Erneut erklärt Grazia.de Leserinnen und Lesern, wie sie angeblich mit einem Lebensmittel Bauchfett reduzieren können. Als Beleg für die Wirkung von Blaubeeren wird sogar auf eine Studie verwiesen. Dass es sich um eine kleine Laboruntersuchung aus dem Jahr 2011 an Ratten handelt, die von einer US-Lobbygruppe finanziert wurde, erklärt der Artikel indes nicht, verlinkt dafür lieber auf eine Küchenwaage auf Amazon.
Zusammenfassung
Die Webseite des Lifestyle-Magazins Grazia rät in einem Beitrag ihren Leserinnen und Lesern täglich 200 Gramm Blaubeeren (Heidelbeeren) zu konsumieren, um gezielt das Bauchfett „schmelzen“ zu lassen. In welchem Umfang das möglich wäre, erfahren Leserinnen und Leser nicht, ob dieser tägliche Konsum über einen unbestimmt langen Zeitraum auch irgendwelche negativen Effekte hat, wird nicht thematisiert. Angedeutet wird zumindest, dass es noch andere Methoden gibt, dies zu erreichen. Als Beleg wird auf eine Studie verwiesen, die weder eingeordnet wird und von der nicht deutlich wird, dass es sich um eine kleine Studie an Laborraten aus dem Jahr 2011 handelt. Eine Einordnung durch eine Expertin findet nicht statt. Interessenkonflikte werden ebenfalls nicht thematisiert, obwohl die Studie von einer US-Lobbygruppe finanziert wurde. Eigene Verkaufslinks im Text sind hingegen transparent gemacht. Dem insgesamt attraktiv vermittelnden Text gelingt es letztlich nicht, verständlich zu machen, warum ausgerechnet Blaubeeren in dieser Menge über einen unbestimmten Zeitraum helfen soll, gezielt Bauchfett zu reduzieren. Dass sich das ganze auf lediglich eine zehn Jahre alte Laborstudie stützt, lässt den gesamten Text als fragwürdig erscheinen. Wie schon bei einem vergleichbaren Artikel auf Grazia.de, den wir bewertet haben, entsteht der Eindruck, dass es lediglich darum geht, Verkaufslinks zu platzieren.
Die Kriterien
1. Die positiven Effekte sind ausreichend und verständlich dargestellt.
Laut dem Artikel sollen 200 Gramm Blaubeeren am Tag das Bauchfett zum Schmelzen bringen. Es wird nicht deutlich gemacht, wieso genau 200 Gramm. Vor allem wird nicht quantifiziert, wie viele Kilogramm oder Zentimeter man damit in welchem Zeitraum verliert.
Blaubeeren könnten zudem „aufgrund ihrer Ballaststoffe, Vitamin C und E sowie den darin enthaltenen Pflanzenstoffen namens Polyphenole auch noch zahlreiche Bereiche wie den Blutzuckerspiegel, die Verdauung (…) positiv beeinflussen.“ Aber auch hier gibt es keinerlei Angaben zum Ausmaß der Effekte, diese stehen indes auch nicht im Zentrum des Artikels.
2. Die negativen Effekte werden angemessen berücksichtigt.
Ob durch einen Verzehr von täglich 200 Gramm Blaubeeren irgendwelche negativen Effekte zu erwarten sind, wird nicht thematisiert.
200 Gramm Blaubeeren enthalten rund 12 Gramm Fruktose, das wäre schon die Hälfte der Mengen, die Menschen mit Fruktosemalabsorption vertragen. Ab 25 Gramm Fruktose können sich Symptome wie Bauchschmerzen und Blähungen einstellen.
3. Es werden ALTERNATIVE Lebensmittel/Ernährungsformen/Diäten oder andere Maßnahmen vorgestellt/verglichen.
Es heißt: „Um Bauchfett an den Kragen zu gehen, sollte nicht nur regelmäßig Sport wie beispielsweise die effektiven Workouts von Pamela Reif (Link zu Artikel im Medium) in den Alltag integriert werden, ganz besonders die Ernährung (Link zu Artikel im Medium) bestimmt über Erfolg und Misserfolg im Kampf gegen die Röllchen. Während du um einige Lebensmittel lieber einen Bogen machen solltest (Link zu Artikel im Medium), gibt es wiederum Speisen, die den Abbau der Fettdepots beschleunigen können (Link zu Artikel im Medium).“
Das macht zumindest klar, dass es neben Ernährung auch andere Maßnahmen gibt, die helfen können gezielt „Bauchfett“ zu reduzieren. Wir werten knapp „erfüllt“.
4. Die Belege/Studien werden ausreichend eingeordnet.
Als Beleg für die Behauptung im Artikel wird zwei Mal auf eine Studie verwiesen und in einem Fall verlinkt, was wir positiv finden. Dass es sich dabei indes um eine kleine Untersuchung aus dem Jahr 2011 handelt, bei denen lediglich Effekte auf Laborratten untersucht wurden, erfahren Leserinnen und Leser leider nicht. Warum ausgerechnet diese Untersuchung ausgewählt wurde, welche Aussagekraft eine solche Studie hat und ob die Ergebnisse im Lauf der Jahre bestätigt oder widerlegt wurden, erfahren Leserinnen und Leser nicht.
