Bewertet am 16. März 2022
Veröffentlicht von: Bild.de

Bei der „Low Carb“-Diät soll weitgehend auf einfache Kohlenhydrate wie in Weißbrot oder Nudeln verzichtet werden, um abzunehmen. Bild.de stellt die Diät hinreichend verständlich vor, belegt die Aussagen indes nur durch eine einzige, vier Jahre alte Studie und verzichtet weitgehend auf die Einordnung durch Expertinnen oder Experten.

Zusammenfassung

Bild.de stellt die weithin bekannte „Low Carb“-Diät vor, also weitgehende Verzicht auf einfache Kohlenhydrate wie sie in Weißbrot, Nudeln oder Reis vorkommen. In dem mit Abstrichen verständlichen Beitrag werden positive Effekte einigermaßen deutlich, auch auf negative Effekte wird eingegangen und die Diätform wird zumindest mit einer anderen Diät verglichen, wenn auch nur aufgrund einer einzigen Studie. Offen bleibt hingegen, wie gut die Effekte durch wissenschaftliche Untersuchungen belegt sind. Eine Einordnung durch Expertinnen oder Experten gibt es im Beitrag nicht. Der recht quellenarme Artikel ist zwar abwechslungsreich, wirkt aber auch etwas wahllos strukturiert, bei dem ganz am Ende plötzlich eine wissenschaftliche Studie angesprochen wird und wie aus dem Hut gezaubert wirkt. Warum der Artikel gerade zu diesem Zeitpunkt bei Google News auftaucht, wird weder inhaltlich noch nach journalistischen Kriterien ersichtlich.

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Die Kriterien

1. Die positiven Effekte sind ausreichend und verständlich dargestellt.

Der Artikel macht deutlich, dass ein wesentlicher positiver Effekt eine Gewichtsabnahme ist. Diese wird konkret in Zahlen erklärt unter Verweis auf eine Studie und mit „gut 5,5 kg“ über ein Jahr angegeben. Zusammen mit der Aussage „Low Carb“ sei „für jeden gut“ entsteht dabei der Eindruck, jeder würde mit dieser Diät deutlich abnehmen. Tatsächlich gab es in der Studie eine große Bandbreite – manche Teilnehmerinnen und Teilnehmer nahmen bis zu dreißig Kilogramm ab, andere aber nahmen zehn Kilogramm zu (https://jamanetwork.com/journals/jama/fullarticle/2673150). Dies wäre eine nützliche Information für Leserinnen und Leser gewesen, um den Effekt nicht zu überschätzen. Auch wird im Beitrag eingangs behauptet, wer über eine Diät abnehmen wolle, „kommt an ‚“Low Carb“ nicht vorbei“. Am Ende wird dann berichtet, dass der Studie zufolge eine Low-Carb-Diät in etwa genauso erfolgreich war wie eine Low Fat-Diät.

Der Artikel verdeutlicht auch, dass eine „Low Carb“-Diät hilfreich sein soll, um den Blutzucker niedrig zu halten. Dies wird indes nicht konkret in Zahlen beschrieben.

Alles in allem werten wir daher nur knapp „erfüllt“.

2. Die negativen Effekte werden angemessen berücksichtigt.

Der Beitrag weist darauf hin, dass eine fettreiche Ernährung trotz Gewichtsabnahme gesundheitlich problematisch sein kann, und z.B. Herz-Kreislauf-Probleme entstehen können. Auch wird erläutert, dass ein vollständiger Verzicht auf Kohlenhydrate nicht als Langzeiternährung geeignet ist, weil z.B. ein Mangel an bestimmten Nährstoffen auftreten kann. Diese negativen Effekte werden zwar nur recht vage beschrieben und nicht quantifiziert, für einen solchen Ratgeber-Beitrag erscheint uns dies aber gerade noch hinreichend, daher werten wir knapp „erfüllt“.

