Bewertet am 27. Juli 2022
Veröffentlicht von: Brigitte.de

Täglich ein Glas Wasser mit dem Saft einer halben Zitrone zu trinken, kann laut Brigitte.de gesundheitlichen und anderen Problemen vorbeugen. Belege bleibt der Text schuldig, auch gibt es keinerlei Einordnung der behaupteten Effekte durch einen Experten oder eine Expertin. Damit bleibt völlig offen, ob das tägliche Glas Zitronenwasser diese Effekte wirklich ermöglicht.

Zusammenfassung

Eine einfache Maßnahme, mit der man gleich einer Vielzahl gesundheitlicher Probleme begegnen kann, das verspricht Brigitte.de mit diesem Artikel. Ein Glas Wasser, das mit dem Saft einer frisch gepressten halben Zitrone aufgepeppt wird, soll sogar das Risiko für Krebs deutlich senken. Doch die behaupteten positiven Effekte werden in keinem Fall konkret genug beschrieben. Negative Effekte werden gar nicht thematisiert. Die Maßnahme wird nicht mit anderen Maßnahmen verglichen. Welche Belege es für die behaupteten Effekte gibt, erklärt der Artikel nicht. Eine Einordnung durch ExpertInnen fehlt völlig. Der zwar attraktiv gehaltene Artikel stützt sich letztlich nur auf Plausibilitäten ohne wirklich etwas stichhaltig zu erklären. Eine journalistische Relevanz ist nicht erkennbar.

Hinweis: Wir haben den Artikel in der Version vom 31. Mai bewertet, der nicht mehr unter der ursprünglichen URL verfügbar ist. Daher haben wir auf die Version vom 17. Januar verlinkt, bei dem andere Werbelinks vorhanden sind und der nur von einer Autorin verfasst ist.

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Die Kriterien

1. Die positiven Effekte sind ausreichend und verständlich dargestellt.

Laut dem Artikel soll das tägliche Trinken von Zitronenwasser beim Abnehmen helfen, gegen Erkältungen wappnen, Gehirn und Muskeln fit halten, für eine schöne Haut sorgen, das Krebsrisiko reduzieren, den Körper entsäuern und die Gelenke schützen. Keiner der Effekte wird quantifiziert: Wieviel länger hält das Sättigungsgefühl an? Wie schnell gehen Narben zurück? Wie deutlich wird das Krebsrisiko verringert? Gerade bei dieser Behauptung („das Krebsrisiko wird deutlich vermindert (…)“) würde man natürlich gerne wissen, wie groß dieser Effekt mit dem Saft einer halben Zitrone täglich ist. Letztlich erscheint es wenig glaubhaft, dass ein Glas Wasser mit dem Saft einer Zitrone das alles vermag, insbesondere das Risiko für Krebs zu senken. Dass in einigen Fällen der Effekt möglicherweise einfach durch das Wasser und gar nicht durch Inhaltsstoffe des Zitronensafts erzielt wird, diskutiert der Artikel nicht.

2. Die negativen Effekte werden angemessen berücksichtigt.

Risiken der Zitronenwasser-Kur werden nicht thematisiert. Das Zitronenwasser könnte bei manchen Menschen zu Sodbrennen führen und auch auf Dauer Schäden an Zähnen verursachen.. Nach Angaben der American Dental Association macht die Zahnerosion die Zähne im Laufe der Zeit anfällig für Karies. Es stellt sich auch die Frage, warum man eigentlich nur ein Glas Zitronenwasser pro Tag trinken soll – wären zwei zu viel oder könnte man damit Effekte und damit auch die Risiken noch verstärken? Das bleibt unklar.

