Die Pressemitteilung berichtet über eine Analyse des aktuellen Hochwasserverlaufs in Deutschland, der demnach zum Teil auf „Bodenfeuchterekorde“ im Mai zurückzuführen ist. Dabei wird nicht deutlich, wie diese Analyse aussieht und worin genau der „Rekord“ besteht. Stattdessen werden Forscher der beteiligten Institutionen mit Vergleichen zu früheren Hochwasserereignissen zitiert und weitere Forschungsprojekte aufgezählt.
Zusammenfassung
Wenn Forschungsreinrichtungen zu aktuellen Ereignissen mit einer Pressemitteilung Stellung nehmen, kann das die öffentliche Meinungsbildung unterstützten – vorausgesetzt, die Pressemitteilung leistet tatsächlich einen substanziellen inhaltlichen Beitrag. Im vorliegenden Fall einer Pressemitteilung des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) über einen Zusammenhang zwischen dem Verlauf des Juni-Hochwassers und „Bodenfeuchterekorden“ im Monat zuvor ist dies nur sehr eingeschränkt der Fall. Statt Details zur Analyse dieses Zusammenhangs zu liefern, erschöpft sich die Mitteilung in (zum Teil bereits bekannten) Vergleichen mit früheren Hochwasserereignissen und einer Aufzählung von laufenden und künftigen Forschungsprojekten. Informationen zum im Titel angekündigten Forschungsergebnis treten gegenüber einer institutionellen PR für die beteiligten Helmholtz-Forschungszentren in den Hintergrund. Eine transparente Hinweispressemitteilung der Art „Unsere Ansprechpartner rund um das Thema Hochwasser“ wäre hierzu womöglich angebrachter gewesen.
Umweltjournalistische Kriterien
1. KEINE VERHARMLOSUNG/ PANIKMACHE: Umweltprobleme werden weder bagatellisiert noch übertrieben dargestellt.
Das Problem des Juni-Hochwassers 2013 wird auf den ersten Blick weder übertrieben noch bagatellisiert. Bei genauerer Betrachtung ist angesichts des tatsächlichen Verlaufs jedoch zumindest eine gewisse Tendenz zur Verharmlosung erkennbar, etwa wenn es heißt: „Wenn die Schäden dennoch nicht das Ausmaß vom Augusthochwasser 2002 erreichen werden, so liegt das zum einen an Fortschritten im Hochwasserschutz, dem Ausbleiben von Deichbrüchen und der überwiegenden Betroffenheit von Gebieten mit ‚hochwassererprobter‘ Bevölkerung, zu der im Gegensatz zu 2002 jetzt auch die des Elbegebietes zählt (…) Auch die Regionen Süddeutschlands könnten aufgrund von Geländeformen, Siedlungsart und sozio-ökonomischer Struktur vergleichsweise gut mit Hochwasserauswirkungen umgehen.“ Dabei ist das Ausmaß des Problems bei Erscheinen der Pressemitteilung noch gar nicht genau bekannt, Deichbrüche traten in der Folge sehr wohl auf. Inwieweit der Hochwasserschutz vergangener Jahre in Art und Umfang tatsächlich ausreichend war, wird derzeit ebenfalls diskutiert. Auch die vielen Bezüge auf „moderne“ Hochwasserereignisse (2002 und 1954) greifen für einige Regionen (z.B. für Passau mit höchstem Wasserstand seit 1501 eher mit „historischen Hochwasserereignissen“ vergleichbar) womöglich etwas kurz. Die Unsicherheit bezüglich der Ursachen (Wie groß etwa ist der tatsächliche Einfluss der „Bodenfeuchte“ aus dem Mai im Vergleich zu „Jahrhundertniederschlägen“ in einigen Regionen? Siehe dazu DWD) und der zu erwartenden Schäden wird unzureichend angesprochen. Die zitierten Wissenschaftler vermögen auch nur zu spekulieren, wenn sie mitteilen, dass „an der Elbe und Saale die Werte aktuell noch steigen könnten“. Insgesamt ist das Kriterium daher knapp „nicht erfüllt“.
