Bewertet am 11. Oktober 2021
Veröffentlicht von: Nordkurier.de

Bestimmte Lebensmittel könnten die Gedächtnisleistung von Schülerinnen und Schülern steigern, berichtet Nordkurier.de. Dass es sich bei dem Artikel um eine fast vollständig kopierte Pressemitteilung eines Ärzteverbands aus dem Jahr 2007 handelt, und ein Arzt als Pressesprecher zitiert wird, der dies gar nicht mehr ist, verschweigt das Medium.

Zusammenfassung

Der Nordkurier gibt in einem Artikel auf seiner Onlineseite Ernährungstipps, nach denen bestimmte Lebensmittel Schülerinnen und Schülern helfen sollen, ihre Konzentration und Gedächtnisleistung zu verbessern. Konkrete Zahlen dazu, wie gut das gelingt, berichtet das Medium indes nicht, auch nicht, ob irgendwelche negativen Effekte oder Probleme möglich sind. Zwar stellt der Artikel zahlreiche Lebensmittel vor und erklärt, welche für ein Frühstück weniger geeignet sind, doch bleibt völlig offen, ob die Behauptungen in Studien untersucht wurden und wie sicher das Wissen ist. Der einzige Experte wird als Pressesprecher des Verbands vorgestellt, was er indes nicht mehr ist. Letztlich zeigt sich, dass der Artikel eine weitgehende Übernahme einer Pressemitteilung aus dem Jahr 2007 ist. Zu dieser Zeit war der zitierte Mediziner tatsächlich noch Pressesprecher des Bundesverbands. Der Nordkurier tut indes einfach so, als handele es sich um aktuelle Aussagen, und täuscht damit seine Leserinnen und Leser.

Title

Die Kriterien

1. Die positiven Effekte sind ausreichend und verständlich dargestellt.

Positive Effekte der empfohlenen Lebensmittel werden auf verschieden Weise beschrieben: „Wer sein Kind beim Lernen unterstützen möchte, sollte ihm Gehirnfutter geben. Eier, Nüsse, Müsli, Käse und Haferflocken sind besonders gut.“ „Die Gedächtnisleistung und Konzentrationsfähigkeit von Schülern lässt sich mit einer gesunden Ernährung förderlich unterstützen.“ „Vor allem das Frühstück ist für Schulkinder besonders wichtig, denn über die Nacht haben sich die Energiespeicher geleert. Da diese Energiespeicher bei Kindern noch kleiner sind als bei Erwachsenen, ist für sie diese erste Mahlzeit besonders wichtig“.

Es bleibt indes bei solchen allgemeinen Behauptungen. Konkrete Angaben zum Ausmaß der Effekte gibt es nicht. Warum es diese nicht gibt, erfahren Leserinnen und Leser indes nicht.

2. Die negativen Effekte werden angemessen berücksichtigt.

Es heißt zwar zu negativen Effekten von bestimmten Lebensmitteln: „Nahrungsmittel mit hohem Zuckergehalt, wie Süßigkeiten, Kuchen wirkten sich dagegen – auch wenn sie zunächst rasch sättigen – negativ auf die Aufmerksamkeit aus, denn der Blutzuckerspiegel falle ebenso rasch ab, wie er gestiegen ist und führe dann schnell wieder zu einem Hungergefühl und Müdigkeit, warnt Ulrich Fegeler.“ Ob aber die positiv beschriebenen Alternativen wie Müsli irgendwelche negativen Effekte haben, erklärt der Artikel nicht. Denkbar wären etwa Verdauungsbeschwerden oder Allergien.

3. Es werden ALTERNATIVE Lebensmittel/Ernährungsformen/Diäten oder andere Maßnahmen vorgestellt/verglichen.

Hauptthema sind verschiedene Lebensmittel, die die Gedächtnisleistung und Konzentrationsfähigkeit von Schülerinnen und Schülern steigern sollen. Dafür werden auch zahlreiche Beispiele genannt. Indes gibt es keine Beispiele für andere Maßnahmen (wie Sport, Bewegung, Trinken), die dieses Potenzial haben. Daher werten wir nur knapp „erfüllt“.

