Bewertet am 27. Januar 2022
Veröffentlicht von: RTL.de

Seit einigen Jahre gibt es eine erhöhte Nachfrage nach glutenfreien Lebensmitteln. Es greifen indes auch Menschen zu diesen Produkten, die eigentlich gar keine Gluten-Unverträglichkeit haben. Teilweise erhoffen sie sich dadurch sogar eine Senkung des Risikos für Herz-Kreislauf-Erkrankungen. RTL.de greift diese Hoffnung auf und erklärt anhand einer Studie, dass dies nicht der Fall ist. Warum dazu lediglich auf eine vier Jahre alte Studie zurückgegriffen wird, bleibt unklar.

Zusammenfassung

Der Artikel auf RTL.de klärt Leserinnen und Leser auf, dass ein Verzicht auf Gluten nicht das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen senkt. Dazu verweist der Text auf eine Studie aus dem Jahr 2017, in der keine Unterschiede für dieses Risiko in verschiedenen Gruppen von Teilnehmern gefunden wurden, die unterschiedlich viel Gluten zu sich nahmen. Der fehlende Nutzen des Glutenverzichts macht der Text deutlich und klärt auch darüber auf, dass ein Verzicht keine negativen Effekte hat, sofern nicht auf Vollkornprodukte verzichtet wird. Welche Ernährungsformen oder andere Maßnahmen stattdessen positiv für das Herz-Kreislauf-System sind, erklärt der Beitrag nicht. Die vorgestellte Studie wird im Vorspann zwar als Studie aus dem Jahr 2017 beschrieben, später im Artikel aber als „aktuelle Studie“ benannt. Ihr Aufbau wird zwar ansatzweise erläutert, wie aussagekräftig sie ist, bleibt indes offen. Auch wird nicht auf andere Untersuchungen verwiesen, die das Ergebnis bestätigen oder ihm widersprechen. Dabei hilft auch nicht der zitierte Experte, bei dem offen bleibt, wer genau er eigentlich ist. Unklar bleibt auch, was genau die Neuheit des Beitrags ist, der schließlich auf eine vier Jahre alte Studie verweist. Positiv und verständlich ist die Erklärung zum Hype um Gluten, der dazu führt, dass Menschen unnötig auf Produkte mit Gluten verzichten, jedoch ist der Aufbau des Beitrags verwirrend. Es wird nicht recht deutlich, warum Ende 2021 über eine Studie von 2017 berichtet werden sollte, ohne darauf einzugehen, wie sich die Situation seitdem verändert hat. Möglicherweise lassen sich einige der Probleme im Text damit erklären, dass es sich um eine Verschriftlichung des zuvor geschalteten Videos handelt, das wir hier indes nicht bewertet haben.

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Die Kriterien

1. Die positiven Effekte sind ausreichend und verständlich dargestellt.

Der Beitrag berichtet korrekt, dass bei Menschen ohne Zöliakie oder Gutenunverträglichkeit kein Nutzen einer Gluten-freien Diät für die Herzgesundheit festgestellt wurde. Zum genannten Nutzen einer Ernährung, die reich an Vollkornprodukten ist, hätte man allerdings gerne näheres erfahren oder zumindest eine Quellenangabe dazu bekommen.

2. Die negativen Effekte werden angemessen berücksichtigt.

Es wird zutreffend beschrieben, dass die Studie keinen negativen Effekt von Gluten-freier Ernährung festgestellt hat, sofern nicht zugleich auf Vollkornprodukte verzichtet wird. Ballaststoff- und Vitaminmangel als negative – wenn auch indirekte – Glutenverzichts-Effekte bei Gesunden werden nur kurz als Studienergebnis angerissen. Aber da die Untersuchung eines positiven Effektes und seiner Widerlegung im Fokus des Artikels steht, halten wir das noch für auseichend.

3. Es werden ALTERNATIVE Lebensmittel/Ernährungsformen/Diäten oder andere Maßnahmen vorgestellt/verglichen.

Andere Ernährungsformen oder Maßnahmen, die sich positiv auf die Herzgesundheit auswirken könnten, werden nicht angesprochen.

4. Die Belege/Studien werden ausreichend eingeordnet.

Die Studie wird mit ihren Methoden und Ergebnissen gut zusammengefasst. Allerdings wird nicht erläutert, wie die Ernährungsdaten erhoben wurden (Selbstauskunft per Fragebogen). Dass diese Art der Datenerhebung nicht unproblematisch ist, hätte erwähnt werden sollen. Verwirrend dürfte zudem sein, dass die Studie schon aus dem Jahr 2017 stammt, was im Vorspann zwar kurz erwähnt wird, dann aber nicht erklärt wird, warum man vier Jahre später über diese Studie berichtet, und später im Artikel die Studie als aktuell bezeichnet. Hinzu kommt: Ob es seitdem weitere Untersuchungen gegeben hat, die das Ergebnis bestätigen oder widerlegen, wird nicht deutlich. Daher werten wir alles in allen knapp „nicht erfüllt“.