3. Es werden ALTERNATIVE Lebensmittel/Ernährungsformen/Diäten oder andere Maßnahmen vorgestellt/verglichen.

Es wird, wenn auch erst am Ende des Beitrags, über eine Studie berichtet, die ergab, dass eine fettarme Ernährung ebenso wirksam das Gewicht reduziert wie die hier ins Zentrum gerückte „Low Carb“-Diät. Andere Diäten, oder etwa die Rolle von ausreichend Bewegung, werden nicht angesprochen, daher werten wir nur „knapp erfüllt“.

Der Artikel erwähnt auch verschiedene Diäten, die dem „Low Carb“-Prinzip folgen, und erläutert auch, dass sich kohlenhydratarme von der konventionellen prinzipiell unterscheidet. Aber worin sich die „Low Carb“-Varianten genau unterscheiden, bleibt offen. Es wird immerhin zu Artikeln im Medium verlinkt, die diese beschreiben.

4. Die Belege/Studien werden ausreichend eingeordnet.

Wie gut das „Low Carb“-Prinzip durch wissenschaftliche Studien untersucht ist, bleibt offen. Nur am Ende wird eine vier Jahre alte Vergleichsstudie angesprochen, die über ein Jahr die Auswirkungen einer kohlenhydratarmen gegenüber einer fettreduzierten Diät betrachtete und keine Unterschiede feststellen konnte. Die vorgestellte Studie wird nicht eingeordnet, die Methodik nur unzureichend beschrieben. Dass es eigentlich das Ziel der Studie war, den Effekt verschiedener Diäten auf Menschen mit unterschiedlichen Genotypen zu untersuchen, wird nicht erläutert. Ob es davor oder danach andere Untersuchungen gab, die das Ergebnis bestätigen oder ihm widersprechen, erläutert der Text nicht.

5. Es gibt weitere, unabhängige Experten und die Quellen sind transparent.

Ernährungsexperten, die die Diät einordnen, werden im Beitrag nicht zitiert. Als Quelle wird zwar an einer Stelle die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) genannt, doch mit Aussagen, die eher allgemeine Empfehlungen zu sein scheinen als genau auf „Low Carb“ abzuzielen, wie z.B. Vollkornprodukte zu bevorzugen und auf „versteckte Fette“ zu achten. Einen Link zu den Empfehlungen auf der Seite der DGE gibt es nicht. Es gibt auch keinen Link zur Studie, die am Ende vorgestellt wird, es wird zwar erklärt, an welcher Universität die Untersuchung durchgeführt wurde, aber nicht in welchem Fachmagazin die Studie veröffentlicht wurde.

6. Es wird auf mögliche INTERESSENKONFLIKTE eingegangen.

Interessenkonflikte spielen bei diesem Thema in dieser Form keine Rolle, da auch keine Expertinnen oder Experten zu Wort kommen. Daher wenden wir das Kriterium nicht an.

7. Es gibt eine Einordnung in den Kontext (Neuheit/Verfügbarkeit/Kosten/Herkunft etc.).

Der Artikel enthält Rezepte wie auch konkrete Mahlzeitenvorschläge aus der „Low Carb“-Küche, so dass Leserinnen und Leser Hinweise bekommen, was das im Alltag bedeutet, was Verfügbarkeit, Zeitaufwand und Kosten angeht. Es wäre zwar wünschenswert gewesen, wenn der Artikel konkret einen Satz dazu enthielte (wie z. B.: Grundsätzlich ist „Low Carb“ mit alltäglichen Lebensmitteln ohne Mehrkosten zuzubereiten, allenfalls Zeit ist ein Faktor, weil mehr frisch zubereitet wird.).

Hinweise, bei der Auswahl der Lebensmittel auf deren Herkunft (Bio) zu achten, gibt es keine. Wie lange „Low Carb“-Diäten bereits empfohlen werden, wird nicht ausdrücklich erklärt. Lediglich Informationen wie der, dass es verschiedene Varianten gibt und, dass man an „Low Carb“-praktisch nicht vorbeikomme, deuten an, dass es sich um eine etablierte und damit schon länger empfohlene Abnehmmethode handelt.

8. Die FAKTEN stimmen.

Da der ganz überwiegende Teil der Behauptungen zur „Low Carb“-Diät ohne jegliche Quellen berichtet werden, können wir diese nicht im Rahmen eines solchen Gutachtens bewerten. Daher wenden wir das Kriterium nicht an.

