Hafer, den viele vor allem als Haferflocken kennen, soll viele Vorzüge haben, berichtet Nordbayern.de. Leider wird der Artikel kaum ausreichend konkret und es bleibt völlig offen, wie gut all die Behauptungen belegt sind, weil der Artikel vollständig auf Quellen und ExpertInnen verzichtet. Und als Regionalportal verpasst er zudem eine große Chance.
Zusammenfassung
Der Artikel auf der Regionalplattform Nordbayern.de möchte die Vorzüge des Hafers beleuchten und ihn damit Leserinnen und Leser schmackhaft machen. Der Text preist das Getreide als regionales „Superfood“ an und berichtet von zahlreichen Vorteilen und positiven Effekten, die indes in keinem Fall konkret quantifiziert werden. Dass das volle Korn auch Probleme machen kann, fällt leider weitgehend unter den Tisch. Hilfreiche Vergleiche mit Alternativen gibt es auch nicht. Es bleibt auch offen, welchen Hafer man wo bekommt oder welchen man vorzugsweise konsumieren sollte. Es wäre gerade für eine regionale Berichterstattung wünschenswert gewesen, zu erfahren, wo man zum Beispiel bei regionalen oder lokalen Anbietern Hafer in guter Qualität bekommt. Der ganze Artikel ist zwar weitgehend verständlich und einigermaßen leserfreundlich aufgemacht, jedoch verzichtet der Artikel völlig auf Quellen, sodass weder deutlich wird, woher die Informationen zum Hafer stammen, wie gut die Behauptungen belegt sind noch, was Ernährungsexperten davon halten. So bleibt letztlich völlig offen, warum dieser Artikel, der zudem keinerlei Neuigkeiten berichtet, den Leserinnen und Lesern auf diese Art und Weise präsentiert wird.
Die Kriterien
1. Die positiven Effekte sind ausreichend und verständlich dargestellt.
Positive Effekte von Hafer und vor allem eines Bestandteils, dem Ballaststoff Beta-Glucan, stehen im Fokus des Texts. Es werden sehr viele positive Effekte aufgelistet und teilweise auch erläutert. Es werden zwar vereinzelt auch Mengenangaben zu Inhaltsstoffen gegeben, an den meisten Stellen stehen jedoch Aussagen, die weder quantitative Angaben haben, noch in Relation zu positiven Effekten anderer Inhaltsstoffe als Orientierung gesetzt werden. Oft wird auch der Effekt selbst nicht erläutert, zum Beispiel: „hohen Gehalt an Vitaminen“. Es werden zwar positive Effekte behauptet wie „Kieselsäure (..) wohltuend auf Schleimhäute“, „Vitamin E verbessert Hautton und verzögert somit den Alterungsprozess“. Und: „(…) dass der tägliche Verzehr von Haferprodukten den Blutzucker- und den LDL-Cholesterinspiegel senken kann, wodurch das Risiko einer Beschädigung der Blutgefäßwände verringert wird.“
Bei all diesen Behauptungen fehlen konkrete Zahlenangaben, die das Ausmaß des Effektes verdeutlichen.
Dabei wäre dies möglich gewesen: Diese Studie etwa ergab eine Senkung des LDL-Cholesterinspiegels beim Verzehr von mindestens 3 Gramm Beta-Glucan/Tag um 5-10 % gesenkt.
Negativ fällt auch die übertriebene Aussage im ersten Absatz zur „heilenden Wirkung“ auf. Die Beispiele im Artikel berichten auch nicht darüber, dass man mit Hafer Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Akne oder Darmerkrankungen tatsächlich heilen könnte.
Ein positiver Aspekt fehlt indes gänzlich: Die bessere Ökobilanz des regionalen Produkts im Vergleich zu anderen als Superfood vermarkteten Lebensmitteln, wie etwa Chiasamen, Quinoa oder Goji-Beeren.