4. Die Belege/Studien werden ausreichend eingeordnet.

Ob und wie gut die behaupteten Effekte belegt sind, etwa durch Studien, erfahren Leserinnen und Leser nicht. Der Artikel stützt sich lediglich auf Eminenz statt Evidenz. Demnach stützt sich der Sprecher des Berufsverbandes der Kinder- und Jugendärzte (BVKJ) offenbar auch nur auf Erfahrung, wenn er sagt: „Bewährt hat sich eine Mischung aus eiweißhaltigen Lebensmitteln und komplexen Kohlehydraten, da sie langsam abgebaut werden (…).“

5. Es gibt weitere, unabhängige Experten und die Quellen sind transparent.

Es gibt lediglich eine Quelle: den Sprecher des Berufsverbandes der Kinder- und Jugendärzte (BVKJ). Dass die Zitate einer Pressemitteilung aus dem Jahr 2007 entstammen, erfahren Leserinnen und Leser indes nicht. Daher werten wir „nicht erfüllt“. Aktuelle Einschätzungen zum Thema  fehlen.

6. Es wird auf mögliche INTERESSENKONFLIKTE eingegangen.

Interessenkonflikte spielen bei diesem Ernährungstipp keine Rolle, müssen daher auch nicht thematisiert werden.

7. Es gibt eine Einordnung in den Kontext (Neuheit/Verfügbarkeit/Kosten/Herkunft etc.)

Eine Einordnung der 14 Jahre alten Behauptungen in den aktuellen Kontext findet nicht statt.

8. Die FAKTEN stimmen.

Im Artikel wird behauptet Dr. Ulrich Fegeler sei Bundessprecher des Berufsverbandes der Kinder- und Jugendärzte (BVKJ). Dies war er zwar viele Jahre lang, auch im Jahr 2007 als der BVKJ die Pressemitteilung auf die der Artikel beruht, herausgab. Inzwischen ist Dr. Fegeler nicht mehr Bundespressesprecher des Verbands, sondern Herr Jakob Maske.

Im Artikel wird behauptet, dass Cholin deshalb für ein gutes Gedächtnis wichtig ist, weil es für den Botenstoff Acetylcholin benötigt wird. Unerwähnt bleibt, dass der Körper Cholin auch ohne externe Zufuhr ausreichend bilden kann, und dass der gedächtnisfördernde Effekt einer vermehrten Cholin-Aufnahme nicht schlüssig belegt ist.

9. Der Beitrag ist überwiegend eine JOURNALISTISCHE EIGENLEISTUNG.

Der Beitrag ist fast vollständig wörtlich aus einer Pressemitteilung aus dem Jahr 2007 übernommen und nur durch einen Vorspann, den Konjunktiveinsatz und Zwischenüberschriften abgewandelt.

10. Der Beitrag vermittelt das Thema ATTRAKTIV.

Der Artikel liest sich flüssig, verzichtet auf Fremdworte oder erklärt sie soweit nötig. Ein sprachlich solider Text.

11. Das Thema VERSTÄNDLICH erklärt.

Der Artikel ist größtenteils verständlich, auch wenn das der Verdienst der Pressemitteilung, also der Quelle ist. An einigen Stellen reicht der Artikel indes keine Erklärungen nach, wo sie nötig wären, etwa warum ungesättigten Fettsäuren Nervennahrung sind und was das bedeutet.

12. Das Thema ist AKTUELL, RELEVANT ODER ORIGINELL.

Der Artikel ist weder aktuell noch relevant oder originell. Die Quelle ist 14 Jahre alt, wurde ohne Aktualisierung fast unverändert abgeschrieben und durch die fehlende Klarstellung des Quellenalters als aktuell verkauft.

Journalistische Kriterien: 4 von 12 erfüllt

Abwertung um einen Stern aufgrund der Übernahme der Pressemitteilung und der Täuschung der Leserinnen und Leser, es handle sich um einen aktuellen Text (von 2 auf 1 Stern).

Title

Kriterium erfüllt

Kriterium nicht erfüllt

Kriterium nicht anwendbar