Bewertet am 13. Juli 2020
Veröffentlicht von: dpa | Zeit Online

Zeit Online berichtet auf Grundlage einer dpa-Meldung über eine Studie, die den Eintrag von Mikroplastik in US-Nationalparks untersucht hat und im Fachmagazin Science veröffentlicht wurde. Der Umfang des Problems wird mit vielen Zahlenangaben beschrieben. Indes macht der Text die neuen Erkenntnisse zum „Mikroplastikzyklus“ und zum weiträumigen Transport feinster Kunststoffteilchen in der Atmosphäre nicht ausreichend deutlich.

Zusammenfassung

Der Online-Beitrag berichtet verständlich und in sachlichem Ton über eine Studie zur Verbreitung von Mikroplastik in US-amerikanischen Nationalparks und Naturschutzgebieten, die im Fachmagazin Science erschienen ist. Dabei wird allerdings nicht ausreichend klar, dass der weiträumige Transport von Mikroplastik in der Atmosphäre ein wesentlicher Aspekt der Studie ist, und welchen  Beitrag diese zum Verständnis des „globalen Mikroplastikzyklus“ leistet. Die Relevanz der Studie hätte hier besser herausgearbeitet werden können.

Der Beitrag verweist mit anschaulichen Zahlen auf die großen Mengen Plastik, die jedes Jahr hergestellt werden und als Müll teilweise in der Umwelt landen. Konkrete Vermeidungsstrategien werden aber weder für den allgemeinen Plastikverbrauch noch für die Freisetzung von Mikroplastik angeführt. Die räumliche Dimension wird noch ausreichend erläutert. Experten sind benannt, Indizien für Interessenkonflikte gibt es nicht. Als zweite Quelle zieht der Beitrag eine Pressemitteilung des WWF heran, für eine weitere Studie, die erwähnt wird, fehlt die Quellenangabe. Eine ausreichende Einordnung in den Kontext – etwa Informationen zu den ökologischen Risiken, wie sie in der Studie angesprochen werden – fehlt.

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Die Kriterien

1. KEINE ÜBERTREIBUNG / VERHARMLOSUNG: Risiken und Chancen werden weder übertrieben dargestellt noch bagatellisiert.

Der Beitrag berichtet in sachlichem Ton über eine im Fachmagazin Science veröffentlichte Studie zur Verbreitung von Mikroplastik in US-amerikanischen Nationalparks und Naturschutzgebieten. Zwar ist der Tonfall im Teaser eher zugespitzt („Plastikmüllpartikel breiten sich alarmierend in den entlegensten Winkeln der Erde aus“), im Artikel selbst wird aber korrekt auf die unklare Faktenlage zu den Risiken durch inhalierte Mikroplastikpartikel verwiesen. Am Ende ist ein Absatz zur Anhaftung von chemischen Stoffen an Mikroplastik angefügt, der sich jedoch nicht auf das Thema der Studie bezieht und auch auf keine andere konkret genannte Quelle Bezug nimmt – (siehe dazu auch Kriterium 7).

2. LÖSUNGSHORIZONTE UND HANDLUNGSOPTIONEN/ KEIN „GREENWASHING“: Der Beitrag nennt Wege, ein Umweltproblem zu lösen oder zu vermeiden, soweit dies möglich und angebracht ist.

Die Studie gibt selbst kaum Hinweise auf Lösungsansätze. Am Schluss findet sich zumindest der Hinweis auf internationale Kooperation zur Lösung eines globalen Problems. Diesen Punkt greift der Beitrag aber nicht auf. Auch sonst nennt er keine Lösungen und Handlungsoptionen. Konkrete Vermeidungsstrategien werden weder für den allgemeinen Plastikverbrauch noch für die Freisetzung von Mikroplastik angesprochen. Dabei gibt schon der Forschungsartikel einige Ansatzpunkte, in dem er Vermutungen über die Quellen der Plastikpartikel anstellt. So stellen Mikrofasern rund 70 Prozent des gesammelten Mikroplastiks und diese stammen überwiegend von Kunstfaserkleidung (“Clothing fibers are also directly released to the atmosphere during laundry drying at rates that are several times the rates at which fibers are released to wastewater during the washing phase“). Waschmaschinen und Wäschetrockner mit speziellen Filtern, die Mikrofasern zurückhalten, wären eine denkbare Handlungsoption.

