Bewertet am 4. Februar 2022
Veröffentlicht von: RND

Insekten auf dem Speisenteller sind immer noch ungewöhnlich in Deutschland, während sie in anderen Ländern völlig normal sind. Der interessante Artikel des Redaktionsnetzwerks Deutschland (RND) fasst einige Vorteile dieser Tiergruppe als Lebensmittel zusammen, vergisst dabei indes, eine hinreichende Antwort auf die im Titel aufgeworfene Frage zu geben.

Zusammenfassung

Der Artikel des Redaktionsnetzwerks Deutschland (RND) stellt Vorteile von Insekten als Lebensmittel vor. Dabei stützt er sich vor allem auf die Aussagen einer Unternehmerin in Berlin und einer Insektenfarm. Positive Effekte werden hinreichend deutlich erläutert, negative Effekte hingegen gar nicht thematisiert. Auch wird die Ernährungsweise mit Insekten nicht mit anderen Alternativen verglichen. Wie gut die Effekte durch wissenschaftliche Studien belegt sind, erklärt der Text ebenfalls nicht. Als einzige unabhängige Quelle wird die Verbraucherzentrale nur für einen der vielen Aspekte zitiert, ansonsten kommen nur die kommerziellen Vertreter zu Wort oder werden zitiert. Auch wenn der Text weitgehend verständlich und interessant ist, ist das Hauptmanko, dass im Titel und in der zusammenfassenden Liste zu Beginn, behauptet wird, dass Insekten als Lebensmittel helfen würden, das Klima zu schützen. Im Artikel bekommen Leserinnen und Leser dies indes nicht hinreichend erklärt.

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Die Kriterien

1. Die positiven Effekte sind ausreichend und verständlich dargestellt.

Insekten sollen laut dem Artikel eiweißreich und umweltfreundlich sein, und auch das Tierwohl sei weniger problematisch als bei Rindern, Schweinen und Geflügel. Der Eiweißgehalt wird im Artikel quantifiziert und im Vergleich zu Fleisch anderer Tierarten gesetzt. Auch zur Verwertbarkeit der Tiere bzw. dem anfallenden Abfall einer Tierproduktion wird mit Zahlen belegt, ebenso beim Ressourcenschutz (Wasser und Futterration). Beim Thema Tierwohl, also artgerechte Haltung und Schlachten, werden zwar keine Zahlen genannt, jedoch werden die Vorteile ausreichend erklärt.

Im Titel und der vorangestellten Liste wird insbesondere der Klimaschutz als Vorteil hervorgehoben. Dazu wird im Beitrag selbst aber nicht mehr näher informiert Hier hätten wir zumindest erwartet, dass der Anteil der Fleischproduktion an der Freisetzung von Treibhausgasen genannt wird oder wie hoch das Einsparpotenzial durch Insekten als Nahrungsmittel wäre.

2. Die negativen Effekte werden angemessen berücksichtigt.

Der Beitrag nennt keine negativen Effekte von Insekten als Nahrungsmittel. Dabei werden solche durchaus diskutiert, etwa die Kontamination durch Krankheitserreger, die Anreicherung von Schadstoffen, z.B. Schwermetallen, in Insekten, und Allergien bei Arbeitern in der Insektenzucht und bei Konsumenten. So wird beispielsweise über Kreuzreaktion gegen Insekten bei Hausstauballergien berichtet.

3. Es werden ALTERNATIVE Lebensmittel/Ernährungsformen/Diäten oder andere Maßnahmen vorgestellt/verglichen.

Der Beitrag berichtet nicht über andere Möglichkeiten, den hohen Ressourcenverbrauch in der Nahrungsmittelproduktion zu verringern. Ebenso fehlt ein Vergleich mit vegetarischer Ernährungsweise.

4. Die Belege/Studien werden ausreichend eingeordnet.

Leider werden kaum Quellen oder Studien genannt. Es wird zwar die rechtliche Lage durch die EFSA belegt, aber nicht, woher die Zahlen zum Proteingehalt stammen oder auch die Werte zum Ressourcenverbrauch. Lediglich die Verbraucherzentrale wird zum Thema Verwertbarkeit zitiert. Beim Thema Schlachten und artgerechte Haltung werden Informationen lediglich von einer Webseite einer Insektenfarm genannt, was indes keine neutrale Quelle ist. Eine unabhängige Quelle wäre hier besser gewesen.

Es fehlt ganz grundsätzlich der Verweis auf unabhängige wissenschaftliche Belege.

5. Es gibt weitere, unabhängige Experten und die Quellen sind transparent.

Als Quelle dient vor allem eine Unternehmerin, die Insekten als Nahrungsmittel sowie Workshops zu diesem Thema anbietet. Außerdem wird aus der Webseite einer Insektenfarm zitiert. Ganz kurz kommt zum Aspekt Verwertbarkeit eine Expertin der Verbraucherzentrale Berlin zu Wort. Zu allen übrigen Aspekten fehlt eine unabhängige Quelle, auch bleibt völlig unklar, woher die genannten Zahlen stammen.

