Bewertet am 21. Juli 2022
Veröffentlicht von: RND

Wer von Kuhmilch auf pflanzliche Alternativen umsteigen will, kann inzwischen aus einem großen Angebot auswählen. Der Artikel von RND möchte eine Orientierung geben, was für einige Aspekte gelingt, für andere indes nicht. Eine Einordnung durch einen weiteren Experten oder eine Expertin aus dem Bereich der Ernährungswissenschaft hätte den Artikel noch bereichert.

Zusammenfassung

Immer mehr Menschen möchten Kuhmilch durch vegane Getränke ersetzen. Das Angebot der Alternativen ist inzwischen recht unübersichtlich. Der Artikel des Redaktionsnetzwerks Deutschland (RND) versucht eine Orientierung zu geben und vergleicht in dem interessanten Text Vor- und Nachteile der Milch und ihrer pflanzlichen Alternativen. Dabei werden die positiven Effekte nur teilweise hinreichend erklärt. LeserInnen bekommen indes auch Informationen zu negativen Effekten. Nicht ausreichend ist die Einordnung der Belege und angeführten Studien, auch fehlt es an weiteren ExpertInnen zusätzlich zum befragten „Ernährungscoach“, dessen Expertise nicht hinreichend deutlich wird. Der Text macht klar, dass dies alles keine neuen Erkenntnisse sind, bietet aber leider keine Informationen zu den Kostenaspekten. Der Text hat viele verständliche Abschnitte, verwirrt jedoch sehr beim Thema Nähr- und Zusatzstoffe. Auch wenn es keinen aktuellen Anlass gibt, stellt der Text für viele LeserInnen ein paar interessante Informationen zum Thema Nachhaltigkeit von Milch und deren Alternativen bereit, nicht jedoch zu den gesundheitlichen Effekten, weil er sich lediglich auf die Mengen von Nährstoffen stützt, was nichts über die tatsächlichen, spezifischen gesundheitlichen Effekte aussagt.

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Die Kriterien

1. Die positiven Effekte sind ausreichend und verständlich dargestellt.

Vegane Milchalternativen aus Hafer, Mandel und Soja sollen nachhaltiger und gesünder sein. In dem Artikel werden viele Zahlen genannt, die das teilweise untermauern, etwa in Form einer Tabelle, aber auch im Fließtext. So werden etwa Klimagas-Emissionen, Wasserverbrauch und Landverbrauch für die Alternativen angegeben und mit Milch-Werten verglichen. Gleiches gilt für Nährwerte, auch hier werden die wichtigsten Milch-Nährstoffe aufgelistet und mit den Alternativen verglichen. Aber worin die gesundheitlichen Vorteile der pflanzlichen Alternativen bestehen sollen, wird nicht deutlich, denn nur weil ein Produkt einen größeren Anteil eines Nährstoffs besitzt, bedeutet dies nicht zwangsläufig, dass dieses Produkt auch gesünder ist, zumal völlig offenbleibt, welche spezifischen Effekte diese Nährstoffe, dann auch tatsächlich hervorrufen. Die in der Überschrift aufgeworfene Frage, wie gesund die pflanzlichen Alternativen sind, wird nicht hinreichend beantwortet, außer dass bestimmte Sorten mehr oder weniger Nährstoffe enthalten. Daher werten wir alles in allem nur knapp „erfüllt“.

2. Die negativen Effekte werden angemessen berücksichtigt.

Es werden eine ganze Reihe von Problemen bei den Milchalternativen genannt, von der eher schlechten Ökobilanz von Produkten mit langen Transportwegen und bei Anbau in Monokulturen, dem hohen Wasserverbrauch beim Anbau von Mandeln bis zu fehlenden Nährstoffen in den Milchalternativen, die gegebenenfalls zugesetzt oder anderweitig ausgeglichen werden müssen. Wichtig wäre noch der Hinweis auf häufige Allergien, v.a. gegen Soja, gewesen. Auch wäre es interessant zu erfahren gewesen, in wie gut die Alternativen Milch beim Kochen und Backen ersetzen können oder eben auch nicht.

