Bewertet am 7. Dezember 2018
Veröffentlicht von: Fraunhofer-Institut für System und Innovationsforschung

Ob Hybrid-Oberleitungs-Lkw CO2-Emissionen mindern und dabei wirtschaftlich betrieben werden können, hat das Fraunhofer-Institut für System und Innovationsforschung in einer Machbarkeitsstudie untersucht. Die Pressemitteilung nennt dazu Zahlen und informiert auch über Hindernisse für die Umsetzung. Verweise auf frühere Studien zum Thema fehlen.

Zusammenfassung

Die Pressemitteilung des Fraunhofer-Instituts für System und Innovationsforschung stellt eine Studie zum Potenzial von Oberleitungs-Lkw für die Minderung von Emissionen vor, die für das Bundesverkehrsministerium erstellt wurde. Der Text ist sachlich und in vielen Punkten informativ. Er beschreibt nicht nur Vorzüge, sondern ausführlich auch wichtige Probleme, die einer Einführung dieser Technologie im Wege stehen. Wie viel Emissionen die Oberleitungs-Lkw einsparen könnten, berichtet die Pressemitteilung nicht. Es fehlen Informationen dazu, wie die Forscher bei ihren Berechnungen vorgegangen sind und wo z.B. Fehlerquellen liegen könnten, ebenso Angaben zur Genauigkeit der angewandten Verfahren. Zum zeitlichen Horizont erfährt man, dass dieser noch unklar sei. Die Meldung benennt die Kosten und verweist darauf, dass diese wohl staatlich vorfinanziert werden müssten. Insgesamt wird der wirtschaftliche Kontext gut dargestellt.

Den gleichen Beitrag haben Laiengutachter im Projekt Medien-Doktor CITIZEN begutachtet.

Außerdem wurde im Rahmen eines Forschungsprojekts eine Inhaltsanalyse erstellt.

Title

Umweltjournalistische Kriterien

1. KEINE ÜBERTREIBUNG/VERHARMLOSUNG: Risiken und Chancen werden weder übertrieben dargestellt noch bagatellisiert.

Die Pressemitteilung gibt in sachlichem Ton die Ergebnisse einer Studie wieder, die im Auftrag des Bundesverkehrsministeriums die Chancen und Probleme von Oberleitungs-Lkw in Deutschland untersucht hat. Dabei werden sowohl Potenziale zur Minimierung der CO2-Emissionen aus dem schweren Lkw-Verkehr, als auch wirtschaftliche und Akzeptanz-Probleme genannt. Der Text vermittelt einen Eindruck davon, welche Chancen diese Technologie bietet, ohne aber in Euphorie zu verfallen.

2. BELEGE/EVIDENZ: Studien, Fakten und Zahlen werden so dargestellt, dass deren Aussagekraft deutlich wird.

Die Pressemitteilung macht deutlich, dass die CO2-Emissionen des Straßengüterverkehrs eine relevante Emissionsquelle darstellen („etwa ein Drittel der Emissionen im Straßenverkehr“), und dass diese in Zukunft noch stark ansteigen werden. Oberleitungs-Lkw könnten „entscheidend“ zur Reduzierung der Emissionen gerade des schweren Lastverkehres beitragen. Allerdings fehlt jede Information darüber, wie hoch diese Minderungspotenziale sein können, obwohl die Studie hierzu durchaus Angaben enthält. So heißt es in der Zusammenfassung (S.3), es könnten im ausgelasteten Zustand durch Hybrid-Oberleitungs-Lkw „10 bis 12 Mio. Tonnen an Treibhausgasemissionen gegenüber konventionellen Diesel-Lkw eingespart werden, wenn der Strom ausschließlich aus erneuerbaren Energien bereitgestellt wird.“ Solche Zahlen wäre wichtig, um die Relevanz von Oberleitungs-Lkw einschätzen und die dafür nötigen Investitionen im Milliardenbereich bewerten zu können. Auch sagt die Pressemitteilung nichts dazu aus, wie die Forscher bei ihren Berechnungen vorgegangen sind (sog. Total-Cost-of-Ownership-Analysen).

3. EXPERTEN/QUELLENTRANSPARENZ: Quellen werden benannt, Abhängigkeiten deutlich gemacht und zentrale Aussagen durch mindestens zwei Quellen belegt.