2. BELEGE/ EVIDENZ: Studien, Fakten und Zahlen werden so dargestellt, dass deren Aussagekraft deutlich wird.
Die Pressemitteilung macht weder deutlich, worin der konkrete Nutzen einer Untersuchung der im Titel angekündigten „Bodenfeuchte“ besteht, noch wie diese ermittelt wurde, oder wie man die im Text erwähnten „Eigenheiten“ und den „Verlauf des aktuellen Extremhochwassers“ analysiert hat. Wurden hierzu Simulationen und Hochrechnungen vorgenommen oder beruhen die Ergebnisse auf konkreten Messungen? Die Aussage eines zitierten Wissenschaftlers, dass der Boden im Juni „die neuerlichen Niederschläge nach einem sehr feuchten Mai nicht mehr aufnehmen“ konnte, erscheint so fast banal. Was bedeutet „sehr feucht“ konkret? Auf Unsicherheiten und damit evtl. verbundene Risiken der Analysen geht die Pressemitteilung ebenfalls nicht ein. Der Hinweis auf weitere Aufgaben des „Center for Disaster Management and Risk Reduction Technology (CEDIM) ein, das vom GeoForschungsZentrum Potsdam (GFZ) und dem Karlsruher Institut für Technologie (KIT) betrieben wird, ist ebenfalls wenig aussagekräftig. Man erfährt lediglich, dass es demnächst zusammen mit weiteren Einrichtungen der Helmholtz-Gemeinschaft „aktuelle Informationen sowie Hintergrundwissen unter anderem zu extremen Wetter- und Klimaereignissen wie zum Beispiel Hochwasser“ bereitstellen soll.
3. EXPERTEN/QUELLENTRANSPARENZ: Quellen werden benannt, Abhängigkeiten deutlich gemacht und zentrale Aussagen durch mindestens zwei Quellen belegt.
Die Pressemitteilung zitiert drei verschiedene Experten, die einen Zusammenhang zwischen der Bodenfeuchte im Mai und der Hochwasserlage im Juni 2013 herstellen oder das aktuelle Hochwasser mit früheren Ereignissen (2002, 1954) vergleichen. Die Experten stammen jedoch alle von den am Projekt beteiligten Institutionen (GFZ und KIT). Nach journalistischen Maßstäben, wie wir sie hier versuchsweise auf Pressemitteilungen anwenden, hätte man zumindest eine weitere, möglichst unabhängige Quelle heranziehen müssen, mit der sich der Nutzen von Bodenfeuchtemessungen oder Verfahren wie der hydrologischen Modellierung im Rahmen des vorgestellten Projekts für den Hochwasserschutz zusätzlich bewerten lässt. Schon der Hinweis auf die Vorhersagen des „Weltklimarats“ (IPCC), dass Ereignisse mit starkem Niederschlag voraussichtlich häufiger werden, deren regionale Verteilung aber schwer vorherzusagen ist, wäre hilfreich gewesen. Auf der Projektseite findet sich dieser Hinweis, eine entsprechende Einordnung in der Phttps://web.archive.org/web/20160702115303/http://www.cedim.de/1476.phpressemitteilung fehlt.
4. PRO UND CONTRA: Es werden die wesentlichen relevanten Standpunkte angemessen dargestellt.
Die Pressemitteilung behandelt Forschungsergebnisse, die gerade erst entstanden sind, und keine Kontroverse im eigentlichen Sinne, sodass wir dieses Kriterium nicht anwenden. Inwieweit aber die von einem der zitierten Wissenschaftler angeführten „Fortschritte beim Hochwasserschutz“ etc. tatsächlich so weit gediehen sind, dass man geringere Schäden erwarten kann, ist indes durchaus umstritten (vgl. auch Kriterium „Verharmlosung/Panikmache“).