3. RÄUMLICHE DIMENSION (LOKAL – REGIONAL – GLOBAL): Die räumliche Reichweite eines Umweltproblems sowie der Zusammenhang zwischen lokalen, regionalen und globalen Perspektiven werden dargestellt.

Im Artikel sind einige Information enthalten, die das Problem räumlich einordnen. Neben dem Untersuchungsgebiet, US-Nationalparks und Naturschutzgebieten, werden als Quellen der Mikroplastikpartikel Städte und besiedelte Gebiete genannt und auch der weiträumige Transport über Kontinente hinweg erwähnt. Da viele wesentliche Details der Studie nicht genannt werden (siehe auch Kriterien 6 und 13), lässt sich für Leserinnen und Leser aber nicht erkennen, dass dieser Ferntransport einer der wesentlichen neuen Aspekte der Forschungsarbeit ist. Im Fachartikel und einem in derselben Ausgabe von Science veröffentlichten Kommentar stellen die Forscherinnen und Forscher heraus, dass es vermutlich einen globalen Mikroplastikkreislauf gibt, der große Ähnlichkeiten zu den Verbreitungswegen von atmosphärischem Staub aufweisen könnte. Die aktuelle Veröffentlich sei ein erster großer Schritt, diesen weitgehend unbekannten Plastikkreislauf zu erforschen. Wir werten das Kriterium daher nur „knapp erfüllt“.

4. ZEITLICHE DIMENSION (NACHHALTIGKEIT): Die zeitliche Reichweite eines Umweltproblems oder Phänomens wird dargestellt.

An einigen Stellen nennt der Beitrag zeitliche Aspekte. So wird korrekt berichtet, dass das ForscherInnenteam über einen Zeitraum von 14 Monaten Proben gesammelt hat. Auch wird erwähnt, welche Mengen Plastikablagerungen pro Jahr daraus errechnet wurden. Im letzten Abschnitt des Artikels wird kurz angerissen, dass es schon in den vergangenen Jahren Forschungsergebnisse zur Verbreitung von Mikroplastik gegeben hat. Wie auch in Kriterien 3 und, 6 angesprochen, ordnet der Beitrag allerdings die aktuellen Erkenntnisse nicht wirklich in den Kontext der bisherigen Forschung zur Verbreitung von Mikroplastik ein. So weist der Kommentar zur Fachveröffentlichung  darauf hin, dass sich die Wissenschaft erst seit etwa zehn Jahren mit der weiträumigen Ausbreitung von Mikroplastik – hauptsächlich im Meer – beschäftigt. Der Transport in der Atmosphäre sei zum ersten Mal im Jahr 2019 in den Fokus der Forschung gerückt. In der hier vorgestellten Studie geht es vor allem um den Transport von Mikroplastik in der Atmosphäre und die gemessene Ablagerung von Plastikpartikeln unter verschiedenen Wetterbedingungen und den globalen „Mikroplastikzyklus“. Dass es sich hier um einen neuen Ansatz handelt, macht der Beitrag nicht deutlich. Daher werten wir „nicht erfüllt“.

5. PRO UND CONTRA: Es werden die wesentlichen relevanten Standpunkte angemessen dargestellt.

Dass es Mikroplastik in der Umwelt gibt, wird von niemandem ernsthaft bestritten. Uns sind keine Pro-und-Contra-Standpunkte zu Verbreitungswegen von Mikroplastik in der Atmosphäre bekannt, die der Beitrag hätte darstellen müssen.

6. BELEGE/EVIDENZ: Studien, Fakten und Zahlen zu Umweltthemen werden so dargestellt, dass deren Aussagekraft („Evidenz“) deutlich wird.