Wir werten daher – wenn auch knapp – nicht erfüllt.

6. Es wird auf mögliche INTERESSENKONFLIKTE eingegangen.

Es wird ausreichend deutlich, dass die genannten Quellen (Unternehmerin, Insektenfarm) ein kommerzielles Interesse an der Vermarktung von Insekten als Lebensmittel haben.

7. Es gibt eine Einordnung in den Kontext (Neuheit/Verfügbarkeit/Kosten/Herkunft etc.).

Es wird berichtet, dass Insekten weltweit vielen Menschen als Nahrungsmittel dienen und nun auch hierzulande gezüchtet werden, also prinzipiell verfügbar sind. Deutlich wird, dass sie „vor allem über Online-Shops“ zu beziehen sind. Welchen Umfang die Insektenproduktion in Deutschland oder Europa derzeit hat, bleibt aber offen, ebenso die Frage nach einem möglichen Import von Insekten.

Was Insektenprodukte die EndverbraucherInnen kosten, erfahren Leserinnen und Leser gar nicht. Offenbar ist Eiweiß aus Insekten bislang um ein Vielfaches teurer als z.B. Sojaeiweiß. Wie die Preisliste des vorgestellten Unternehmens zeigt, sind Insekten hier bislang ein recht teures Nahrungsmittel (z.B. kostet 1 kg gefriergetrocknete Mehlwürmer 110 Euro).

Wir werten knapp „nicht erfüllt“.

8. Die FAKTEN stimmen.

Die Angabe, es gäbe rund „2000 essbare Insektenarten“, ist so nicht ganz korrekt. Offenbar werden derzeit gut 2000 Insektenarten als Nahrungsmittel genutzt. Wie viele der rund eine Million Insektenarten, die bislang wissenschaftlich beschrieben wurden, tatsächlich essbar sind, ist damit aber nicht gesagt und offensichtlich unbekannt.

Im Beitrag heißt es: „Sie [die Mehlwürmer] bestehen zur Hälfte aus Proteinen, während der Proteinanteil in Fleisch von Rindern, Schweinen und Geflügel nur bei etwas mehr als 20 Prozent liegt.“ Hier wird vermutlich der Gehalt in der Trockenmasse (% DM) mit dem Proteingehalt im verzehrfähigen Produkt verglichen. Laut Angaben der Verbraucherzentrale hat aber z.B. der Mehlwurm ungefähr genauso viel Eiweiß wie Rind- und Schwein.

Generell fällt aber der Eiweiß-Gehalt verschiedener Insektenarten auch sehr unterschiedlich aus.

Wir werten daher alles in allem „knapp erfüllt“.

9. Der Beitrag ist überwiegend eine JOURNALISTISCHE EIGENLEISTUNG.

Eine Pressemitteilung, die dem Beitrag zugrunde liegen könnte, haben wir nicht gefunden. Auch wenn der Text recht einseitig die Vorteile hervorhebt, haben wir auch keinen Anhaltspunkt dafür, dass er komplett auf Pressematerial beruht.

10. Der Beitrag vermittelt das Thema ATTRAKTIV.

Der Text ist zwar gut lesbar und vermittelt einige interessante Informationen. Neben eher technischen Fakten finden sich auch küchentaugliche Tipps. Die Sätze sind abwechselnd kurz und lang, ohne Schachtelsätze. Es gibt keine kryptischen Fachwörter. Eine Liste fasst wichtige Punkte zu Beginn zusammen. Hauptproblem ist indes, dass der Artikel im Titel und in der Liste zu Beginn darauf verweist, dass Leserinnen und Leser erfahren werden, wie der Insektenverzehr hilft, das Klima zu schützen, dies dann im Artikel aber gar nicht erklärt. Auch werden „ein paar“ Grundregeln, die beim Konsum von Insekten zu beachten wären, versprochen. Welche Regeln das sein sollen, erfahren Leserinnen und Leser dann leider nicht.

11. Das Thema VERSTÄNDLICH erklärt.

Der Beitrag ist im Wesentlichen zwar gut verständlich, an einigen Stellen indes recht oberflächlich.

12. Das Thema ist AKTUELL, RELEVANT ODER ORIGINELL.

Ein aktueller Anlass für den Beitrag ist nicht erkennbar, doch ist das Thema prinzipiell relevant. Das Thema passt zur aktuellen Nachhaltigkeitsdebatte und zum Protein-Hype in den Supermärkten. Zudem ist es nach wie vor ein ungewöhnliches“ Thema. Wir werten knapp „erfüllt“.

Journalistische Kriterien: 6 von 12 erfüllt

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Kriterium erfüllt

Kriterium nicht erfüllt

Kriterium nicht anwendbar