Bunte.de preist eine vegane Ernährungsweise als gute Möglichkeit an, abzunehmen. Der Text verzichtet indes auf die Einschätzung von ExpertInnen, gibt zwei, einige Jahre alte Studien nicht hinreichend korrekt wieder, und empfiehlt vegane Ernährung sogar für Kinder, ohne darauf hinzuweisen, das offizielle Stellen davon abraten. In seiner unkritischen Darstellung veganer Ernährung hat der Artikel mehr von einem aktivistischen Text, als von journalistisch-kritischer Berichterstattung.
Zusammenfassung
Der Artikel auf Bunte.de stellt eine vegane Ernährungsweise als Möglichkeit vor, langfristig abzunehmen. Positive Effekte werden indes nicht hinreichend konkret beschrieben, negative Effekte nur am Rande erwähnt. Ein Vergleich mit anderen Ernährungsformen findet kaum statt, stattdessen werden Fleisch und Milchprodukte pauschal als ungesund dargestellt. Es wird auf zwei, einige Jahre alte Studien verwiesen, die jedoch nicht korrekt beschrieben und nicht hinreichend eingeordnet werden. Eine Einordnung durch unabhängige ExpertInnen gibt es ebenfalls nicht, zwei Verkaufslinks im Artikel sind nicht als solche transparent gemacht. Der interessant aufgemachte Artikel setzt sich nicht kritisch mit veganer Ernährung auseinander, sondern fällt eher durch aktivistische Darstellung auf, die zum Teil fehlerhaft ist und nicht erkennen lässt, warum der Artikel relevant oder aktuell ist.
Die Kriterien
1. Die positiven Effekte sind ausreichend und verständlich dargestellt.
Es werden verschiedene positive Effekte vorgestellt, die indes in keinem einzigen Fall konkret in Zahlen erklärt werden, so bleibt also völlig offen, in welchem Maße es möglich ist, mit veganer Ernährungsweise abzunehmen, den Cholesterinwert zu senken usw. Zudem wird vegane Ernährung bzw. pflanzliche Lebensmittel als generell gesünder als eine Mischkost oder tierische Lebensmittel wie Fleisch, Milch und Käse dargestellt. Dies ist in dieser Pauschalität eine übertriebene, tatsächlich sogar falsche Darstellung (siehe Kriterium Fakten).
2. Die negativen Effekte werden angemessen berücksichtigt.
Mögliche negative Effekte werden nur am Rande erwähnt: z. B., dass einige vegane Lebensmittel wie Schokolade in größeren Mengen ungesund sein können. Weiter wird allerdings nicht differenziert und die in den Studien erwähnten negativen Effekte nicht berücksichtigt. So werden etwa Kartoffeln und andere stärkehaltigen Lebensmittel in der angesprochenen Harvard-Studie mit Gewichtszunahme in Verbindung gebracht. Der Artikel dagegen empfiehlt, alle Gemüsesorten ohne Mengenbegrenzung zu verzehren, sie seien pauschal gesund. Dass es einen Mangel an Vitamin B12 geben kann, wird zwar angedeutet, ebenso an Vitamin D3, dann wird aber pauschal zur Supplementierung geraten, weil im Falle von B12, dies ja für „alle Ernährungsformen“ gelte. Warum es empfehlenswert sei, Vitamin D3 über Nahrungsergänzungsmittel zusätzlich einzunehmen, erklärt der Text nicht.
Kein Wort verliert die Autorin über die Risiken veganer Ernährung in Schwangerschaft und Stillzeit sowie bei der Ernährung von Kindern. Das ist problematisch, denn es gibt klare Empfehlungen von unabhängigen Stellen wie dem Bundeszentrum für Ernährung (BZfE): Das BZfE rät von veganer Ernährung in Schwangerschaft und Stillzeit sowie bei Kindern ab. Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) rät von veganer Ernährung ohne entsprechender Beratung oder Unterstützung ab.
3. Es werden ALTERNATIVE Lebensmittel/Ernährungsformen/Diäten oder andere Maßnahmen vorgestellt/verglichen.
Der Artikel stellt pflanzliche Lebensmittel pauschal als gesund und tierische Lebensmittel als ungesund dar. Hier wäre eine weit differenziertere Betrachtung wichtig gewesen.