Es wird kurz erwähnt, dass die Ergebnisse auf Messungen in Nationalparks und Naturschutzgebieten im Westen der USA beruhen und welche Mengen Plastikpartikel dort gefunden wurden. Indes macht der Beitrag nicht deutlich, was die zentrale Fragestellung der Studie war, und welche Ergebnisse dazu erzielt wurden. Nachdem in der Vergangenheit vor allem Mikroplastik in Ozeanen und Gewässern untersucht wurden, ging es in der hier beschriebenen Studie um die Verbreitung der Partikel in der Atmosphäre, speziell um die Frage, welche Partikel bei feuchtem vs. trockenem Wetter gefunden werden. Laut der Forschungsarbeit werden vergleichsweise große Mikroplastik-Partikel vor allem bei Nässe gefunden und werden zu einem Großteil direkt aus urbanen Zentren in die Umwelt eingetragen, etwa mit Stürmen. Kleine Partikel dagegen, die sich bei trockenem Wetter ablagern, werden in der Atmosphäre sehr viel weiter transportiert. Die Forscher nehmen eine globale Verbreitung solcher Teilchen an.

Missverständlich sind die Angaben zur Partikelgröße im Beitrag. Zwar gelten Teilchen mit einem Durchmesser unter fünf Millimetern allgemein als Mikroplastik. Die Partikel, die in dieser Studie gefunden wurden, waren aber durchschnittlich zwischen 6 und 18 Mikrometer (Tausendstel Millimeter) groß. Rund 70 Prozent der aufgefangenen Teilchen waren Mikrofasern, die meist aus Textilien stammen und vermutlich über sehr große Distanzen transportiert wurden. Auch für einen Großteil des restlichen Mikroplastiks (Mikroperlen, vermutlich aus Industriefarben und -beschichtungen) nehmen die ForscherInnen einen globalen Transport an.

7. EXPERTEN/QUELLENTRANSPARENZ: Die Quellen für Tatsachenbehauptungen und Einschätzungen werden benannt, und zentrale Aussagen durch mindestens zwei Quellen belegt.

Im Beitrag werden die AutorInnen der Studie, ihre Forschungsinstitution und die veröffentlichende Fachzeitschrift genannt. Im letzten Drittel des Artikel kommt als zweite Quelle ein Vertreter des WWF zu Wort, der sich aber nicht zu den wissenschaftlichen Methoden und nur sehr allgemein zur Einordnung der Ergebnisse äußert (diese Passage ist im dpa-Text nicht enthalten). Eine zusätzlich zitierte Untersuchung zur Aufnahme über die Nahrung hat zwar einen Bezug zu Mikroplastik, aber keinen zum Hauptthema der aktuellen Veröffentlichung, dem weiträumigen Transport von Plastikteilchen. Die konkrete Quelle wird hierzu auch nicht genannt. Wir werten insgesamt „knapp erfüllt“.

8. INTERESSENKONFLIKTE: Vorhandene Interessenkonflikte werden angesprochen und gegebenenfalls eingeordnet.

Es gibt für uns keine erkennbaren Hinweise auf Interessenkonflikte, die der Text hätte benennen müssen. Das Kriterium wird deshalb als „erfüllt“ betrachtet, auch ohne das auf diesen Aspekt explizit eingegangen wird.

9. EINORDNUNG IN DEN KONTEXT (z.B. Kosten, Ethik): Über naturwissenschaftliche, gesundheitliche und technische Aspekte hinaus werden politische, soziale, ethische, kulturelle oder wirtschaftliche Aspekte eines Umweltthemas einbezogen.

Im Beitrag wird weder die Bedeutung der Studie in den Forschungskontext eingeordnet (siehe auch Kriterien 4 und 6), noch das Thema „weiträumiger Transport von Mikroplastik in der Atmosphäre“ in einen weiteren, z. B. ökologischen, Zusammenhang gestellt. Obwohl sich die AutorInnen in der Originalveröffentlichung dazu äußern, wird weder über die Ursachen noch über die Auswirkungen berichtet (z. B. die in der Studie angesprochene Störung von empfindlichen Ökosystemen: „As plastics accumulate in pristine wilderness, we may anticipate shifts in community composition, possibly leading to declines in biodiversity on the basis of the different tolerances to the physical and toxicological consequences of consuming microplastics“). Die im letzten Absatz genannten potenziellen Gesundheitsgefahren bezieht sich auf die Aufnahme von Mikroplastik in den Körper, der Zusammenhang zu besprochenen Studie ist aber nur sehr lose. Ohne Diskussion der Ursachen und Auswirkungen fehlt dem Beitrag auch die Basis, um z. B. über Kosten für Vermeidungsstrategien zu berichten. Die Konsequenzen der Forschungsergebnisse bleiben insgesamt für die Leserinnen und Leser unklar.