5. PRESSEMITTEILUNG: Der Beitrag geht deutlich über die Pressemitteilung/das Pressematerial hinaus.
Generell haben wir uns entschieden, dieses Kriterium bei der Bewertung von Pressemitteilungen selbst nicht in die Wertung einfließen zu lassen. Gleichwohl soll hier erwähnt werden, ob neben der Pressemitteilung weitere Materialien (Links, Fachpublikationen, Bild- und Videomaterial) zur Verfügung gestellt werden. Im konkreten Fall werden mehrere Web-Adresse genannt, u.a. auch ein Link zum – kurzen – Forschungsbericht der Wissenschaftlergruppe.
6. Der Beitrag macht klar, wie ALT oder NEU ein Umweltproblem, eine Umwelttechnik, ein Regulierungsvorschlag o.ä. ist.
Die Pressemitteilung macht deutlich, dass es sich bei Juni-Hochwasser 2013 um kein grundsätzlich neues Phänomen handelt, es in seinem Ausmaß aber über frühere Ereignisse (2002, 1954) in Deutschland hinausgeht. Ebenso wird erwähnt, dass das zu Grunde liegende Forschungsprojekt in eine Plattform von Helmholtz-Zentren eingebunden ist, die „ab der zweiten Jahreshälfte 2013 aktuelle Informationen“ etc. bereitstellen soll. Dass es sich beim “Center for Disaster Management and Risk Reduction Technology” keineswegs um eine neue, sondern eine seit weit mehr als 10 Jahren existierende Einrichtung handelt, wird nicht deutlich. Wir werten dennoch erfüllt.
7. Der Beitrag nennt – wo möglich – LÖSUNGSHORIZONTE und HANDLUNGSOPTIONEN.
Die Pressemitteilung spart mögliche Lösungshorizonte und Handlungsoptionen zur Lösung des Problems weitgehend aus. Dabei wäre es interessant zu wissen gewesen, ob die erste Analyse des Hochwassers bereits Rückschlüsse darauf zulässt, welche Maßnahmen künftig ergriffen werden sollten, um etwa die Folgen vergleichbarer Ereignisse zu lindern. Immerhin wird genau dies auf politischer Ebene bereits intensiv diskutiert. Die von einem der Wissenschaftler genannten „Fortschritte beim Hochwasserschutz“ werden nicht näher benannt.
8. Die RÄUMLICHE DIMENSION (global/lokal) wird dargestellt.
Die Pressemitteilung macht deutlich, dass „40 Prozent des Landesfläche Deutschlands neue Bodenfeuchterekorde“ aufwies und es ferner ungewöhnlich sei, dass „so viele Flussgebiete gleichzeitig von sehr schwerem Hochwasser“ betroffen sind. Mit keinem Wort wird jedoch erwähnt, dass der globale Klimawandel die Wahrscheinlichkeit solcher Ereignisse erhöhen könnte – und dass es sich dabei keineswegs um ein rein deutsches Problem handelt, sondern womöglich weite Teile von Nord- und Mitteleuropa betroffen wären. Wir werten daher – wenn auch knapp – „nicht erfüllt“.
9. Die ZEITLICHE DIMENSION (Nachhaltigkeit) wird dargestellt.
Es wird hinreichend deutlich, dass es sich bei den Juni-Hochwassern 2013 in Deutschland nicht um ein singuläres Ereignis handelt, sondern es in den vergangenen 60 Jahren mindestens zwei in etwa vergleichbare Ereignisse gegeben hat. Dass eine Häufung und womöglich zunehmende Schwere solcher Ereignisse als wichtiges Indiz für eine Auswirkung des Klimawandels diskutiert wird (vgl. z.B. hier), spart die Pressemitteilung konsequent aus. Vor diesem Hintergrund wirkt die „Einordnung“ in einen Kontext der vergangenen rund 60 Jahre sogar etwas irreführend, da dadurch der Eindruck entstehen kann, es handle sich aller Wahrscheinlichkeit nach um ganz normale Naturereignisse, die keinen sonderlichen Anlass zur Sorge geben. Was in diesem Zusammenhang unter einer „Wiederkehrwahrscheinlichkeit von über 50 Jahren“ genau zu verstehen ist und wie diese ermittelt wird, macht die Pressemitteilung nicht deutlich. Wir werten daher – auch hier knapp – „nicht erfüllt“.