5. Es gibt weitere, unabhängige Experten und die Quellen sind transparent.

Es gibt zwar eine Aussage eines an der Studie unbeteiligten Experten, einen Gastroenterologen, der ansonsten nicht näher beschrieben wird. Zudem ordnet er auch nicht die Ergebnisse der Studie ein, sondern bestätigt nur den Hype um Gluten. Daher werten wir – wenn auch knapp – „nicht erfüllt“.

6. Es wird auf mögliche INTERESSENKONFLIKTE eingegangen.

Der Artikel spricht keine Interessenkonflikte an. Laut Studie sind aber auch keine Interessenkonflikte gegeben, die hier zu nennen wären.

7. Es gibt eine Einordnung in den Kontext (Neuheit/Verfügbarkeit/Kosten/Herkunft etc.).

Einerseits wird einigermaßen verständlich erklärt, dass es einen Hype um Gluten gab/gibt, der an den realen Gegebenheiten vorbei geht, weil Menschen Gluten meiden, die dies gar nicht bräuchten. Jedoch dürften Leserinnen und Leser verwirrt sein, ob es sich jetzt um eine echte Neuheit handelt oder, was genau das Neue an dieser Meldung sein soll, angesichts der unklaren Darstellung der Studie. Hinzu kommt: Zur Verbreitung der Gluten-freie Produkte, mit denen erhebliche und steigende Umsätze erzielt werden, wären Informationen ebenfalls interessant  gewesen. Schließlich wird auf den Kostenaspekt dieser besonderen Lebensmittel gar nicht eingegangen. Das wäre aber wichtig gerade, weil viele Menschen, diese Produkte ohne echten Grund wählen.

8. Die FAKTEN stimmen.

Im Vorspann heißt es: „Und immer mehr Menschen machen das, obwohl sie gar keine Allergie dagegen haben. Denn nur ungefähr ein Prozent der Bevölkerung leidet (…) an Zöliakie‘“. Zöliakie ist indes keine Allergie, sondern eine Autoimmunerkrankung. Im Artikel wird die Untersuchung, über die berichtete wird als „aktuelle Studie“ bezeichnet. Tatsächlich ist sie jedoch aus dem Jahr 2017, wie es ja auch im Vorspann beschrieben wird. Wir werten nur knapp „erfüllt“.

9. Der Beitrag ist überwiegend eine JOURNALISTISCHE EIGENLEISTUNG.

Die Beschreibung der Studienergebnisse erscheint weitgehend nur auf der Pressemitteilung zu beruhen. Immerhin wurde ein unabhängiger Experte konsultiert, wenn auch nicht zur Einordnung der Ergebnisse. Und auch die – nicht näher belegte – Aussage, dass die Untersuchung keine Nachteile für eine freiwillig glutenfreie Ernährung bei vollwertiger Kost zeige, geht über die Pressemitteilung hinaus. Wir werten knapp „erfüllt“.

10. Der Beitrag vermittelt das Thema ATTRAKTIV.

Der Artikel ist nicht besonders attraktiv aufgebaut. Er teasert die Herzgesundheit an, beginnt dann aber erstmal mit dem Glutenverzicht-Hype und einer Zöliakie-Definition. Die eigentliche „Neuheit“ kommt erst nach der zweiten Zwischenüberschrift. Nach den Studienergebnissen springt der Autor mit dem Hinweis auf die angepasste glutenfreie Produktpalette der Hersteller unvermittelt wieder zu einer Auswirkung des Hypes. Die Überschrift trifft das Thema nicht ganz – „gewarnt“ wird hier eigentlich nicht, sondern im Wesentlichen der mangelnde Nutzen festgestellt.

11. Das Thema ist VERSTÄNDLICH erklärt.

Der Beitrag ist im Großen und Ganzen verständlich, wenn auch nicht besonders tiefgehend. So hätte man gerne erfahren, wie es zu der Diät-Euphorie gekommen ist, und wie die Annahme begründet wurde, Gluten wäre schlecht für die Herzgesundheit. Hier wären nähere Erläuterungen wünschenswert.

12. Das Thema ist AKTUELL, RELEVANT ODER ORIGINELL.

Ein Anlass für die Berichterstattung ist nicht erkennbar. Die zitierte Studie ist gut vier Jahre alt, das Thema altbekannt. Zum Zeitpunkt des Erscheinens haben die Medien vielfach über die Studie berichtet (z.B. hier, hier und hier). Das Thema ist auch nicht mehr originell. Sollte es als Erinnerung für Leserinnen und Leser dienen, die dies noch nicht wussten, hätte im Artikel auf neuere Forschung eingegangen werden müssen.

Journalistische Kriterien: 6 von 12 erfüllt

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Kriterium erfüllt

Kriterium nicht erfüllt

Kriterium nicht anwendbar