3. Es werden ALTERNATIVE Lebensmittel/Ernährungsformen/Diäten oder andere Maßnahmen vorgestellt/verglichen.

Andere Lebensmittel, die reich an Vitamin C und Antioxidantien sind, werden nicht erwähnt. Dabei gibt es einige Gemüsesorten, die mehr Vitamin C pro 100 g enthalten. Unter 5. wird darauf hingewiesen, dass Vitamin C zu den effektivsten Antioxidantien zählt – an dieser Stelle hätte man auch andere, vergleichbare Antioxidantien als Alternative nennen können. Auch wird das tägliche Glas nicht mit anderen Maßnahmen verglichen, um die gleichen oder größere Effekte zu erzielen. Und schließlich – wie schon unter positiven Effekten erwähnt – könnte auch ein Glas Wasser ohne Zitronengeschmack ähnliche Effekte erzielen.

4. Die Belege/Studien werden ausreichend eingeordnet.

Wie gut die behaupteten Effekte durch Studien belegt sind, wird nicht erklärt, der Text kommt ohne konkrete Quellen aus. Es gibt lediglich den Verweis auf ein 17 Jahre altes Lehrbuch am Ende des Textes. Damit bleibt völlig offen, ob all die behaupteten Effekte wirklich stimmen.

5. Es gibt weitere, unabhängige Experten und die Quellen sind transparent.

Es werden keine ExpertInnen zitiert und die einzige benannte Quelle (ein 17 Jahre altes Lehrbuch) ist online nicht einsehbar.

6. Es wird auf mögliche INTERESSENKONFLIKTE eingegangen.

Es werden keine ExpertInnen oder Institutionen zitiert, sodass man auf Interessenkonflikte auch nicht eingehen muss.

Der Text enthält neben Links zu anderen Texten im eigenen Medium auch Links zu Online-Shops und Produkten. Diese Affiliate-Links sind optisch unterscheidbar, weil sie aus zwei grünen Linien bestehen (einfach Links durch eine rote Linie), sobald man mit dem Mauscursor über den Link fährt, öffnet sich ein kleines Fenster mit der Anzeige für das Produkt. Das macht Leserinnen und Leser deutlich, dass es sich um Produktlinks handelt, auch wenn dies bei anderen Medien deutlicher gekennzeichnet ist und darauf auch extra hingewiesen wird, etwa am Ende des Artikels.

7. Es gibt eine Einordnung in den Kontext (Neuheit/Verfügbarkeit/Kosten/Herkunft etc.).

Zitronen sind überall und jederzeit verfügbar, auch die Preise sind bekannt, sodass man dies nicht thematisieren muss. Im Text werden kurz „Biozitronen“ erwähnt ohne zu erklären, warum dies in diesem Fall notwendig wäre, da die Schale ja nicht verzehrt wird. Angesichts der behaupteten Effekte erscheinen Informationen zum Gehalt an Inhaltsstoffen indes interessant. Enthalten die kurz erwähnten Biozitronen höhere Konzentrationen? Oder wie sieht es mit ähnlichen Zitrusfrüchten aus wie etwa Limetten? Dies wären interessante Informationen gewesen.

Ob Zitronenwasser genug Citrate liefert, um Nierensteine aufzulösen, möchten wir ebenso bezweifeln. In diesen Ernährungsempfehlungen bei Nierensteinen des Max-Rubner-Instituts der TU München spielt Zitronenwasser jedenfalls keine Rolle.

8. Die FAKTEN stimmen.

Da der Artikel keinen konkreten Quellen wie aktuelle Studien nennt, an denen wir die Fakten zu den behaupteten Effekten überprüfen können, wenden wir das Kriterium nicht an.

Dennoch sind uns einige allgemeine Aspekte aufgefallen, bei denen die Fakten nicht sauber wiedergegeben erscheinen.

Das Krebsrisiko kann sicher nicht „deutlich“ durch das alleinige Trinken von Zitronenwasser vermindert werden. Gesunde Ernährung hat zwar Effekte, aber generell sind diese eher gering. Der Körper muss nicht, wie behauptet, entsäuert werden, da er den Säure-Basen-Haushalt sehr gut selbst reguliert, es sei denn es liegt eine behandlungsbedürftige Azidose vor.