2. Die negativen Effekte werden angemessen berücksichtigt.
Es werden keine negativen Auswirkungen von Hafer erklärt. Der Verzehr von zu viel ballaststoffhaltigen Lebensmitteln kann jedoch zu Blähungen und Verstopfungen führen. Dieser allgemeine Effekt hätte erwähnt werden sollen. Die DGE empfiehlt mindestens 30 Gramm Ballaststoffe pro Tag und gibt keine Obergrenze an. In einer aktuellen Pressemitteilung heißt es jedoch: Menschen, die eine hohe Ballaststoffzufuhr nicht gewohnt sind, sollten die Menge langsam steigern. Denn in großer Menge können sie kurzfristig zu Blähungen, Schmerzen im Magen-Darm-Trakt oder unerwünschten Veränderungen des Stuhls führen.
Nur an einer Textstelle (Punkt 8: „Haferflocken sind glutenfrei“) geht der Text auf eine mögliche negative Auswirkung des Verzehrs von Haferflocken für Menschen mit Glutenunverträglichkeit ein,: die mögliche Kontamination von Hafer mit Gluten.
3. Es werden ALTERNATIVE Lebensmittel/Ernährungsformen/Diäten oder andere Maßnahmen vorgestellt/verglichen.
Alternativen zu Hafer/Haferflocken werden ausschließlich unter Punkt 8 beschrieben. Hier geht es um die glutenfreien Haferprodukte. Der Artikel hätte auch auf die anderen Getreidesorten eingehen können, inwieweit diese eine Alternative zu Hafer darstellen. Denn auch sie enthalten Ballaststoffe. Im Hafer ist der Beta-Glucangehalt mit durchschnittlich 4,5 % in der Trockensubstanz deutlich höher als in Weizen (0,8 %) und Roggen (2,3 %), in Gerste finden sich aber mit 4,8 % vergleichbare Werte wie beim Hafer. Auch andere „Superfoods“ hätten als Alternative vorgestellt werden können, wenn auch als negativ-Alternativen. Denn Chiasamen, Quinoa oder Goji-Beeren haben eine deutlich schlechtere Ökobilanz. Wir werten knapp „nicht erfüllt.
4. Die Belege/Studien werden ausreichend eingeordnet.
Der Artikel erwähnt an einer einzigen Stelle, dass „zahlreiche Studien“ gezeigt hätten, dass Haferflocken Blutzucker und Cholesterin senken können; jedoch wird keine dieser Studien konkret benannt oder deren Aussagekraft eingeordnet. Wie gut andere beschriebenen Effekte belegt sind, wird an keiner Stelle im Text eingeordnet.
5. Es gibt weitere, unabhängige Experten und die Quellen sind transparent.
In dem Artikel werden weder ExpertInnen mit einer Einordnung zitiert, noch Quellen angegeben. Es wird lediglich an einer Stelle von „zahlreichen Studien“ berichtet, ohne diese zu benennen oder zu verlinken. Es gibt keinerlei Quellen für die zahlreichen Behauptungen.
6. Es wird auf mögliche INTERESSENKONFLIKTE eingegangen.
Da keine Experten, Unternehmen oder andere Partner etc. zitiert werden und der Artikel lediglich die gesundheitlichen Vorzüge einer Getreideart darstellt, wenden wir das Kriterium nicht an.
7. Es gibt eine Einordnung in den Kontext (Neuheit/Verfügbarkeit/Kosten/Herkunft etc.).
Kosten müssen bei Hafer nicht thematisiert werden. Unklar bleibt aber zum Beispiel, ob es sich bei den Erkenntnissen zu Hafer und Beta-Glucan, um noch neuere Erkenntnisse handelt oder ob diese altbekannt sind. So genehmigte die US-amerikanische Food and Drug Administration (FDA) bereits 1997 eine gesundheitsbezogene Angabe für lösliches Beta-Glucan aus Hafer zur Senkung des Plasmacholesterinspiegels und des Risikos von Herzerkrankungen. 2011 erschien ein Review, in dem Ergebnisse der vorhergehenden 13 Jahre analysiert wurden, die diese Vermutung stützen.
Fast völlig außer Acht gelassen wird das Thema Herkunft und Verfügbarkeit des Hafers, obwohl der regionale Aspekt zu Beginn ganz kurz angedeutet wird, auf den dann aber nicht mehr eingegangen wird. Einerseits wäre Regionalität ein Vorteil gegenüber vielen „exotischen Superfoods“ mit schlechter Ökobilanz. Zum anderen, wäre es wichtig zu vermitteln, dass es wichtig sein kann, auf Bio-Qualität zu achten.