4. Die Belege/Studien werden ausreichend eingeordnet.
Es wird zwar auf zwei einzelne Studien als Belege für Thesen verwiesen, diese werden jedoch nicht eingeordnet und sogar falsch wiedergegeben. Die verlinkte „große Studie der Universität Harvard“ ist in den Ergebnissen falsch dargestellt: Es handelt sich keineswegs um eine Langzeit-Beobachtungsstudie über 20 Jahre, sondern um eine Meta-Analyse mehrerer Kohortenstudien. Diese ist auch gar nicht geeignet, die These des Artikels, dass man mit veganer Ernährung am besten abnehmen kann, zu belegen, weil sie – und das wird zumindest richtig berichtet – nur zeigt, dass die TeilnehmerInnen in der Studie mit veganer Ernährung am wenigsten zugenommen haben.
Die verlinkte Kinderernährungsstudie hat keine rein vegetarische oder vegane Ernährung untersucht, lässt sich also gar nicht als Beleg für die Vorzüge dieser Ernährungsformen heranziehen. Für all die anderen Behauptungen im Artikel werden keinerlei Belege vorgestellt.
Dass beide Studien ein paar Jahre alt sind (2015 und 2019), erfahren Leserinnen und Leser nicht.
5. Es gibt weitere, unabhängige Experten und die Quellen sind transparent.
Es gibt keinerlei Einordung durch ErnährungsexpertInnen. Es werden zwei Studien als Quellen herangezogen, bei denen zumindest auf die Zusammenfassungen verlinkt wird.
6. Es wird auf mögliche INTERESSENKONFLIKTE eingegangen.
Die potentiellen Interessenskonflikte der Autoren der Harvard-Studie, die in der Publikation genannt werden, sind nicht erwähnt. Der Artikel enthält zwei Produktlinks zu Amazon, die nicht transparent gemacht sind.
Die Autorin gibt an selbst Veganerin zu sein. Auf ihrer Webseite bezeichnet sie sich als „Vegan. Nachhaltig. Authentisch.“ Sie ist aktiv als „vegane Mama“ und rät – gegen die Empfehlung der DGE – zur Veganer Kinderernährung. Dies erklärt möglicherweise die teils werblichen Textstellen, was dem Artikel einen eher aktivistischen, denn journalistischen Anstrich verleiht.
7. Es gibt eine Einordnung in den Kontext (Neuheit/Verfügbarkeit/Kosten/Herkunft etc.).
Auf die Kosten für vegane Produkte, darunter Nüsse, Mandeln und ganzjährig frisches Obst und Gemüse wie Avocados, oft aus Importen, geht die Autorin nicht ein. Zu erwähnen wäre auch, dass vegane Ernährung im Alltag sehr zeitaufwändig sein kann, mit Einkauf, Vorbereiten, Kochen, Mitführen von veganem Essen, weil die Kantine Mischkost anbietet etc. Dieser Alltags -und Zeitaspekt kommt im Beitrag nicht vor. Aspekte wie die Herkunft der pflanzlichen Lebensmittel (etwa im Winter) werden nicht thematisiert. Es wird pauschal unterstellt, vegane Ernährung sei nachhaltig, ohne zu erklären, was an dieser Ernährungsform nachhaltig sein soll. So verkommt das Wort zu einem reinen Schlagwort ohne Bedeutung.
8. Die FAKTEN stimmen.
Der Artikel behauptet vieles über vegane Ernährung. Wo die Fakten überprüfbar sind, finden wir zahlreiche Fehler, insbesondere in der Darstellung und Verwendung der beiden Studien.
Im Artikel wird zum Beispiel behauptet, pflanzliche Lebensmittel hielten den Insulinspiegel konstant. Der Insulinspiegel ist indes niemals konstant, Insulin wird charakteristisch in Schüben ausgeschüttet (oszillierend) und sollte nach dem Essen wieder abgebaut werden. Die Schwankungen sind physiologisch und es ist gerade kein Ziel, den Insulinspiegel „konstant“ zu halten. Auch den Cholesterinspiegel konstant zu halten, ist kein internistisches Ziel – das Ziel ist es, Grenzwerte bei Risikofaktoren nicht zu überschreiten. Ein hoher Cholesterinwert, der konstant bleibt, wäre also ein Risiko.