Eine Behauptung können wir indes nicht nachvollziehen, die Widersprüchlichkeit ergibt sich schon im Text: So heißt es: „Kohlenhydrate wie Weißmehl und Zucker lassen den Blutzucker besonders schnell und sehr hoch ansteigen. Man bekommt Heißhunger (…). „Low Carb“-Ernährung durchbricht diesen Mechanismus.“ Schon wenige Zeilen später liest man: „Wenn vollständig auf Kohlehydrate verzichtet wird (…), fehlen zu viele Nährstoffe. Heißhungerattacken und Jojo-Effekt sind die Folge.“  Tatsächlich folgt Heißhunger auf steil abfallende Blutzuckerspiegel, nicht ansteigenden. Wie es dann auch bei Zuckerverzicht dazu kommen kann, erklärt der Text nicht im Ansatz.

9. Der Beitrag ist überwiegend eine JOURNALISTISCHE EIGENLEISTUNG.

Wir haben keine Hinweise, dass der Artikel überwiegend auf Pressematerial beruht. Lediglich das Rezept findet sich annähernd wortgleich auf küchengoetter.de.

10. Der Beitrag vermittelt das Thema ATTRAKTIV.

Der Beitrag verknüpft eher vage gehaltene Informationen über die Low-Carb-Diät mit einigen Rezeptvorschlägen. Angesicht dessen, dass es sich um ein schon sehr häufig vorgestelltes Thema handelt, hätte nur ein besonderer Dreh es noch einmal attraktiv machen können. Die Bildauswahl scheint mehr für einen Text über gemüselastige Ernährung erstellt worden zu sein. Die vielen Fettungen und unterschiedlichen Gliederungszeichen (Häkchen, Pfeile, Zeigefinger) wirken auch etwas wahllos. Auch die inhaltliche Gliederung ist verwirrend, trotz der inhaltlichen Vielfalt, vor allem die überraschend ganz ans Ende gesetzte Zusammenfassung einer wissenschaftlichen Studie, was wie nachträglich ergänzt wirkt.

11. Das Thema VERSTÄNDLICH erklärt.

Grundsätzlich ist für Leserinnen und Leser nachvollziehbar, was eine Low-Carb-Diät ausmacht, wie sie funktioniert und was sie bringen soll. Die Sätze sind klar konstruiert, außerdem braucht der Text wenig Fach- oder Fremdwörter. Verwirrend ist der Widerspruch, warum die Low-Carb-Ernährung anfangs geradezu als einzigartige Diät vorgestellt wird, an der man nicht vorbeikäme, am Ende aber als genauso gut oder schlecht wie eine fettarme Ernährung beschrieben wird. Was es mit den „individuellen Genotypen“ auf sich hat, die am Ende angesprochen werden, bleibt für Laien völlig rätselhaft. Wolkig ist auch die Aussage, „Auch Diabetiker oder Menschen mit Bluthochdruck oder anderen Stoffwechselproblemen können unter Umständen profitieren.“ Welche Umstände wären das? Gibt es dazu Studien? Ohne weitere Erläuterungen ist diese Aussage unverständlich. Alles in allem werten wir nur knapp „erfüllt“.

12. Das Thema ist AKTUELL, RELEVANT ODER ORIGINELL.

Abgesehen davon, dass Diätthemen wohl immer ihre Leserinnen und Leser finden, ist kein Anlass zu erkennen, über Low-Carb-Diäten zu diesem Zeitpunkt zu berichten. Das Thema wurde schon vielfach ausgiebig berichtet, die Studiendaten sind fast vier Jahre alt, einen originellen Ansatz gibt es nicht. Warum der Text bei Google News erscheint, bleibt völlig offen.

Journalistische Kriterien: 6 von 10 erfüllt

Wir werten aufgrund der zahlreichen nur knapp „erfüllt“ Kriterien um einen Stern ab (von 3 auf 2 Sterne).

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Kriterium erfüllt

Kriterium nicht erfüllt

Kriterium nicht anwendbar