Ebenfalls interessant wären Informationen dazu, ob es reicht einfach zum nächstbesten Supermarkt-Produkt zu greifen, in spezialisierte Mühlen der Region einzukaufen oder Haferflocken gar selbst zu machen. Bezugsquellen regionaler oder lokaler Anbieter lässt der Text ebenfalls vermissen.
8. Die FAKTEN stimmen.
Da der Artikel keine Quellen für seine Aussagen angibt, ist es uns im Rahmen eines solchen Gutachtens nur sehr schwer möglich konkrete Aussagen zu überprüfen. Daher wenden wir das Kriterium nicht an.
Dennoch sind uns einige Aspekte aufgefallen: Internetrecherchen führen unterschiedliche Angaben zu Nährstoffdichte, Vitamin- und Mineralstoffe-Gehalt zutage, sodass keine genauen Aussagen zur Verlässlichkeit der dargestellten Informationen getroffen werden können. Zudem sind die Angaben im Text meist ungenau, ohne genaue Angaben zu Nährstoffdichte, Vitamin- oder Proteingehalt etwa.
An einigen Stellen sind die Aussagen dabei nicht ganz korrekt. Beispielsweise, wenn es heißt, dass Beta-Glucane im Darm eine Schleimhaut bilden, die Schutz bietet. Korrekt müsste es heißen, dass Beta-Glukane eventuell die Schutzfunktion der Darmschleimhaut zusätzlich verbessern – das zeigen Tierstudien. Es liegen aber auch einige Hinweise vor, dass Beta-Glucane die Funktion der Darmbarriere beeinträchtigen könnten. Auch die Aussage, dass ein verbesserter Hautton (aufgrund des Vitamin E im Hafer) den Alterungsprozess verzögert, kann man so nicht stehen lassen. Man könnte höchstens scheiben, dass eventuell eine gesündere Haut den Alterungsprozess der Haut verzögern kann – wie gut das belegt ist und was genau eine gesunde Haut dabei ausmacht, müsste dann aber beschrieben werden.
9. Der Beitrag ist überwiegend eine JOURNALISTISCHE EIGENLEISTUNG.
Es lässt sich nicht sagen, ob Informationen zum Artikel aus Pressematerial stammen oder nicht, daher wenden wir das Kriterium nicht an.
10. Der Beitrag vermittelt das Thema ATTRAKTIV.
Das Modewort „Superfood“, gepaart mit dem Adjektiv „unscheinbar“ regt zum Lesen des Textes an. Auch der Teaser, der eine „heilende Wirkung“ des „neuen Superfoods“ verspricht, macht neugierig. Der Text ist übersichtlich in neun Abschnitte zu jeweils einem „Vorteil“ gegliedert. Jedoch enthält der für den Informationsgehalt relativ lange Text zahlreiche Redundanzen sowie unpräzise Formulierungen, vier von fünf Sätzen beginnen mit „Haferflocken sind/gelten/haben/zeichnen, sodass wir alles in allem nur „knapp erfüllt“ werten.
11. Das Thema VERSTÄNDLICH erklärt.
Der Text nutzt einige Fremdwörter, die nicht erklärt werden: Oxidation, Atherosklerose, Avenanthramide. Ansonsten ist der Text leicht verständlich. Wir werten knapp, erfüllt, weil der Text meist nur behauptet, ohne viel zu erklären.
12. Das Thema ist AKTUELL, RELEVANT ODER ORIGINELL.
Viele der neun Aspekte des Textes sind altbekannt und es wurde bereits darüber berichtet. Es bleibt völlig offen, warum der Artikel gerade jetzt erscheint, und auf Google News ausgespielt wird. Für ein Regionalmedium versäumt es der Artikel, einen regionalen Bezug herzustellen.
Journalistische Kriterien: 2 von 9 erfüllt
Abwertung um einen Stern, weil der Artikel auf keinerlei Quellen verweist oder Expertinnen zitiert und die beiden erfüllten Kriterien auch nur knapp erfüllt sind (von 2 auf 1 Stern).