5. Es gibt weitere, unabhängige Experten und die Quellen sind transparent.
Zwar wird auf die angesprochene Studie verlinkt und man erhält die Information, dass es sich um eine Untersuchung der Universität Michigan handelt. Dass die Studie indes aus dem Jahr 2011 stammt, wird nicht erklärt. Eine Einordnung durch unbeteiligte Experten fehlt völlig.
6. Es wird auf mögliche INTERESSENKONFLIKTE eingegangen.
Es wird nicht auf Interessenkonflikte eingegangen, allerdings könnte es hier welche geben. In der verlinkten Studie ist angegeben, dass die Studie vom Highbush Blueberry Council (Folsom, CA, USA) gesponsert wurde. Ein beteiligter Autor hat weitere Forschungsgelder von dieser Lobbygruppe erhalten.
Positiv ist lediglich, dass Leserinnen und Leser transparent gemacht wird, dass es sich bei einigen Links im Artikel zu Produkten wie einer Küchenwaage um Verkaufslinks handelt.
Alles in allem werten wir daher nur knapp „nicht erfüllt“.
7. Es gibt eine Einordnung in den Kontext (Neuheit/Verfügbarkeit/Kosten/Herkunft etc.).
Ob es sich bei der Erkenntnis, dass Blaubeeren angeblich gezielt „Bauchfett“ reduzieren können, um eine alte oder neue Erkenntnis handelt, bleibt völlig offen. Für eine Empfehlung, täglich 200 Gramm Blaubeeren zu konsumieren, wären einige Informationen dazu, woher man diese und welche Art von Blaubeeren man kaufen sollte, hilfreich, auch wenn es beim Erscheinen des Artikels (Juni 2021) wohl vor allem um Frischware geht. Ob man dabei aber zum Beispiel darauf achten sollte Bioware oder konventionelle Ware zu kaufen, wird auch nicht deutlich. Zumal bei einem täglichen Verzehr dieser Menge über einem unbestimmten Zeitraum der Kostenaspekt auch eine Rolle spielen dürfte. Aber auch das wird nicht thematisiert. Dass man zum Gramm genauen Abwiegen extra eine Küchenwaage kaufen sollte, erscheint uns insgesamt auch etwas übertrieben.
8. Die FAKTEN stimmen.
Der Artikel erweckt den Eindruck, als sei die Studie der Beleg dafür, dass Blaubeeren „Bauchfett“ reduzieren könnte. Da es sich lediglich um eine Laborstudie aus dem Jahr 2011 an Laborratten handelt, ist dies indes keineswegs eindeutig.
Dass aufgrund der Studie 200 Gramm täglich zu verzehren seien, geht aus der Studie auch nicht hervor.
9. Der Beitrag ist überwiegend eine JOURNALISTISCHE EIGENLEISTUNG.
Wir haben dazu kein Pressematerial gefunden, können aber nicht ausschließen, dass eine Pressemitteilung o.ä. die einzige Quelle für den Artikel war. Da wir dies nicht überprüfen können, wenden wir das Kriterium nicht an.
10. Der Beitrag vermittelt das Thema ATTRAKTIV.
Der Text ist weitgehend attraktiv geschrieben, da er sich direkt an die Leserinnen wendet. Zudem wird das Problem „Bauchfett“ auf gewisse Weise freundlich und verständnisvoll behandelt, weil deutlich wird, dass manche Äußerlichkeiten eigentlich kein Problem sein sollten („Keine Frage: Jeder Frau sollte sich und ihren Körper lieben!“), es beim Thema „Bauchfett“ aber offensichtlich auch um gesundheitliche Aspekte geht. Das Fotomaterial ist passend ausgewählt.
11. Das Thema ist VERSTÄNDLICH erklärt.
Der Artikel ist zwar insgesamt nachvollziehbar für Leserinnen und Leser formuliert, jedoch begeht er den grundsätzlichen Fehler, so zu tun, als sei es aufgrund der Studie möglich, eindeutig darauf zu schließen, dass der Verzehr von Blaubeeren gezielt „Bauchfett“ reduzieren könne. Dies ist so nicht möglich.
Warum ausgerechnet 200 Gramm täglich und über welchen Zeitraum Blaubeeren zu konsumieren wären, wird in keiner Weise erklärt, sondern einfach nur behauptet.
Wir werten alles in allem knapp „nicht erfüllt“.
12. Das Thema ist AKTUELL, RELEVANT ODER ORIGINELL.
Ein konkreter, aktueller Anlass ist nicht erkennbar, außer dass ab Juli frische Blaubeeren verfügbar sind (der Artikel ist aus dem Juni), im Winter gäbe es sie indes auch als Tiefkühlware. Die Studie stammt aus dem Jahr 2011, hat aber keine besondere Relevanz für das menschliche Bauchfett, weil es sich um eine einzelne, kleine Untersuchung mit Laborratten handelt.
Auffällig ist, dass es nicht das erste Mal ist, dass das Medium auf fragwürdige Weise ein Lebensmittel vorstellt, dass angeblich gezielt dabei helfen soll, „Bauchfett“ zu reduzieren.
Der Artikel hinterlässt bei uns den Eindruck, als ginge es vor allem darum „Verkaufslinks“ im Artikel zu platzieren.