Die beiden im Artikel vorgestellten Studien sind nur eingeschränkt korrekt dargestellt und auch nicht geeignet, die zentrale Behauptung des Textes zu belegen, dass vegane Ernährung hilft, abzunehmen (siehe Kriterium Belege).
Im Artikel wird behauptet: „Lediglich das überlebenswichtige Vitamin B12 sollte extern zugeführt werden. Das gilt aber für alle Ernährungsformen.“ Die Behauptung, das Vitamin B12 bei allen Ernährungsformen extern zugeführt werden müsse, stimmt nicht, da Fleisch, Fisch und Meeresfrüchte sowie Eier und Milchprodukte gute Vitamin B12 -Lieferanten sind.
Der Artikel behauptet: „Auch Kinder profitieren von einer ausgewogenen pflanzlichen Ernährung, wenn sie richtig durchgeführt wird, wie diese Studie beweist.“ Die im Beitrag an der Stelle verlinkte Studie hat aber gar nicht untersucht, ob Kinder bei einer veganen Ernährung gesund sind, gesund werden oder bleiben.
9. Der Beitrag ist überwiegend eine JOURNALISTISCHE EIGENLEISTUNG.
Wir haben keine Hinweise, dass der Text nur auf Pressematerial beruht.
10. Der Beitrag vermittelt das Thema ATTRAKTIV.
Der Text ist in einfacher Sprache geschrieben, es gibt keine Fremdworte, der Text nennt viele Beispiele und ist erkennbar als Ratgebertext konzipiert, es liegt eine klare Strukturierung vor, es wird auf Rezepte verwiesen (jedoch nur ein Teil der vorgestellten Rezepte ist verlinkt). Leider sind einige Aussagen redundant. Manche Formulierungen wirken sehr werblich: „Eine rein pflanzliche Ernährung kann dazu beitragen, dass wir uns fitter und agiler fühlen, mehr Energie am Tag haben und motivierter zum Sport gehen.“ Formulierungen wie „die Studie beweist“ oder „mehrere Studien beweisen“ sind für wissenschaftliche Studien nicht angebracht, da diese, zumal im Bereich der Ernährungswissenschaft bestenfalls Hinweise liefern oder Vermutungen bestätigen bzw. belegen können. Wir werten knapp „erfüllt“.
11. Das Thema VERSTÄNDLICH erklärt.
Der Artikel erklärt wenig, sondern vermittelt meist nur pauschale Behauptungen. Das Versprechen „Wir zeigen dir, wie vegane Ernährung das Abnehmen erleichtert und den Jojo-Effekt bezwingen kann.“ wird nicht erfüllt, weil es schon keine Erklärung des sogenannten Jojo-Effekts gibt, und auch keine Erklärung dazu, wie veganes Essen den Effekt verhindern sollte. Auch die Unterscheidung von veganer und vegetarischer Lebensweise wird nicht erklärt. Warum ist vegane Ernährung nachhaltig? Besteht ein Unterschied zwischen Proteinen aus pflanzlichen und tierischen Lebensmitteln?
Zudem enthält der Artikel Widersprüche. So heißt es: „Vegan abnehmen ist keine Diät, es ist eine langfristige Ernährungsumstellung“ (was ja stimmt), kurze Zeit später aber heißt es dann: „Wie bei jeder Diät, geht es auch hier darum, ungesunde Lebensmittel zu vermeiden.“ Warum Vitamin D3 supplementiert werden sollte, erklärt der Text nicht, vor allem nicht, warum dies in Kombination mit „K2“ erfolgen sollte. Was K2 ist, erklärt der Text ebenfalls nicht.
Alles in allem werten wir knapp „nicht erfüllt“.
12. Das Thema ist AKTUELL, RELEVANT ODER ORIGINELL.
Zwar gibt es wohl immer Leserinnen und Leser, die Informationen zu einer veganen Lebensweise suchen, indes bietet der Artikel weder aktuelle noch relevante Informationen. Die beiden Studien sind drei bzw. sieben Jahre alt. Relevante Empfehlungen wie die der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) werden gar nicht vorgestellt. Der Artikel macht nicht deutlich, nach welchen journalistischen Kriterien eine Veröffentlichung gerechtfertigt wäre.
Journalistische Kriterien: 2 von 12 erfüllt
Wir werten aufgrund der zahlreichen Fehler und Versäumnisse im Artikel um einen Stern ab (von 1 auf 0 Sterne).