10. Der politische/ wirtschaftliche/ soziale/ kulturelle KONTEXT (z.B. KOSTEN) wird einbezogen.
Die Pressemitteilung liefert nur eine minimale Einordnung in den sozialen Kontext – etwa wenn es heißt: „…so liegt das zum einen an Fortschritten im Hochwasserschutz, dem Ausbleiben von Deichbrüchen und der überwiegenden Betroffenheit von Gebieten mit ‚hochwassererprobter‘ Bevölkerung, zu der im Gegensatz zu 2002 jetzt auch die des Elbegebietes zählt.“ Unabhängig von der Richtigkeit dieser Aussage wird die wichtige Frage, was die in der Pressemitteilung angesprochenen Forschungsprojekte kosten und ob aufwändige Monitoring- und/oder Simulationsprojekte umgekehrt z.B. die Kosten für die Planung von Renaturierungs- oder Deichbauprojekten etc. senken könnten, nicht einmal ansatzweise angesprochen.
Darstellung
1. Das THEMA ist aktuell, relevant oder originell. (THEMENAUSWAHL)
Das Thema ist angesichts der Hochwasserlage hochaktuell und – jedenfalls im Grundsatz – relevant für die Allgemeinheit, und das weit über die unmittelbar betroffenen Regionen hinaus. Gleichwohl entsteht der Eindruck, dass das angekündigte Forschungsergebnis eher vorläufig ist, noch nicht den wissenschaftlichen Begutachtungsstand einer internationalen Fachveröffentlichung hat, und zum jetzigen Zeitpunkt auch durch den „Medialisierungsdruck“ (also die offenbar als notwendig angesehenen Medienpräsenz der beteiligten Forschungsinstitutionen und ihrer Projekte) entstanden sein könnte. Die tatsächliche Relevanz von „Bodenfeuchterekorden“ für den Verlauf des Hochwassers erschließt sich auf der Basis der vorliegenden Pressemitteilung nicht. Wir werten auf Grund der hohen Aktualität aber noch erfüllt.
2. Die journalistische Darstellung des Themas ist gelungen. (VERSTÄNDLICHKEIT/VERMITTLUNG).
Die Darstellung der eigentlichen Forschungsergebnisse mit den Auswirkungen der „Bodenfeuchterekorde“, die im Titel und im Vorspann angekündigt werden, ist in der Folge eher nichtssagend. Es wird nicht hinreichend deutlich, was das Neue an diesen Ergebnissen ist – dass feuchter Boden weniger Wasser aufnehmen kann, erscheint ja eher trivial. Die Pressemitteilung reiht statt dessen mehrere Vergleiche der aktuellen Hochwasserlage mit früheren Ereignissen aneinander und fasert am Schluss fast in eine Aufzählung auf, was die federführenden Einrichtungen (KIT und GFZ) sowie weitere Helmholtz-Einrichtungen noch alles zu bieten haben (an der ebenfalls erwähnten „Earth System Knowledge Platform“ (ESKP) sind immerhin acht Zentren beteiligt). Vor lauter Namedropping von Projekten und Institutionen geht die eigentliche – durchaus interessant klingende – wissenschaftliche Information so fast verloren. Sprachlich ist die Pressemitteilung durchaus verständlich, bis auf wenige Ausnahmen („Abflussspitzen“) werden Fachbegriffe vermieden. Zu Beginn liest sich der Text stilistisch allerdings eher wie ein Wetterbericht.
3. Die Fakten sind richtig dargestellt. (FAKTENTREUE).
Uns sind jenseits der bereits angesprochen Punkte keine gravierenden Faktenfehler aufgefallen.
1 von 8 anwendbaren umweltjournalistischen Kriterien sind „erfüllt“ oder „eher erfüllt“
2 von 3 allgemeinjournalistischen Kriterien sind „erfüllt“ oder „eher erfüllt“