Dass die Mineralstoffmengen aus einer halben Zitrone ausreichen, um geistig klar und fokussiert zu sein oder einem Muskelkater vorzubeugen, wage wir zu bezweifeln, zumal wahrscheinlich der Effekt des Wassers alleine mithineinspielt. 100 mg Zitronensaft enthalten folgende Werte (https://nahrhaft.info/naehrwerte/976-Zitronensaft). Aus einer halben Zitrone erhält man dann etwa 10 ml Saft, mit einem Gehalt von 2,4 Milligramm Magnesium. Der Tagesbedarf eines Erwachsenen liegt bei 300 bis 350 Milligramm. Da verdeutlicht schon, dass in dieser Rechnung ein Glas Zitronenwasser keine Rolle spielt.

9. Der Beitrag ist überwiegend eine JOURNALISTISCHE EIGENLEISTUNG.

Es lässt sich nicht entscheiden, ob der Artikel das Ergebnis einer eigenen Recherche oder vor allem auf Pressematerial bzw. auf anderen ähnlichen Artikeln beruht, die seit Jahren im Netz kursieren (hier z.B. aus dem Jahr 2016 https://vitaltotal.com/2016/05/01/gute-gruende-warum-zitronenwasser-trinken-solltest/), daher wenden wir das Kriterium nicht an.

10. Der Beitrag vermittelt das Thema ATTRAKTIV.

Der Text ist gut lesbar, mit den sieben Tipps einfach strukturiert und übersichtlich. Ein vorgeschaltetes Inhaltsverzeichnis lässt Unterkapitel direkt anwählen. Das Foto passt sehr gut zum Thema und animiert zur direkten Umsetzung. Die Fettungen wirken allerdings willkürlich. Auch die Mischung aus verlinkten Wörtern zu inhaltlich passenden Beiträgen auf der Seite und Werbelinks hinter einigen Wörtern ist verwirrend. Der Hinweis zum Eisenmangel unter Punkt 2. kommt etwas unvermittelt, da es in dem Abschnitt eigentlich um das Immunsystem geht. Das Rezept am Ende des Artikels ist so trivial, dass man es eigentlich nicht Rezept nennen kann – ein Satz zur Zubereitung wäre ausreichend gewesen.

11. Das Thema VERSTÄNDLICH erklärt.

Der Text ist oberflächlich leicht verständlich. Es werden nur wenige Fremdwörter verwendet, die fast immer erklärt werden – Ausnahme: Citrate. Die angeblichen Effekte von Zitronen werden größtenteils plausibel erklärt, was indes auch funktioniert, wenn die Aussage medizinischer Unsinn wie zum Beispiel im Fall des Säure-Base- Haushalts ist (siehe auch Kriterium Fakten für mehrere Beispiel), was wiederum zeigt, dass auch ein scheinbar verständlicher Artikel letztlich nichts erklärt.

12. Das Thema ist AKTUELL, RELEVANT ODER ORIGINELL.

Das Thema hat weder einen aktuellen Anlass noch ist er relevant oder originell. Ähnliche Artikel kursieren seit einigen Jahren durchs Internet (siehe auch unsere Bewertungen eines Artikels zur Zitronenwasser-Diät vor einigen Wochen). Ohne konkrete Quellen bleibt indes völlig offen, ob die behaupteten Effekte überhaupt zutreffen, damit ist der Artikel ohne jede journalistische Relevanz. In der Ernährungswissenschaft wird zudem immer deutlicher, dass nur eine gesundes Ernährungsmuster gesund hält und nicht einzelne Lebensmittel, wie Zitronen.

Journalistische Kriterien: 2 von 10 erfüllt

Wegen des Fehlens konkreter Belege und einer Einordnung durch ExpertInnen werten wir das Ergebnis um einen Stern ab (von 1 auf 0 Sterne).

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Kriterium erfüllt

Kriterium nicht erfüllt

Kriterium nicht anwendbar