3. Es werden ALTERNATIVE Lebensmittel/Ernährungsformen/Diäten oder andere Maßnahmen vorgestellt/verglichen.

Der Kern des Artikels ist ein Vergleich von Milch mit verschiedenen Milch-Alternativen, was gut gelingt. Wir werten dennoch nur knapp „erfüllt“, weil nicht deutlich wird, wie groß die ökologischen Effekte des Milchverzichts sind im Vergleich zu anderen Änderungen der Ernährungsgewohnheiten, etwa Einschränkung des Fleischkonsums.

4. Die Belege/Studien werden ausreichend eingeordnet.

Es wird zwar eine Studie aus dem Fachmagazin Science als Quelle angegeben, wie die Daten zustande gekommen sind, und wie verlässlich sie sind, bleibt indes völlig offen. Dies gilt auch für andere Daten im Artikel, bei denen teilweise unklar bleibt, aus welcher Quelle sie stammen und wie sie erhoben wurden, womit unsicher ist, wie verlässlich sie sind.

5. Es gibt weitere, unabhängige Experten und die Quellen sind transparent.

Es wird ein Experte ausführlich zitiert, der früher einmal Meteorologe war. Worin seine Qualifikation besteht, erschließt sich aus dem Beitrag nicht. Auf seiner Webseite erfährt man, dass er durch Recherchen „Erst im Internet, dann in Büchern und schließlich in meiner Ausbildung zum Ernährungscoach“ zum Ernährungsexperten wurde. Was es mit dieser Ausbildung auf sich hat, bleibt offen, „Ernährungscoach“ ist keine definierte Qualifikation. Über den Ernährungsexperten hinaus gibt es keine Einordnung durch andere unabhängige ExpertInnen, etwa aus der Ernährungsforschung. Der Experte im Text selbst ist Veganer. Die Quellen sind nur teilweise transparent.

6. Es wird auf mögliche INTERESSENKONFLIKTE eingegangen.

Es heißt, dass der Experte in Vorträgen, Workshops und Videos auf seinem Youtube-Kanal „The Habbitt Rabbi“ über vegane Ernährung aufklärt, auch gibt es einen Link zu einem Youtube-Video. Dass er einen spezifischen Interessenkonflikt hätte, weil er etwa Werbung für Milch-Alternativen macht o.ä. ist nicht erkennbar.

7. Es gibt eine Einordnung in den Kontext (Neuheit/Verfügbarkeit/Kosten/Herkunft etc.).

Es ist klar, dass die Milchalternativen keine Neuheit sind, auch wird deutlich, dass sie inzwischen breit verfügbar sind. Es gib leider keine Informationen zu den Kosten, obwohl die Milchalternativen teurer sind als Milch (Hafermilch kostet etwa dreimal so viel.).

Es gibt auch einen Verweis auf Bioprodukte: „Wer auf Nachhaltigkeit achten möchte, wählt am besten Biosojadrinks aus europäischen Sojabohnen. Wichtig: Der Hinweis „Hergestellt in Deutschland“ kann auch bedeuten, dass der Drink hierzulande nur abgefüllt und verpackt wurde.“

Und es gibt eine Erklärung, dass Alternativen, denen weitere Substanzen zugefügt sind, kein „Bioprodukt“ sein können: „Wer allerdings bewusst zu einer Milchalternative mit Zusätzen greife, müsse meist auf dieses Siegel verzichten, erklärt Thomas Rohlfing. „Laut Bioverordnung dürfen Zusatzstoffe in Biodrinks zwar aus technologischen Gründen enthalten sein, aber nicht, wenn sie ‚nur‘ der Nährstoffversorgung dienen.“

