Wege, um ein Umweltproblem zu lösen, soweit dies möglich und angebracht ist.
Der Text legt dar, dass es sich bei den Abgas-Emissionen aus kleinen Verbrennungsanlagen um ein bislang ungelöstes Umweltproblem handelt, das prinzipiell einer technischen Lösung zugänglich wäre. Es wird eine Filtertechnik vorgestellt, die dafür – nach weiteren Entwicklungsschritten – geeignet erscheint. Der Hinweis auf das Nachfolgeprojekt „SCRCOAT“ vermittelt die Hoffnung, dass sich auch die bislang noch bestehenden Probleme durch eine weitere Optimierung des Verfahrens lösen lassen werden.
8. RÄUMLICHE DIMENSION (lokal/regional/global): Die räumlichen Dimensionen eines Umweltthemas werden dargestellt.
Die Pressemitteilung liefert keinerlei Kontext, für welchen Einsatzbereich die Filtertechnik gedacht ist; wo kommen solche kleinen Reststoff-Verbrennungsanlagen (bis 1 MW) zum Einsatz, bei denen derzeit noch „erhöhte Emissionen“ anfallen (in der Stadt/ auf dem Land? In Deutschland, in Europa, weltweit?). Wo bereiten die genannten Schadstoffe besondere Probleme (flächendeckend / punktuell?). Auch erfahren Leserinnen und Leser nicht, um welche (deutschen? europäischen?) Grenzwerte es sich handelt, für deren Einhaltung die Technik entwickelt wird. Lediglich im Zusammenhang mit dem Ammoniak-Grenzwert wird die deutsche TA-Luft erwähnt.
9. ZEITLICHE DIMENSION (Nachhaltigkeit): Die zeitliche Reichweite eines Umweltproblems oder Phänomens wird dargestellt.
Es heißt, es würden „zunehmend“ Reststoffe zur Energieerzeugung eingesetzt, aber in welchem Maße, seit wann, und wie die künftige Entwicklung aussehen könnte, bleibt völlig offen, ebenso der gegenwärtige Umfang. Es wird auch nicht klar, wie Kleinanlagenbetreiber aktuell mit dem Problem umgehen – wird die Überschreitung der Grenzwerte – womöglich zeitlich befristet – geduldet? Gibt es Ausnahmeregelungen (da ja laut Pressemitteilung noch keine angemessene Filtertechnik verfügbar ist)? Der Text vermittelt keine Vorstellung davon, wie viel oder wenig Zeit für eine Lösung noch bleibt. Wann ist das Problem der Abgasemissionen aus kleineren Feuerungsanlagen ins Bewusstsein gerückt? Seit wann gelten die aktuellen Grenzwerte, wann treten die neuen in Kraft (s.u.)? Über welchen Zeitraum hat sich das Vorhaben „SCR-Filter“ hingezogen? Wie viel Zeit wird für das Nachfolgeprojekt „SCRCOAT“ veranschlagt, das dann die Einhaltung der Grenzwerte gewährleisten soll? Zumindest zu einigen dieser Punkte hätten wir Informationen erwartet.
10. KONTEXT/KOSTEN: Es werden politische, soziale oder wirtschaftliche Aspekte eines Umweltthemas einbezogen.
Naheliegende Fragen zum Kontext werden nicht thematisiert: Wie groß ist das Problem der Staub- und Stickoxid-Emissionen bei Feuerungsanlagen mit einer Leistung bis 1 MW? Wie viele Anlagen dieser Art gibt es? Welchen Anteil haben deren Abgase an den Emissionen insgesamt? Inwieweit wäre das Verfahren im Hinblick auf eine Verringerung der Staub- und Stickoxid-Emissionen insgesamt also relevant? Außer der vagen Behauptung, die Technik sei „effizient und wirtschaftlich“, werden die Fragen nach der Energieeffizienz und dem Kosten-Nutzen-Verhältnis nicht angesprochen. Wäre die neue Technik erschwinglich? Ließen sich solche Filter nachträglich installieren bzw. eine existierende Feuerungsanlage entsprechend umrüsten? Oder wäre gar ein Neubau erforderlich? Das politische Umfeld bleibt außen vor und damit auch die aktuelle Feinstaub-Diskussion, bei der ja auch Staub-Emissionen aus Feuerungsanlagen eine Rolle spielen.
Darstellung
1. THEMENAUSWAHL: Das Thema ist aktuell, oder auch unabhängig von aktuellen Anlässen relevant oder originell.
Bei Staub- und Stickoxid-Emissionen handelt es sich um ein prinzipiell relevantes Umweltthema, das derzeit viel diskutiert wird. Lösungsansätze für Teilaspekte der Problematik dürften viele Menschen interessieren. Der Abschluss eines Forschungsprojekts ist ein angemessener Anlass für eine Pressemitteilung.
2. VERMITTLUNG: Komplexe Umweltzusammenhänge werden verständlich gemacht.
Die Pressemitteilung ist in sehr technischer Sprache, hölzern und mit vielen unschönen Substantivierungen verfasst. Sie enthält eine Vielzahl von Fachtermini („Ammoniak-Schlupf“, „thermische Konversion“, „selektive katalytische Reduktion“), die für Laien unverständlich sind und das Lesen erschweren. Der im Text erwähnte, aber leider nicht beigefügte Infokasten wäre vielleicht geeignet gewesen, das Verfahren zu erläutern; so aber bleibt es weitgehend unverständlich, wie die Technik funktioniert und was sie bewirkt. Ein Satz wie „Beim NOX wurden unter Beachtung des Ammoniak (NH3)-Schlupfes Minderungsraten von 50–60 % erreicht“ kann nicht als allgemeinverständlich gelten.
3. FAKTENTREUE: Der Beitrag gibt die wesentlichen Daten und Fakten korrekt wieder.
Fragwürdig scheint uns die Angabe, dass es sich bei dem Grenzwert von 20 mg/m³ für Staub um einen „zukünftig geforderten“ Grenzwert handle. Zumindest für neu installierte Heizkessel mit automatischer Befüllung gilt er bereits seit Anfang 2015. (Siehe: „Schärfere Grenzwerte für Holzheizungen“, in: Energiemagazin 03/2015). Da es für andere Anlagen offenbar Übergangsregelungen gibt, und wir ansonsten keine Faktenfehler gefunden haben, werten wir dennoch „erfüllt“.
3 von 9 anwendbaren umweltjournalistischen Kriterien sind „erfüllt“ oder „eher erfüllt“
2 von 3 allgemeinjournalistischen Kriterien sind „erfüllt“ oder „eher erfüllt“