10. FAKTENTREUE: Der Beitrag gibt die wesentlichen Daten und Fakten korrekt wieder.

Uns sind keine Faktenfehler aufgefallen. Erstaunlich finden wir allerdings die Angabe, 1000 Tonnen Mikroplastik entsprächen 123 Millionen Plastikflaschen. In der Studie wird eine Spanne von 120-300 Millionen Plastikflaschen genannt. Wie daraus im Artikel (und in der zugehörigen Pressemitteilung) 123 Millionen wurden, ist für uns nicht nachvollziehbar.

11. JOURNALISTISCHE EIGENLEISTUNG: Der Beitrag geht in seinem Informationsgehalt und in der Darstellungsweise deutlich über eine Pressemitteilung/das Pressematerial hinaus.

Der Beitrag beruht offenbar weitgehend auf Pressemitteilungen, die von der American Association for the Advancement of Science  und der Utah State University zur Studie herausgegeben wurden. Aus letzterer stammt die von der Studie abweichende Angabe „123 Millionen Plastikwasserflaschen“, (siehe Kriterium 10). Auch die zweite Quelle, das Zitat des WWF-Experten und Angaben zu Mikroplastik in Deutschland, stammen komplett aus einer Pressemeldung des WWF. Die ergänzenden Informationen zur möglichen Gesundheitsgefahr von Mikroplastik haben mit der besprochenen Forschungsarbeit nur indirekt zu tun. Insgesamt werten wir das Kriterium noch „knapp erfüllt“.

12. ATTRAKTIVITÄT DER DARSTELLUNG: Ein Beitrag bereitet ein Thema interessant und attraktiv auf.

Der Beitrag folgt einem klassischen Muster, das ihn aber leicht lesbar macht. Überschrift und Teaser spitzen den Inhalt sprachlich etwas zu („alarmierend“) und wecken durch den Gegensatz von „Müll“ und „Nationalparks“ bzw. „entlegene Winkel der Erde“ das Interesse der Leserinnen und Leser. Auf die Einleitung mit emotionalem Zitat („Wir waren schockiert …“) folgt ein einordnender Teil, die Beschreibung von Methoden und Ergebnissen und die abschließende Bewertung durch weitere Quellen. Bei einem so kurzen Text ist eine darüber hinausgehende attraktive Erzählung nicht zu erwarten.

13.VERSTÄNDLICHKEIT: Der Beitrag ist für ein Laienpublikum verständlich.

Der Artikel ist verständlich geschrieben. Zwar fehlen zahlreiche interessante Informationen aus der Studie, doch die genannten Angaben werden eingängig vermittelt. Der Beitrag vermeidet Fachjargon. Zwar nennt er relativ viele Zahlen, doch werden diese z.T. durch Vergleiche anschaulich gemacht.

14.THEMENAUSWAHL: Das Thema ist aktuell, oder der Beitrag greift ein Thema auf, das auch unabhängig von aktuellen Anlässen relevant oder originell / ungewöhnlich ist.

Die Verschmutzung der Umwelt durch Plastikabfälle steht seit einigen Jahren im Fokus der Öffentlichkeit. Die im Beitrag vorgestellte Studie wurde kurz zuvor in einem renommierten Wissenschaftsmagazin veröffentlicht. Das ist ein angemessener Anlass für den Artikel. Relevant ist diese Studie insbesondere, weil sie bislang wenig untersuchte Aspekte des Mikroplastikproblems aufgreift, und beschreibt, dass nicht nur Regen, also Wasser, als „Transportmittel“ für das Mikroplastik dient, sondern stärker als bisher vermutet auch Wind und atmosphärische Strömungen eine Rolle spielen, die kleinste Staubpartikel transportieren. Die Relevanz dieser Studie hätte im Text allerdings deutlicher dargestellt werden können.

10 von 14 Kriterien erfüllt

Da mehrere Kriterien nur „knapp erfüllt“ sind, werten wir um einen Stern ab.

Title

Kriterium erfüllt

Kriterium nicht erfüllt

Kriterium nicht anwendbar