8. Die FAKTEN stimmen.

Es lassen sich nicht alle Zahlen überprüfen, weil manche Quellen unklar sind. Fragwürdig erscheint die Angabe in der Klimabilanz-Tabelle, ein Liter Haferdrink verursache 0,9 kg Treibhausgase. Im Science-Fachartikel sind für Hafermehl 0,9 kg CO2-Äquivalente pro 1000 kcal angegeben. 1 Liter Haferdrink enthält laut Nährwert-Tabelle im Artikel 450 kcal. Davon dürfte ein Teil aus dem ebenfalls enthaltenen Pflanzenöl stammen, nur 10 bis16 Prozent der Zutaten sind laut Angabe im Video Hafer. Beim Testsieger sind es 11 Prozent (siehe hier). Es erscheint sehr unwahrscheinlich, dass sich am Ende wieder genau 0,9 kg CO2-Äquivalente ergeben, offenbar wurde hier eine Zahl falsch aus dem Fachartikel übernommen. Die Stiftung Warentest nennt für Haferdrink 0,6 kg CO2-Äquivalente

Die Angaben zum Milchumsatz (POS Pulse) stammen nach unseren Recherchen aus einer Umfrage von Nielsen, indes hat sich der Umsatz nicht „mehr als verdoppelt“, sondern hat sich nur „knapp verdoppelt“, um 97 Prozent in 2 Jahren (2018 bis 2020).

9. Der Beitrag ist überwiegend eine JOURNALISTISCHE EIGENLEISTUNG.

Wir haben keine Hinweise, dass der Beitrag überwiegend auf Pressematerial beruht.

10. Der Beitrag vermittelt das Thema ATTRAKTIV.

Der Text ist kurzweilig geschrieben und vermittelt viele Fakten, die VerbraucherInnen interessieren, etwa wie es um die Zusätze in den Milchsorten steht und ob die Alternativen wirklich umweltfreundlicher sind. Die Zitate lockern der Text auf. Auch die persönliche Einschätzung des Experten bezüglich Geschmacks und Gewöhnungsphase helfen Leserinnen und Lesern bei der Orientierung.

11. Das Thema VERSTÄNDLICH erklärt.

Die Ausführungen zu Nährstoffen sind ausgesprochen verwirrend. Zunächst wird auf fehlende Nährstoffe und die „problematischen Zusatzstoffe“ in Pflanzendrinks hingewiesen. Was daran problematisch ist, wird indes nicht erklärt. Dann wieder heißt es, „Personen, die nicht so sehr auf ihre Ernährung und die Nährstoffzufuhr achten können oder möchten, kann es sinnvoll sein, Pflanzendrinks zu kaufen, denen Mineralien und Vitamine zugesetzt sind“. Warum von Aromen abgeraten wird, es dann aber heißt, selbst ein Pflanzendrink mit Aromen sei aus gesundheitlicher Sicht der Kuhmilch vorzuziehen, bleibt völlig unverständlich. Positiv ist, dass es kaum Fachwörter oder schwer verständliche Formulierungen gibt.

12. Das Thema ist AKTUELL, RELEVANT ODER ORIGINELL.

Ein aktueller Anlass ist nicht erkennbar, die zitierte Studie aus Science stammt aus dem Jahr 2019. Das Thema ist indes relevant, da immer mehr Menschen diese Produkte kaufen, es immer mehr Varianten gibt und es tatsächlich eine Alternative in Sachen Umwelt sein kann, auch wenn das Thema bereits vielfach berichtet wurde (siehe z.B. hier, hier, hier und hier). Alles in allem werten wir daher nur knapp „erfüllt“.

Journalistische Kriterien: 8 von 12 erfüllt

Wegen der zahlreichen knapp erfüllten Kriterien werten wir das Gesamtergebnis um einen Stern ab (von 4 auf 3 Sterne).

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Kriterium erfüllt

Kriterium nicht erfüllt

Kriterium nicht anwendbar