Die Pressemitteilung bezieht sich auf eine Machbarkeitsstudie, die in der Pressemitteilung verlinkt ist. Eine weitere Quelle ist nicht angegeben, doch verlangen wir dies bei Pressemitteilungen nicht zwingend. Die vier an der Studie beteiligten Institute sind genannt, und es wird klar, dass die Studie im Auftrag des Bundesverkehrsministeriums erstellt wurde. Ausführlichere Angaben hätten wir uns zu den beteiligten wissenschaftlichen Disziplinen gewünscht, insbesondere bei dem zitierten Projektleiter Martin Wietschel hätte man gerne erfahren, welches Fach er vertritt. Auch gibt es zu diesem Ansprechpartner keine Kontaktinformation, es wird lediglich die Pressestelle genannt. Angaben zu möglichen Interessenkonflikten fehlen in der Pressemitteilung und in der Studie. Wünschenswert wäre es jedoch, in solche Studien regelmäßig Angaben zu etwaigen Interessenkonflikten aufzunehmen, wie dies in vielen Fachzeitschriften üblich ist. Da wir in diesem Fall keine Anhaltspunkte für Interessenkonflikte gefunden haben (etwa, dass die Institute / Wissenschaftler an der Entwicklung von Oberleitungs-Lkw beteiligt oder für die Automobilindustrie tätig wären), werten wir noch „knapp erfüllt“.

4. PRO UND CONTRA: Es werden die wesentlichen relevanten Standpunkte angemessen dargestellt.

Die wesentlichen Standpunkte, die für oder gegen Oberleitungs-Lkw sprechen, werden genannt: Einerseits das Potenzial dieser Technologie beim Klimaschutz, andererseits die hohen Investitionen in die Infrastruktur in der Aufbauphase und mögliche Akzeptanzprobleme bei Lkw-Herstellern und Logistikunternehmen. Auch wird darauf eingegangen, dass es nicht sicher ist, dass die benötigten Strommengen aus erneuerbaren Quellen dann zur Verfügung stehen, wenn sie im Verkehr benötigt werden. Man gewinnt den Eindruck, dass ergebnisoffen an das Thema herangegangen wird. Auch Alternativen werden in Betracht gezogen.

5. PRESSEMITTEILUNG: Der Beitrag geht deutlich über die Pressemitteilung/das Pressematerial hinaus.

Dieses Kriterium ist bei Pressemitteilungen nicht anwendbar.

6. ALT oder NEU: Der Beitrag macht klar, ob es sich um ein neu aufgetretenes Umweltproblem, eine innovative Umwelttechnik o.ä. handelt, oder ob diese schon länger existieren.

Die Notwendigkeit, auch im Lastenverkehr nach klimafreundlichen Antriebsverfahren zu suchen ist ein latent immer aktuelles Umweltproblem. Relativ neu ist dabei die Diskussion um Oberleitungs-Lkw, zu der die vorgestellte Studie einen Beitrag leistet. Dabei wird jedoch nicht klar, wie sich diese Studie zu Analysen verhält, die schon einige Jahre zuvor veröffentlicht wurden – so etwa 2015 eine Publikation des Umweltbundesamts „Postfossile Energieversorgungsoptionen für einen treibhausgasneutralen Verkehr im Jahr 2050“ . Auch schon im Gutachten des Sachverständigenrats für Umweltfragen 2012 wurden Oberleitungs-Lkw diskutiert. Was die jetzt vorgelegte Studie Neues leistet in dieser nun schon einige Jahre andauernden Diskussion, arbeitet die Pressemitteilung nicht ausreichend heraus. Auch Bezüge zu altbekannten Systemen fehlen: Warum beispielsweise haben sich O-Busse in Deutschland kaum durchgesetzt?

7. LÖSUNGSHORIZONTE und HANDLUNGSOPTIONEN / kein „Greenwashing“: Der Beitrag nennt Wege, um ein Umweltproblem zu lösen, soweit dies möglich und angebracht ist.

In der Pressemitteilung geht es darum, ob Oberleitungs-Lkw einen Beitrag zur Minimierung der CO2-Emissionen im Frachtverkehr leisten können, und wie deren Potenzial eingeschätzt werden kann. Auch andere Lösungsansätze – wie etwa Brennstoffzellen-Lkw – werden kurz angesprochen. Damit ist das Kriterium klar erfüllt.

8. RÄUMLICHE DIMENSION (lokal / regional / global): Die räumlichen Dimensionen eines Umweltthemas werden dargestellt.

Klimaschutz ist ein globales Problem, die Reduzierung der CO2-Emissionen eine weltweite Herausforderung. Die in der Pressemitteilung vorgestellte Studie analysiert das Potenzial von Oberleitungs-Lkw auf deutschen Autobahnen, um einen Beitrag zur Lösung zu leisten. Aus der Pressemitteilung geht – wenn auch nur sehr pauschal – hervor, dass diese Option in verschiedenen Ländern im Rahmen von Pilotvorhaben geprüft wird. Es wird erklärt, dass eine europäische Lösung erfolgversprechender ist als ein nur auf Deutschland beschränkter Ansatz.

9. ZEITLICHE DIMENSION (Nachhaltigkeit): Die zeitliche Reichweite eines Umweltproblems oder Phänomens wird dargestellt.

Die Pressemitteilung sagt wenig zum zeitlichen Rahmen. Man erfährt zwar, dass „derzeit“ Pilotprojekte in aller Welt starten, aber nicht, wann Oberleitungs-Lkw regulär zur Verfügung stehen könnten. Doch liegt dies offenbar an Grenzen der vorgestellten Studie. Zumindest wird in der Pressemitteilung ehrlich eingeräumt: „Der Zeitraum, in dem der Infrastrukturaufbau realisiert werden könnte, ist noch offen“. Da zugleich die vielen Hürden beschrieben werden, die noch zu nehmen wären, wird deutlich, dass eine seriöse Vorhersage wohl im Moment nicht möglich ist.

10. KONTEXT/KOSTEN: Es werden politische, soziale oder wirtschaftliche Aspekte eines Umweltthemas einbezogen.

Die Pressemitteilung stellt recht ausführlich vor allem den wirtschaftlichen Kontext dar. Konkret werden nötige Investitionen in die Infrastruktur beziffert („acht bis zwölf Milliarden Euro“), die wohl von der öffentlichen Hand vorzufinanzieren wären. Zudem werden Akzeptanzprobleme bei Autoherstellern und Logistikunternehmen angesprochen. Auch Faktoren wie Sichtbeeinträchtigungen für Anwohner der betroffenen Straßen erwähnt der Text.

Darstellung

1. THEMENAUSWAHL: Das Thema ist aktuell, oder auch unabhängig von aktuellen Anlässen relevant oder originell.

Die Vermeidung von Emissionen im Verkehr, hier speziell bei Lkw, ist zweifellos relevant. Oberleitungs-Lkw im Straßenverkehr sind ein in der Öffentlichkeit noch nicht sehr bekannter Lösungsansatz, damit hat das Thema auch eine gewisse Originalität. Warum die Pressemitteilung zur im Februar 2017 vorgelegten Studie allerdings erst im Mai 2017 erschienen ist, bleibt unverständlich. Sonderlich aktuell war die Meldung damit nicht mehr. Wir werten daher nur „knapp erfüllt“.

2. VERMITTLUNG: Komplexe Umweltzusammenhänge werden verständlich gemacht.

Die Pressemitteilung ist verständlich, leicht lesbar und gut strukturiert. Ein wenig im Raume hängen bleibt allerdings der erste Satz, wo von Pilotvorhaben weltweit die Rede ist. Dieser Aspekt wird im weiteren Verlauf nicht mehr aufgegriffen – entsprechende Erwartungen der Leserinnen und Leser werden damit enttäuscht.

3. FAKTENTREUE: Der Beitrag gibt die wesentlichen Daten und Fakten korrekt wieder.

Uns sind keine Faktenfehler aufgefallen.

7 von 9 anwendbaren umweltjournalistischen Kriterien sind „erfüllt“ oder „eher erfüllt“

3 von 3 allgemeinjournalistischen Kriterien sind „erfüllt“ oder „eher erfüllt“

 

 

 

Title

Kriterium erfüllt

Kriterium nicht erfüllt

Kriterium nicht anwendbar